Löcher im Beton

forschung leben – das Magazin der Universität Stuttgart

Selbst undurchdringlich wirkendes Gestein steckt voller Poren. Welche Prozesse darin wirken, erforscht das Porous Media Lab der Universität Stuttgart.

Auf den ersten Blick sehen die drei daumendicken Zylinder auf Prof. Holger Steebs Schreibtisch aus wie Nippes, Mitbringsel aus dem Urlaub vielleicht. Tatsächlich aber, erklärt der Inhaber des Lehrstuhls für Kontinuumsmechanik am Institut für Mechanik der Universität Stuttgart, stellen sie wichtige Objekte seiner Forschung dar. Es sind Gesteinsproben, die als Bohrkerne aus Sandstein, Plattenkalk und hochfestem Beton entnommen wurden. Sie wirken sehr fest und undurchlässig, doch Steeb stellt klar: „Jedes Material ist porös und durchlässig für Flüssigkeiten. Die Frage ist nur, in welcher Zeitspanne.“ Und damit ist er schon beim Kern seiner Forschung.

Jedes Material ist porös und durchlässig für Flüssigkeiten. Die Frage ist nur, in welcher Zeitspanne.“

Prof. Holger Streeb

Seit seiner Berufung nach Stuttgart im Oktober 2015 hat Steeb das Porous Media Lab aufgebaut – kein klassisches Labor, in dem eingeschickte Proben analysiert werden, sondern ein Partner für zahlreiche Forschungseinrichtungen im In- und Ausland. An der Universität Stuttgart ist das Labor ein zentraler Bestandteil im Exzellenzcluster Simulation Technology (SimTech) und im Sonderforschungsbereich „Grenzflächengetriebene Mehrfeldprozesse in porösen Medien“ (SFB 1313). „Wir arbeiten an der Kopplung zwischen Experiment und Modell“, erklärt Steeb.

Prof. Holger Streeb bereitet eine Asphaltprobe für den Röntgentomographiescanner vor.
Prof. Holger Streeb bereitet eine Asphaltprobe für den Röntgentomographiescanner vor.

Eine typische Fragestellung solcher Grundlagenforschung ist, welche physikalischen Prozesse ablaufen, wenn Gestein von Flüssigkeiten durchdrungen wird. Dabei arbeitet Steebs Gruppe einerseits experimentell, die gewonnenen Erkenntnisse fließen aber auch in Simulationen ein, die zum Beispiel das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten in Gestein errechnen. Anwendung findet diese Forschung etwa bei Bohrungen für die Nutzung von Erdwärme (Tiefengeothermie), bei der Entwicklung von intelligenten Straßenbelägen oder von wasser- und gasdichten Baustoffen. Asphalt und Beton zum Beispiel können unter dem Einfluss von Wasser und anderen mechanischen Belastungen im Laufe ihrer Lebensdauer Risse bekommen. Um dies zu verhindern, wollen Forschende herausfinden, welche Prozesse dabei auf der sogenannten Porenskala ablaufen. Im Fall von Gesteinen sind dies Bereiche mit einer charakteristischen Länge von 10 bis 50 millionstel Meter.

Das Sichtbarmachen ist die Voraussetzung, um das Material überhaupt zu verstehen."

Prof. Holger Steeb

Die wissenschaftliche Herausforderung fasst Steeb so zusammen: „Man kann in poröse Medien nicht einfach hineinschauen.“ Entscheidend sei es zu verstehen, was unter mechanischen Einflüssen innerhalb der Poren geschieht. Forschende aus der Medizin oder den Geowissenschaften erzeugen zwar immer höher auflösende Daten aus Ultraschalluntersuchungen oder seismischen Experimenten. Um diese aber präzise zu interpretieren, braucht es detaillierteres Wissen über poröse Medien an sich – das will das Porous Media Lab liefern.

Glasträger mit einem porösen Mikromodell.
Glasträger mit einem porösen Mikromodell.

Mit Hilfe von Röntgentomographie und anderen bildgebenden Verfahren blicken Steeb und seine 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Porenstruktur hinein und erzeugen daraus Rechenmodelle der porösen Materialien als Basis für Simulationen. „Das Sichtbarmachen ist die Voraussetzung, um das Material überhaupt zu verstehen“, erklärt Steeb. Dieses Verständnis führt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu mathematischen Mehrskalenmodellen und schließlich zu vielfältigen Simulationsanwendungen.

Text: Jens Eber

Prof. Dr. Holger Streeb
Institut für Mechanik
Telefon: +49 711 685 66029
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