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Stuttgarter unikurier Nr. 95 Mai 2005
In memoriam:
 
 
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Christoph Borcherdt
 

  Christoph Borcherdt
Wenige Wochen vor seinem 80 Geburtstag, am 2. November 2004, ist Chris-toph Borcherdt, der emeritierte Ordinarius für Kulturgeographie, verstorben.

 In München am 25. Dezember 1924 geboren und aufgewachsen, studierte er hier nach dem Zweiten Weltkrieg die Fächer Geographie, Germanistik und Ge-schichte. Er promovierte 1950 mit einer kulturgeographischen Arbeit über den Landkreis Starnberg. Nach der Assistententätigkeit an der Technischen Hoch-schule München kam er an die Universität des Saarlandes, wo er sich mit der Arbeit „Fruchtfolgesysteme und Marktorientierung als gestaltende Kräfte der Agrarlandschaft in Bayern“ 1959 habilitierte.

 Aus der „Diätendozentur“ in Saarbrücken wurde Christoph Borcherdt ab 1. September 1965 auf den Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie an der Tech-nischen Hochschule Stuttgart berufen. Neben Arbeiten zu Bayern und dem Saarland erschienen in der Folgezeit Publikationen zu Süddeutschland und Venezuela, die auf arbeitsintensiven Forschungsreisen und Studienprojekten beruhten. Christoph Borcherdt war Mitherausgeber der Reihe Studienbücher Geographie und Autor einer geographischen Landeskunde von Baden-Württemberg.

 Das Institut für Geographie der Universität Stuttgart hat Christoph Borcherdt viel zu verdanken. Er leitete das Institut mehrere Jahre allein und gab der Lehre neue Impulse. Besonders herauszustellen ist das Engagement für den neuen Studiengang Geographie Diplom (seit 1968), zu dem praxisorientierte Lehrveranstaltungen zur Ange-wandten Geographie entwickelt wurden.

 Christoph Borcherdt, der in München auch das zweite Staatsexamen (nach dem Referendardienst) abgelegt hatte, hat sich seit 1971 große Verdienste um die Entwicklung des Kontaktstudiums für Gymnasiallehrer und die Region-ale Arbeitsgemeinschaft Geographie erworben. Ende der 1980er Jahre wurde er Vorsitzender der Gesellschaft für Erd- und Völkerkunde.

 Die Geographie von Süddeutschland hat mit Christoph Borcherdt einen engagierten Vertreter verloren, dessen fundierte Fach- und Regionalkompetenz in Verbindung mit großer Hilfsbereitschaft allen SchülerInnen und Kolleg-Innen in Erinnerung bleiben wird.

Wolf Gaebe

 

Richard Doležal
 

Richard Doležal

Am 3. Januar 2005 verstarb im Alter von 84 Jahren Professor Dr. techn.Richard Doležal in Konstanz, emeritierter Ordinarius für Verfahrenstechnik und Dampf-kesselwesen und wissenschaftlicher Direktor des Heizkraftwerkes Pfaffenwald der Universität. Er war ein national und international anerkannter Wissenschaft-ler auf dem Gebiet der Feuerungs- und Kraftwerkstechnik.

 1921 in Böhmen geboren, studierte er von 1939 mit kriegsbedingten Unter-brechungen bis 1946 Maschinenbau an der TH Prag. Nach der Promotion 1947 führte ihn sein beruflicher Weg über Tätigkeiten in der tschechischen Kraftwer-ksindustrie (Skodawerke, Witkowitzer Eisenwerke) zum ordentlichen Profes-sor, zunächst an der Bergbauakademie Ostrava und dann an der TH Prag (1960 - 1968). Das politische Ende des „Prager Frühlings“ zwang ihn, eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Leiter der Dampf-erzeugerabteilung der Firma Gebr. Sulzer, Winterthur/Schweiz, anzunehmen (1969 -1974). Dort erhielt er den Ruf an die TU Braunschweig zum Direktor des Instituts für Wärme- und Brennstofftechnik (1974 -1978).

 1978 wurde Prof. Doležal als Direktor des Institutes für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen (IVD) und des Heizkraftwerks an die Universität Stuttgart berufen. Diese Institutionen leitete er über die Emeritierung 1989 hinaus bis 1992.

