Zahlreiche Publikationen im Kontext mit Bose-Einstein-Kondensaten
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Superatome und „Bose Nova“
Gleich mehrere bedeutende Forschungsarbeiten im Bereich
der Quantengase konnte die Arbeitsgruppe von Prof. Tilman Pfau
am 5. Physikalischen Institut der Uni in den vergangenen Monaten
publizieren. In den international renommierten Physical Review
Letters berichteten die Stuttgarter Wissenschaftler mehrfach über die Untersuchung
von hochangeregten Rydberg-Atomen in einem Bose-Einstein-Kondensat.
Und im Februar erschien in Nature Physics ein Beitrag über
die Vermessung der Grenze zwischen stabilen und instabilen Zuständen
eines Quantengases aus Magneten.*)
Rydberg-Atome, benannt nach
dem Schwedischen Physiker Johannes Rydberg, sind mehrere tausend
Mal größer als normale Atome. Die Stuttgarter Physiker
stellten fest, dass sich Rydberg-Atome durch starke gegenseitige
Wechselwirkungen zu einem so genannten „Superatom“ zusammentun.
Ein solches Superatom umfasst bis zu 10.000 Atome, welche gemeinsam
eine einzige Rydberg-Anregung teilen. In einem weiteren Experiment
zeigten die Wissenschaftler, dass trotz der starken Wechselwirkungen
die Anregung kohärent erfolgt, was für die Anwendung
in Quanten-Computerkonzepten unverzichtbar ist. Das locker gebundene
Elektron von Rydberg-Atomen reagiert besonders empfindlich auf
elektrische Felder und andere Rydberg-Atome in der Nähe. So
können sich Rydberg-Atome über Distanzen von etwa fünf
Mikrometern hinweg fühlen. Das entspricht dem 50-fachen ihrer
eigenen Größe und ist halb so groß wie ein rotes
Blutkörperchen. Für Atome sind das gigantische Entfernungen.
Außerdem kann in dem gut geschützten Kernspin von Rydberg-Atomen
Quanten-Information gespeichert werden, weswegen die „Superatome“ auch
als mögliche Systeme gehandelt werden, um einen Quanten-Computer
zu realisieren. Mit Rydberg-Atomen in einem Bose-Einstein-Kondensat
hat man darüber hinaus ein Modell-System zur Verfügung,
um Fragen der Vielteilchen-Physik, neuartige Moleküle sowie
Störstellen in einem Quantengas zu untersuchen. Es wird erwartet,
dass sich solche Störstellen völlig reibungsfrei in dem
Gas bewegen können.
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Gefangene Rubidium-Atome (leuchtend rot in der Bildmitte)
werden durch einen blauen Laserstrahl in den Rydberg-Zustand
angeregt. |
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Auf dem Weg zur Bose Nova: Chromatome werden durch blaue
Laserstrahlen auf ein Millionstel Grad über dem absoluten
Nullpunkt gekühlt. (Fotos: Institut) |
Pfannkuchenform stabilisiert Quantengas
aus Magneten
Nicht weniger spektakulär sind die Ergebnisse
des zweiten Projektes, bei dem es um die Stabilisierung eines Quantengases
aus Magneten geht. Instabilitäten von sich anziehender Materie
sind in der Astrophysik seit langem bekannt und führen zu
Ereignissen wie einer Supernova. Auch ein Gas aus lauter kleinen
atomaren Magneten ist nicht stabil. Es implodiert durch die anziehende
Wechselwirkung zwischen den Magneten. Das hat jeder schon einmal
erfahren, der mit einer Ansammlung von Magneten gespielt hat: sie
klumpen einfach zusammen. Das gilt auch, wenn die Magneten durch
ein äußeres Magnetfeld polarisiert werden. Stabil werden
sie erst, wenn sie gleichzeitig in einer flachen Scheibe – Wissenschaftler
sprechen von einer Pfannkuchenform – gefangen gehalten werden.
Eine Kugel- oder Zigarrenform ist dagegen instabil. Dann hilft
nur noch eine zusätzliche abstoßende Wechselwirkung,
um das kollapsartige Zusammenklumpen zu verhindern.
Die von der
Arbeitsgruppe von Prof. Pfau untersuchten Quantengase aus Magneten
bestehen aus ultrakalten Chromatomen, die nach einem Phasenübergang
als Bose-Einstein Kondensat vorliegen. In dieser besonderen Form
von Quantenmaterie können sowohl die Wechselwirkungen zwischen
den Magneten als auch die einfangende Form kontrolliert eingestellt
werden. Theoretische Vorhersagen zu den Grenzen zwischen stabilen
und instabilen Bereichen hatte Pfau zusammen mit einer polnischen
Arbeitsgruppe schon vor fast zehn Jahren publiziert. Nun ist endlich
der experimentelle Nachweis gelungen, dass sich das Quantengas
tatsächlich wie vorhergesagt verhält und eine Pfannkuchenform
das Gas stabilisiert. Momentan studiert die Gruppe, wie der Kollaps
vonstatten geht. Da die Implosion Ähnlichkeit mit einer Supernova
hat, wird sie auch als „Bose Nova“ bezeichnet. Dabei
werden durch die magnetische Wechselwirkung in bestimmten Parameterbereichen
neue Zustände der Quantenmaterie erwartet. Ein gesteuerter
Kollaps könnte aber auch genutzt werden, um Chromatome haargenau
auf einer Oberfläche abzusetzen. uk
*) Alle Publikationshinweise
finden Sie unter
>>>> http://www.pi5.uni-stuttgart.de/
mitarbeiter/pfau/publikationen.php
KONTAKT
_____________________________
Prof. Tilman Pfau
5. Physikalisches Institut
Tel. 0711/685-68025
Fax 0711/685-63810
e-mail: t.pfau@physik.uni-stuttgart.de
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