
Die globalen Wasserkreisläufe sind ein hochkomplexes System und entsprechend schwer durchschaubar. Durch die Verknüpfung dreier satellitengestützter Beobachtungsmethoden werden Veränderungen jedoch zunehmend transparent, hat Dr. Mohammad J. Tourian vom Geodätischen Institut der Universität Stuttgart entdeckt.
Ein Kubikkilometer Wasser ist ein Volumen, das sich schwer begreifen lässt – ein gefüllter Würfel mit einer Kantenlänge von 1.000 Metern. Umgerechnet enthält er das Wasser aus fünf Milliarden Badewannen. Auf dieses Volumen stieß Dr. Mohammad J. Tourian vom Geodätischen Institut der Universität Stuttgart bei seinen Forschungen zum Urmia-See. Das im Nordwesten des Iran gelegene Gewässer war früher rund zehn Mal so groß wie der Bodensee. Zuletzt schrumpfte die Wasserfläche jährlich im Schnitt um rund 220 Quadratkilometer: Dem See ging besagter Kubikkilometer Wasser verloren. Der Wasserstand sank durchschnittlich um 34 Zentimeter pro Jahr, mit weitreichenden Folgen für die Umwelt. Tourian, der in Teheran studierte und sich anschließend für eine Doktorandenstelle in Stuttgart bewarb, ist kein Forscher, der mit Wasserproben hantiert. Im Gegenteil: Seine Daten bezieht der 33-Jährige von Satelliten. Um im Falle des Urmia-Sees zu umfassenden Erkenntnissen über Ursachen und Auswirkungen des Wasserverlusts zu gelangen, reichte es aber nicht aus, Satellitenbilder auszuwerten.
„Wir verknüpfen drei Beobachtungsmethoden, um ein übergreifendes Bild zu gewinnen“, erklärt der gebürtige Iraner, der seit 2008 in Stuttgart forscht. Bei der Satelliten- Altimetrie wird über senkrecht zur Erde gesendete Radioimpulse die Höhe der Wasseroberflächen bestimmt. Die Satelliten- Gravimetrie misst dagegen Änderungen im Schwerefeld der Erde. Schmilzt in der Arktis großflächig Eis ab oder schrumpfen Gewässer wie der Aralsee, schlägt sich das im Schwerefeld nieder. Über die Analyse von Satellitenfotos lassen sich zudem Erkenntnisse über die Ursachen von Veränderungen gewinnen. Beim Urmia-See ist nach Tourians Einschätzung weniger das Klima der Auslöser, sondern vor allem der Mensch: Massiv werde Grundwasser für die Landwirtschaft entnommen, zudem werden Zuflüsse teils aufgestaut, sodass dem See immer weniger Wasser zur Verfügung steht. Die iranische Regierung hat inzwischen einen Aktionsplan verabschiedet, der die illegale Wasserentnahme unterbinden soll.
Satelliten sollen künftig noch präziser messen
Solche Ergebnisse spornen Tourian und seine Kollegen weiter an. „Wir arbeiten daran, die Auflösung der Daten weiter zu verbessern, um bestimmte Regionen auch kleinflächiger untersuchen zu können.“ Um etwa Veränderungen der Wasserkreisläufe in den Permafrostregionen erforschen zu können, müssten die Satelliten noch präziser messen. Gerade die Gravimetrie habe noch Probleme, kleinste Veränderungen im Schwerefeld zu erfassen. Dennoch ist sich Tourian sicher, dass die Erforschung globaler Wasserkreisläufe dazu beitragen kann, die Folgen des Klimawandels abzumildern. „Weltweit sind zwar vor allem politische Entscheidungen nötig“, sagt der Forscher. „In einzelnen Regionen kann man aber auch jetzt schon viel bewirken, wenn sich – wie am Urmia-See – die Ursachen und Auswirkungen genau beziffern lassen.“ Jens Eber