 Die Entwicklung des so genannten Schmelzkammerkessels für ballastreiche Kohle ist untrennbar mit seinem Namen verbunden, was durch 42 Patente, viele Publikationen und durch das Buch „Schmelzfeuerungen“ dokumen-tiert ist. Es folgten die in mehrere Sprachen übersetzten Bücher „Hochdruck-Heißdampf“, „Großkesselfeuerungen“ und „Durchlaufkessel“, die nicht nur im damaligen Ostblock Standardwerke waren.

 Seine wissenschaftlichen Arbeiten in Stuttgart waren schwerpunktmäßig geprägt durch die immer besseren Mög-lichkeiten der digitalen Datenverarbeitung und den Ausbau des Rechenzentrums. Dies ermöglichte es ihm, sich intensiv mit der mathematischen Simulation der Prozesse im konventionellen thermischen Kraftwerk zu befassen. Damit können neben den komplizierten Anfahr- und Abfahrvorgängen eines Dampferzeugers auch schnelle Last-änderungen sowie Störfälle berechnet und kritische, thermisch hoch belastete Stellen im Kessel identifiziert werden. Die von ihm entwickelten Lösungsalgorithmen, insbesondere die semianalytische Methode, werden auch noch heute in den Programmsystemen des IVD eingesetzt.

 Diese Arbeiten führten dazu, dass Prof. Doležal mit den von ihm entwickelten Programmen bei der Planung der Erweiterung des Heizkraftwerkes Pfaffenwald mit zwei Abhitzekesseln für zwei Gasturbinen maßgeblich mit eingebunden war. Diese Abhitzekessel sind heute ein wesentlicher Bestandteil der Energieversorgung der Univer-sität und der benachbarten Großforschungseinrichtungen in Vaihingen.

 Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeiten am IVD war es, die aus der Verbrennung von Kohle, Öl, Gas oder Biomassen resultierenden Umweltbelastungen im thermischen Kraftwerk so gering wie möglich zu halten. Hierzu wurde die mathematische Modellierung der Verbrennungsvorgänge im Feuerraum weiter entwickelt und mit den Experimenten der halbtechnischen Versuchsanlagen des IVD überprüft. In diese Zeit fällt auch die Gründung des Forschungsschwerpunktes TECFLAM, der es erlaubte, zusammen mit anderen Hochschulen und Forschungs-einrichtungen in Baden-Württemberg über viele Jahre hinweg die Möglichkeiten umweltfreundlicher Verbrennung zu erforschen.

 Das Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen und die Universität Stuttgart werden Richard Doležal in ehrender Erinnerung behalten.

Bernhard Pfau

 

Wolfgang Kaiser
 

Wolfgang Kaiser

Am 26. März verstarb Prof. Dr.-Ing. Dres. h.c. Wolfgang Kaiser im Alter von 82 Jahren. Die Universität Stuttgart und das Institut für Nachrichtenübertragung, das er von 1967 bis 1992 leitete, verlieren mit ihm eine große Persönlichkeit. Über 25 Jahre begeisterte er an seinem Lehrstuhl Studierende und Wissen-schaftler für sein Fachgebiet.

 Kaiser erwarb sich internationale Anerkennung durch seine Forschungs-arbeiten, besonders auf den Gebieten der Übertragung von Sprache, Daten, Texten und Bildern sowie der optischen Übertragungssysteme. Er gestaltete Forschungsrichtungen, wie zum Beispiel die schnelle Datenübertragung über Telefonleitungen in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, ohne die wir heute keine DSL-Modems hätten. In jener Zeit ging den Ingenieuren im wahrsten Sinne des Wortes ein Licht auf. Sie versuchten, mit Lichtimpulsen aus Lasern Informationen über eine Glasfaser zu schicken. Wolfgang Kaiser hat die Entwicklung der optischen Nachrichtenübertragung ganz wesentlich geprägt. Ohne diese Technik wäre der Datenverkehr im Internet vergleichbar mit den Staus auf den Autobahnen. Bereits in den 80er Jahren befasste er sich mit dem „Bildschirmtext“, der heutigen E-Mail, und hat mit seinen Assistenten die ersten Versuche im Labor durchgeführt. Mit seiner Art, schnell auf den Kern einer Sache zu kommen und eine knappe, aber treffende Antwort zu finden, hat er viele Generationen von Studierenden und Doktoranden geprägt.

