Schließlich gilt der Herrscher, in dessen Reich einst die
Sonne nicht unterging und der gleichwohl von seinem Amt
zurücktrat, als Brückenfigur zwischen Mittelalter und
Neuzeit. Er markiert den Anbruch jener Epoche, die im
Zentrum der wissenschaftlichen Arbeit von Professor Conrads
stand. 22 Jahre lang leitete Conrads die Abteilung
Geschichte der Frühen Neuzeit am Historischen Institut, die
unter ihm zu einem der Aushängeschilder des Historischen
Instituts wurde und weit über die Landesgrenzen hinweg
Anerkennung findet.
Projektbereich Schlesien
Großen Anteil daran hatte die Ausweitung des
Arbeitsgebiets um den "Projektbereich Schlesische
Geschichte", dessen Leitung Conrads 1985 übernahm. "Es war
mir wichtig, dass moderne Fragestellungen und Methoden auch
auf diese nach dem Zweiten Weltkrieg sehr vernachlässigte
Landschaft angewandt würden", beschreibt der gebürtige
Breslauer seinen Forschungsansatz. In Stuttgart kombinierte
er das Fachgebiet Frühe Neuzeit mit dieser altostdeutschen
Regionalforschung. Auf Exkursionen, zu Kongressen und
Forschungen war Conrads seitdem oft in Polen und Tschechien.
Er unterhält einen regen wissenschaftlichen Austausch mit
der polnischen Universität Wroclaw (Breslau). Dort konnte
Conrads beobachten: "Viele Polen entdecken die deutsche
Geschichte Schlesiens neu und beginnen, diese als ihre
eigene Vorgeschichte zu verstehen."
Neue Forschungsansätze
Ein "plus ultra" gehört für Conrads zum Wesen der
Wissenschaft, und so sieht der Historiker auch im eigenen
Fachgebiet überall die Notwendigkeit zu
Grenzüberschreitungen. Die Geschichtsforschung habe sich in
den letzten 50 Jahren revolutioniert. Themen zur
Mentalitäts-, Gesellschafts- oder Demokratiegeschichte
erfordern neue Fragestellungen. Immer wichtiger seien daher
interdisziplinäre Forschungsansätze, die Kunst-, Kirchen-
und Sozialgeschichte einbeziehen, aber auch den Bogen zu den
Naturwissenschaften schlagen. Wie breit das Themenspektrum
ist, zeigt ein Blick auf das umfangreiche
Schriftenverzeichnis des Historikers: Es reicht von einer
bildungspolitisch durchaus aktuellen Publikation über die
Ritterakademien der frühen Neuzeit, über zahlreiche
Schriften zur Geschichte Ostmitteleuropas bis hin zu der
Buchreihe "Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte".
Auch außerhalb der Uni machte sich Conrads einen Namen.
Das Land Niedersachsen verlieh ihm in Breslau den
Kulturpreis Schlesien, in Stuttgart erhielt er den
Georg-Dehio-Preis. Besonders stolz ist Conrads auf die
Fest-schrift "Silesiographia": Das fast 600 Seiten starke
Werk zur Schlesienforschung widmeten ihm seine Schüler und
Freunde zum 60. Geburtstag. Zwanzig Beiträge dazu kamen aus
dem Ausland.
Plädoyer für Geisteswissen-schaften
Für die Zukunft hofft Conrads, der als Dekan und
Mitglied des Verwaltungsrates auch interne Erfahrungen
sammelte, dass die Geisteswissenschaften ihre Bedeutung
festigen können. "Der Standort Stuttgart mit seinem großen
Einzugsgebiet und den enormen Forschungsmöglichkeiten in
Archiven und Bibliotheken braucht eine Uni mit starken
Geisteswissenschaften. Diese Optionen auszublenden und
gewachsene Strukturen zu beseitigen, wäre eine fatale
Fehlentwicklung." Den eigenen Lehrstuhl sieht er gut
gerüstet: Im Jahr 2000 wurde die Professur in eine
Stiftungsprofessur für Geschichte der Frühen Neuzeit unter
Berücksichtigung der Altostdeutschen Geschichte umgewandelt
und ist damit gesichert.
Selbst bei der Gestaltung des Ruhestands lassen sich
Bezüge zu Karl V. finden: So wie sich der Kaiser neben dem
spanischen Kloster Yuste ein Refugium mit vielen Büchern und
Annehmlichkeiten schuf, möchte auch Conrads sich weiter den
Musen und den Wissenschaften widmen - und vor allem fleißig
Bücher schreiben.
Andrea Mayer-Grenu