Die Resilienz der Dummheit – der Narr als Schlüsselfigur epochaler Umbrüche
Prof. Dr. Werner Mezger
„Als sich an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit das Bild der Welt veränderte und der Buchdruck neue Möglichkeiten der Kommunikation eröffnete, mit den Bauernunruhen sich die frühbürgerliche Revolution anbahnte und Vorboten der
Reformation die Kirche erschütterten, schrieb Sebastian Brant 1494 seinen Bestseller ‘Das Narrenschiff’. Darin deutete er die Transformationsprozesse seiner Epoche als Folge eines epidemischen Umsichgreifens des Wahnsinns, damals ‘Narrheit’ genannt. Binnen kurzer Zeit war die Figur des Narren in aller Munde, diente als Modell für die kritische Auseinandersetzung mit der Zeitsituation und begründete eine förmliche Narrenliteratur.
In der bildenden Kunst gab es eine Fülle von Werken, die in ständig neuen Variationen modern gesprochen die Resilienz der Dummheit zu veranschaulichen suchten. Mit vielen Bildquellen zeigt der Vortrag den Facettenreichtum der Narrenidee und schlägt den Bogen in die Gegenwart: Ein halbes Jahrtausend nach Brants ‘Narrenschiff’ leben wir heute erneut in einer Zeit epochaler Transformationsprozesse auf verschiedensten Ebenen, die beunruhigende Parallelen zur Situation um 1500 aufweisen. Und pünktlich mit dieser Entwicklung sind auch die Narren wieder zurück…“
Prof. Dr. Werner Mezger ist emeritierter Professor für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie an der Universität Freiburg i. Br. und leitete über 25 Jahre lang als Direktor das Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa. Bekannt ist er auch durch zahlreiche Fernsehsendungen für den SWR. Zuletzt wirkte er an der aktuellen Ausstellung „Figures du fou“ im Musée du Louvre in Paris mit, die noch bis Februar 2025 läuft.
Keine Anmeldung erforderlich.
Dieser Vortrag findet im Rahmen der öffentlichen Semestervorträge des Studium Generale statt.