 Seine fachliche Kompetenz, seine Integrationsfähigkeit, sein Geschick zur Motivation, sein Überblick und nicht zuletzt seine verbindliche, herzliche Art machten ihn zum gefragten Mann bei der Industrie und anderen Insti-tutionen. Die Liste seiner Verpflichtungen war lang. Er war über viele Jahre Mitglied des Aufsichtsrats der SEL-Alcatel und stellvertretendes Vorstandsmitglied der Landesanstalt für Kommunikation in Stuttgart. Der Münchner Kreis und das internationale Fernseh-Symposium in Montreux am Genfer See haben ihm hervorragend organisierte Kongresse und Fachtagungen zu verdanken. Auch nach seiner Emeritierung im Herbst 1992 war Wolfgang Kaiser weiterhin aktiv. So war er über mehrere Jahre Vorsitzender des Forschungsverbunds Medientechnik Südwest. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth hat ihn in dieser Zeit in den Wissenschaftlichen Beirat der Jenoptik AG berufen. Er war Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse und der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. Zudem war Kaiser Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Salzburg und Fellow des Institute of Electrical and Electronic Engineers in New York.

 Wolfgang Kaiser wurde im hohenlohischen Schöntal geboren. Nach dem Abitur 1941 in Tübingen führte sein Weg direkt in den Krieg. Er geriet 1943 als Mitglied der Luftnachrichtentruppe im Afrikakorps in Gefangenschaft. 1947 aus der Gefangenschaft in den USA und England zurückgekehrt, studierte er Elektrotechnik in Stuttgart und promovierte dort 1954 bei Prof. Richard Feldtkeller, einem der Begründer der Nachrichtentechnik in Deutschland. Nach 13-jähriger erfolgreicher Industrietätigkeit bei der Standard Elektrik Lorenz AG, der heutigen Alcatel SEL, gelang es der Universität Stuttgart 1967, den herausragenden Fachmann und Industriemanager als Direktor des Instituts für Fernmeldeanlagen zu gewinnen, aus dem das heutige Institut für Nachrichtenübertragung hervorging.

Speidel/ve

 

Ulrich Schmidt
 

Ulrich Schmidt

Im Alter von 80 Jahren verstarb am 19. November 2004 Prof. Dr. Ulrich Schmidt, einer der führenden Peptid- und Naturstoffchemiker Deutschlands.

 Geboren am 24. Mai 1924 in Woldenberg (Kreis Neumark) hatte Ulrich Schmidt nach seinem Abitur zuerst seinen Reichsarbeits- und Wehrdienst abzuleisten, bevor er nach einjähriger Kriegsgefangenschaft 1946 in Greifswald, Halle und schließlich Freiburg Chemie studieren konnte. Nach nur zweijähriger Promotionszeit (1953) schloss Ulrich Schmidt seine Habilitation an der Univer-sität Freiburg an, wo er 1958 zum Dozenten und 1964 zum außerplanmäßigen Professor ernannt wurde. Hauptarbeitsgebiete während dieser Zeit waren zu-erst die Chemie von Schwefel- und Phosphorverbindungen sowie Radikalreak-tionen, während sich seine Forschungsinteressen ab Mitte der 70er Jahre in Richtung Aminosäuren- und Naturstoffsynthesen wandelten. Im Oktober 1977 folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Wien, wo er weitere zehn Jahre seines wissenschaftlichen Schaffens verbrachte, bevor er im Oktober 1977 den Lehrstuhl für Organische Chemie an der Universität Stuttgart übernahm. In den 15 Jahren bis zu seiner Emeritierung 1992 beschäf-tigte er sich überwiegend mit der Naturstoffsynthese, vor allem der Synthese biologisch aktiver Peptide. Die Ent-wicklung neuer Synthesemethoden zum Aufbau auch äußerst komplexer Cyclopeptide bescherte ihm sein großes internationales Renommee. In Forschung und Lehre ging Ulrich Schmidt voll und ganz auf, und seine rege forscher-ische Tätigkeit dokumentieren nicht nur die Vielzahl der vollendeten Naturstoffsynthesen, sondern auch die 220 wissenschaftlichen Publikationen. Trotz dieses Engagements fand er Zeit, sich seiner Familie und seinen Hobbys zu widmen. Er war früher begeisterter Skifahrer und Segler, in jüngster Zeit widmete er sich neben dem Reisen vor allem der Kunst und der Literatur.

