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Die enorme Resonanz Jäckels hängt nicht zuletzt damit
zusammen, daß er stets die harten Themen der Historie angepackt hat, in denen
sich die gestalterische Kraft des Politischen wie auch die häufig zerstörerische
Potenz historischer Persönlichkeiten offenbart. Von keinerlei Modeströmungen
angekränkelt, hat er immer wieder die Weggabelungen und Weichenstellungen speziell der
deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, das er im letzten seiner zahlreichen Bücher
Das deutsche Jahrhundert getauft hat, in den Blick genommen. In seinem breit
gefächerten Oeuvre fällt der Erforschung der NS-Zeit dabei eine besondere Rolle zu. Und
da er unbeirrt an der für die breitere Öffentlichkeit selbstverständlichen, in
fachwissenschaftlichen Zirkeln aber hier und da als altmodisch abqualifizierten Auffassung
festgehalten hat, daß die nationalsozialistische Herrschaft ohne Hitler nicht gedeutet
werden könne, ist schon frühzeitig die Person des Diktators in sein analytisches Visier
geraten. Hitlers Weltanschauung und Hitlers Herrschaft heißen
denn auch seine wohl bekanntesten und wirkmächtigsten Monographien, die seit ihrem
Erscheinen nichts an Erklärungskraft eingebüßt haben. Und da vor allem die Ermordung
der europäischen Juden untrennbar mit Hitlers Politik verbunden ist, hat sich Eberhard
Jäckel maßgeblich an einer bis heute rege geführten Debatte beteiligt, die
Entscheidungsprozesse auszuleuchten, die zum Holocaust führten. Seine
Fachkompetenz, aber auch seine Fähigkeit zu deutlicher Artikulation haben ihn zu einem
bevorzugten Ansprechpartner der Medien gemacht. Auch wer seine Bücher nicht gelesen hat,
dürfte ihn bei Vorträgen und speziell in einer der zahlreichen Diskussionsrunden im
Fernsehen insbesondere zu Themen aus der NS-Zeit zu Gesicht bekommen haben. Eberhard
Jäckel hat dies nie als lästige Pflichtübung betrachtet, sondern vielmehr die sich
bietende Chance ergriffen, ein Millionenpublikum mit Ergebnissen akademischer Forschung in
fein dosierter und verständlicher Weise vertraut zu machen. Er ist dabei sogar als
Fernsehautor mit der vierteiligen Dokumentation Der Tod ist ein Meister aus
Deutschland hervorgetreten. Auch nach seiner Emeritierung hat die Zahl seiner
Auftritte in Sachen historischer Aufklärungsarbeit eher zu- als abgenommen. Eberhard
Jäckel hat dieses weite und zeitintensive Feld seiner Tätigkeit immer als
staatsbürgerliche Pflichterfüllung verstanden. In diesem Sinne ist er auch einer Bitte
des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann nachgekommen und hat für das
Staatsoberhaupt eine Reihe von Reden historisch-politischen Inhalts verfaßt, die nicht
zuletzt der demokratischen Traditionspflege dienten. Ohne seine politischen Überzeugungen
zu verbergen, hat Eberhard Jäckel als ein Gelehrter klassischen Zuschnitts gewirkt, der
seinen Beitrag dazu geleistet hat, das nie versiegende Informationsbedürfnis der
Öffentlichkeit über die deutsche Vergangenheit zu befriedigen. Der aufdringlich erhobene
volkspädagogische Zeigefinger ist ihm dabei genau so wesensfremd wie die verletzende
Schärfe mancher Fachkollegen.
Eberhard Jäckel ist dabei so etwas wie eine Stuttgarter Institution geworden und er
legt mit seiner Ausstrahlungskraft zugleich beredtes Zeugnis dafür ab, daß der
öffentliche Nutzen der Geisteswissenschaften nicht auf Heller und Pfennig in Gestalt
eingeworbener Drittmittel zu quantifizieren ist und daß der Forscher und Lehrer nicht von
der ausufernden Tätigkeit des Wissenschaftsmanagers verschlungen werden darf. Eberhard
Jäckel hat seinen Geburtstag in der Landeshauptstadt begangen, der er trotz mehrerer Rufe
an andere Universitäten mehr als dreißig Jahre lang die Treue gehalten hat und in der er
seinen Lebensmittelpunkt sieht. Seine zahlreichen Kollegen und Schüler sind sich gewiß,
daß er sich von hier aus weiterhin zu den gewichtigen Fragen der deutschen Vergangenheit
unüberhörbar zu Wort melden wird.
Wolfram Pyta
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