Es gibt eine Reihe von im Wasser lebenden Tieren, die es im Laufe der Evolution gelernt haben, mit verhältnismäßig schnell wechselnden Umweltbedingungen zurecht zu kommen. Besonders in der Gruppe der Krebse haben es einige Vertreter sehr erfolgreich geschafft, ihre Nachkommen als weit entwickelte Embryonen in einer geschützten Eischale lange Trockenzeiten überdauern zu lassen. Wahre Meister darin sind die „Urzeitkrebse“ der Gattung Triops. Die Mechanismen, die ein solches Eintrocknen ohne zu sterben ermöglichen, sind bisher weitgehend unverstanden. Dr. Ralph O. Schill vom Biologischen Institut der Universität Stuttgart beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit verschiedenen trockentoleranten Organismen und hat jetzt erstmals mit Kollegen die Urzeitkrebse (Triops longicaudatus, Triops cancriformis und Triops australiensis) und die heimischen Wasserflöhe (Daphnia magna, Daphnia pulex) untersucht. Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Physiological and Biochemical Zoology publiziert. *)
Alle paar Jahre erscheinen die Urzeitkrebse oft wie aus dem Nichts und bevölkern nach starken
Regenschauern die Pfützen. Die Tiere entwickeln sich innerhalb nur weniger Tage nach dem Schlüpfen
zum erwachsenen, geschlechtsreifen Tier und vermehren sich schnell, bevor ihr Lebensraum wieder
austrocknet.
Im Mittelpunkt der Studien der Stuttgarter Biologen standen Messungen mit der Dynamischen
Differenz-Kaloriemetrie (DSC). Hiermit lassen sich kleinste Energieänderungen messen, die
beispielweise entstehen, wenn feste in flüssige Zustände übergehen. Seit einiger Zeit gibt es die
Hypothese, dass sich trockentolerante Organismen durch eine glasartige Matrix, in der keine
Kristalle gebildet werden, vor zellulären Schäden schützen. Einen solchen glasartigen Zustand
(Vitrifizierung), konnte das Forscher-Team der Universität Stuttgart jetzt erstmals bei den
getrockneten Embryonen der drei Triops-Arten nachweisen. Sobald das biologische Glas bei
Temperaturen über 70°C von seinem hochviskosen zu einem gelförmigen Zustand wechselt, geht der
Schutz für die Zellen verloren. Entsprechende Energieänderungen haben die Wissenschaftler mit der
DSC-Methode gemessen. Bei den Wasserflöhen ließ sich kein glasartiger Zustand nachweisen. Das
erklärt deren schlechtere Fähigkeit zur Überdauerung.
Nun muss noch geklärt werden, wie die Urzeitkrebse den glasartigen Zustand erreichen. Den
Zucker Trehalose fanden die Biologen bei den Triopsen und bei den Wasserflöhen, allerdings in so
geringen Mengen, dass er im Gegensatz zu anderen Krebsembryonen wie den Salzwasserkrebschen Artemia
keine Rolle zu spielen scheint. Eine andere Möglichkeit wären spezifische Proteine, die eine
glasartige Matrix ausbilden können. „Die Fähigkeiten getrocknet zu Überdauern sind bei den
verschiedenen Tiergruppen und -arten vermutlich mehrmals im Laufe der Evolution entstanden“, so Dr.
Ralph Schill. „Umso faszinierender ist es, einen tieferen Einblick zu erhalten und von der Natur
die Konservierung des Lebens ab zu schauen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt einmal für uns im
Bereich der Biotechnologie selber zu nutzen.“
*) Steffen Hengherr, Arnd G. Heyer, Franz Brümmer und Ralph O. Schill (2011). „Trehalose and
Vitreous States: Desiccation Tolerance of Dormant Stages of the Crustaceans Triops and Daphnia“.
Physiological and Biochemical Zoology 84(2):147–153. University of Chicago Press. DOI:
10.1086/658499
Weitere Informationen bei PD Dr. Ralph O. Schill, Biologisches Institut, Zoologie, Tel.
0711/685-69143, Mobil 0172/7304726, e-mail ralph.schill@bio.uni-stuttgart.de