 Mit Ulrich Schmidt haben wir nicht nur einen großen Wissenschaftler und Lehrer, sondern auch einen außer-gewöhnlichen Menschen verloren. Er wird uns immer unvergessen bleiben.

Uli Kazmaier

 

Curt Siegel
 

Curt Siegel

Am 16. April 2004, wenige Wochen nach seinem 93. Geburtstag, verstarb in Dornbirn Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Curt Siegel.

 In Brüssel am 11. März 1911 geboren, studierte Curt Siegel Architektur und Bauingenieurwesen an der TH Dresden. Nach dem Architekturdiplom 1936 und der Promotion arbeitete er während der Kriegsjahre als Architekt in Magde-burg.1946 wurde Curt Siegel auf den Lehrstuhl „Statik für Architekten“ an die Hochschule für Baukunst in Weimar berufen. 1950 folgte er - nach abenteuer-licher Flucht aus der gerade gegründeten DDR - einem Ruf der TH Stuttgart an die Architekturabteilung, der seinerzeit noch mit den Ingenieurwissenschaften vereinigten Fakultät für Bauwesen. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1970 vertrat er als Ordinarius zunächst die Fächer Statik und Baukonstruktion, später noch Industriebau, schließlich Tragkonstruktionen und konstruktives Entwerfen.

 In dieser Zeit hat Curt Siegel in seinen Lehrgebieten den didaktischen Ansatz in der Architektenausbildung beispiellos und nachhaltig verändert. Er hat sie weggeführt von der tradierten „Schmalspur-Ingenieurausbildung“ hin zu einer auf Architekten bezogenen Tragwerkslehre, deren Inhalte sich nicht mehr aussch-ließlich über mathematische Modelle erklären, sondern durch bildhafte Anschauungen und eher intuitiv erschlo-ssenem Wissen zu den elementaren Wirkungsprinzipien lasttragender Strukturen.

 Überzeugt, dass nur auf diesem Weg ein Zugang zum Verständnis und zur Berufspraxis künftiger Architekten gelingt, wurde Curt Siegel zum Begründer einer neu verstandenen Tragwerkslehre, die ohne Vorbild war und über alle Erwartungen hinaus erfolgreich; er selbst hinterfragte seinen Ansatz fortwährend kritisch und fand so Ant-worten, sie immer deutlicher zu entwickeln. Seine grundlegenden Ideen, auf denen die neue Lehre aufbaute, brauchte er nie zu revidieren. Sie haben noch heute Gültigkeit.

 Curt Siegel vertrat seine Überzeugungen vehement, mit unvergleichlich furioser, nie ermüdender Energie und intel-lektueller Brillanz, die seine Zuhörer ebenso fesseln wie motivieren konnte. In seinem einzigen, in elf Sprachen übersetzten, nahezu weltweit publizierten Lehrbuch „Strukturformen der modernen Architektur“ hat er schon 1960 niedergeschrieben, was er unter einer Konstruktionslehre für Architekten verstand. Seine Tragwerkslehre wurde eines der Kennzeichen der „Neuen Stuttgarter Architekturschule“ und hat, zusammen mit den Beiträgen, die unter anderem Rolf Gutbier, Rolf Gutbrod, Günter Wilhelm oder Maximilian Debus zur gleichen Zeit auf ihren Fach-gebieten geleistet haben, deren besonderen Ruf gerechtfertigt.

 Und er gab sein Wissen nicht nur an Studierende weiter. Auf Einladung fünf lateinamerikanischer Universitäten hielt er in den Jahren 1965 bis 1968 jeweils mehrwöchige Seminare im konstruktiven Entwerfen, an denen Dozenten aus nahezu allen Ländern des Kontinents teilnahmen. Zurückgekehrt initiierte er ein Hochschullehrer-Austausch-programm, das - vom DAAD gefördert - bis heute besteht.

 In seinem seit 1953 mit Rudolf Wonneberg geführten Büro sind zahlreiche besondere Projekte geplant und real-isiert worden. Allein für die Universität Stuttgart: Die Fertigungstechnischen Institute für Maschinenwesen, das Institut für Statik und Dynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktionen sowie - gemeinsam mit Rolf Gutbier und Günter Wilhelm - das Kollegiengebäude I, wo ab 1960 Architekten, Bau- und Vermessungsingenieure „unter einem Dach“ vereint waren. Das Museum für Naturkunde am Löwentor und die Hanns-Martin-Schleyer-Halle sind in Stutt-gart weitere bleibende Zeugnisse seiner Baukunst, die ihm immer auch kritische Auseinandersetzungen waren mit dem, was er als Wissenschaftler und Pädagoge an der Universität lehrte.

 Einen Ruhestand im üblichen Sinn hat es für Curt Siegel nie gegeben. Noch 1983, inzwischen 72jährig, wurde er Mitbegründer des Initiativkreises Ökologie der Universitäten Stuttgart und Hohenheim mit vielfältigen engagierten Beiträgen in den folgenden Jahren.

 Sein letztes, persönlich vielleicht wichtigstes Engagement galt einem bewegenden Plädoyer für den Wiederaufbau der Frauenkirche in seiner Heimatstadt Dresden, vorgetragen anlässlich eines Kolloquiums der Fakultät zu seinem 80. Geburtstag.

 Darin schloss sich zugleich sein Lebenswerk als Architekt: Als junger Assistent hatte er, gut 50 Jahre zuvor, Rissbilder in dem damals schon 200 Jahre alten Kuppelgewölbe dokumentiert und konnte nun als Einziger die Ursachen dieser Schäden in der historisch einmaligen Steinkonstruktion nach eigener Anschauung beurteilen. Es waren seine Untersuchungen und sein Rat, die als Grundlage für die Rekonstruktion dieser Kirche gedient haben.

 Curt Siegel hat sich selbst einmal als Pessimisten aus Erfahrung bezeichnet, einer, der trotzdem ruhelos Wahr-heiten nachforscht, Richtiges mit ganzem Einsatz uneigennützig fördert bei tief verwurzelter, gelegentlich durchaus ambivalenter Abneigung allem Irrationalen gegenüber - einschließlich Ehrungen aller Art. So hat er, ohne es später sonderlich zu erwähnen, 1968 an der Universität von Lima/Peru und 1982 an der RWTH Aachen die Würde zweier Ehrenpromotionen entgegen genommen. - Ihm gilt der Respekt, gewiss auch die Dankbarkeit von Vielen, denen er so reichlich gegeben hat.

Dieter Sengler.

 

Franz Späth
 

Franz Späth

Franz Späth, von 1986 bis 1993 ordentlicher Professor an der Abteilung Päda-gogik, ist am 3. Dezember 2004 im Alter von 76 Jahren verstorben.

 Geboren am 14. März 1928 begann Franz Späth 1949 seine berufliche Karr-iere zunächst als außerplanmäßiger Lehrer an Volksschulen, um dann nach einem Hochschulstudium erneut in verschiedenen außerplanmäßigen Lehrer-stellen zu arbeiten. So begann er auch 1962 seine Tätigkeit an der Übungs-schule der Hochschule Weingarten, deren Rektor er bereits im folgenden Jahr wurde. Es folgten Tätigkeiten als Dozent und Professor an der Pädagogischen Hochschule Weingarten, als Regierungsdirektor und dann Ministerialrat im Kultusministerium, schließlich ab 1975 als Professor an der Berufspädagog-ischen Hochschule Stuttgart, ab 1986 bis 1993 als Professor an der Universität Stuttgart, davon zwei Jahre als Dekan der Philosophischen Fakultät.

 Der berufliche Werdegang Franz Späths unterscheidet sich von der Normal-biographie späterer Jahrgänge ganz erheblich: Das Spektrum seiner Tätig-keiten reicht von der des Lehrers über die Lehrerausbildung und die Bildungs-administration bis zur universitären Lehre und Forschung. Dies Spektrum beruflicher Tätigkeiten wird unterstrichen durch ein Studium an drei Universi-täten (Tübingen, Hamburg und München) mit zwei Promotionen in Erziehungswissenschaft (Hamburg) und Wirt-schaftspädagogik (München).

 Neben der breit angelegten beruflichen und akademischen Orientierung Franz Späths sind seine Hauptarbeits-gebiete und Forschungsschwerpunkte bemerkenswert: Neben der Theoriegeschichte der Pädagogik und anthropo-logischen Fragen der Berufspädagogik beschäftigten ihn die pädagogische Biographieforschung und die Erziehung im Lebenslauf aus autobiographischer Sicht - Themen, die in den letzten Jahren (wieder) an Bedeutung gewinnen. Insbesondere die pädagogische Biographieforschung gehört auch zu den Arbeits- und Forschungsschwerpunkten der Abteilung Pädagogik der Universität Stuttgart.

Martin Fromm

 

Günter Wilhelm
 

Günter Wilhelm

Der Architekt Günter Wilhelm (Jahrgang 1908) wirkte an unserer Hochschule von 1934 bis 1936 als Assistent von Prof. Paul Bonatz und von 1948 bis 1973 als ordentlicher Professor für Baukonstruktion und Entwerfen. Gerne erinnere ich mich an unsere Zusammenarbeit am Institut für Baukonstruktion, an das ich 1969 berufen wurde: vier fruchtbare Jahre, in denen ich als blutjunger Prof-essor von den Erfahrungen des Älteren profitieren durfte.

 Wilhelm hatte die Baukonstruktionslehre (sein Vorgänger Schmitt-henner war als „Blut-und-Boden-Architekt“ in Verruf geraten) neu orientiert: Fächer wurden in die Projektarbeit der Studenten integriert, darauf die heutige „integrierte Lehre“ auf-gebaut. Stets bestand er dabei auf der Koordination von Tragwerk und technischer Gebäudeausrüstung. Er, der Architekt vorbildlicher Schul-bauten, baute auch das Institut für Schulbau auf, das durch seine Forschungen weithin bekannt wurde. Günter Wilhelm selbst wirkte eher im Stillen, war jedoch von großem Einfluss auf Generationen von Architekten.

 Mein Karlsruher Lehrer Egon Eiermann sagte in den fünfziger Jahren „geht nach Stuttgart und schaut Euch die Schulen an, die der Wilhelm da baut!“ Eine zu Wilhelms 75. Geburtstag im Jahr 1983 erschienene Broschüre*) gibt über sein Wirken als Architekt Auskunft: das illustrierte Werkverzeichnis umfasst auch seine kompromisslosen Bauten der 1930er und 1940er Jahre, darunter die Forschungsanstalt „Graf Zeppelin“ in Ruit, für die er auch die moderne Möblierung gestaltete. Und sie informiert über seine preisgekrönte Bauten wie die Silcher-Schule in Stuttgart-Rot (Paul-Bonatz-Preis 1959, Auszeichnung auf der Triennale di Milano, 1960) sowie die beiden Uni-Hochhäuser K I und K II, die er gemeinsam mit den Professoren Gutbier und Siegel gebaut hat (Paul- Bonatz-Preis 1963). Bei einer Instituts-Exkursion zeigte er Mitarbeitern und Kollegen das Museum Hauff in Holzmaden (1967-1971), bei dem es ihm gelungen war, die wichtigen Urweltfunde in sanftem Tageslicht zu zeigen. Ich denke, dass dieser Bau sein liebster war.

 Nach der Emeritierung und dem Abschied aus der Architektenarbeit konnte sich Günter Wilhelm noch viele Jahre seiner Lieblingsbeschäftigung widmen: mit seiner Leica fotografierte er die geliebten Orchideen in den italienischen und französischen Alpen, dem Murnauer Moos und der Schwäbischen Alb - seiner Heimat. Am 13. November 2004 ist er im Alter von 96 Jahren verstorben. Peter Sulzer

*) Günter Wilhelm. Ein illustriertes Werkverzeichnis; zusammengestellt auf der Basis einer Arbeit von Nanna Küsgen von Walter Kroner, Jürgen Schwarz und Peter Sulzer Stuttgart 1983, 42 Seiten (vergriffen, in der Univer-sitätsbibliothek vorhanden)

 

 

 

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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