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Geboren wurde Jablonski, Enkel des tschechischen Philosophen, Theologen und Pädagogen Johann Amos Comenius, 1660 in der Nähe von Danzig. Als brandenburg-preußischer Hofprediger wirkte er zunächst in Königsberg, später lange Jahre in Berlin. Diese Hoftheologen im Dienste der 1613 zum reformierten Bekenntnis übergetretenen Hohenzollern waren ein kirchen- wie staatspolitisch wichtiges Instrument: Vollständig an das Herrscherhaus gebunden, vermochten sie erheblichen Einfluss auf alle kirchlichen Angelegenheiten auszuüben, ohne von der ständisch-lutherischen Opposition ausgeschaltet werden zu können. Dabei war Jablonski auf Mäßigung und Ausgleich bedacht. Dogmatische Enge und theologische Leerformeln lagen ihm fern. Gegen diejenigen, die „halsstarriglich“ die innerliche Trennung der evangelischen Christen aufrechterhalten“, konnte er freilich ebenso deutlich werden wie gegen katholische Eiferer. Seit 1699 war Jablonski zugleich Senior der Brüder-Unität in Polen-Litauen. Dort konzentrierte sich seine Tätigkeit auf politische, rechtliche und organisatorische Fragen. Der umfangreiche Briefwechsel lässt darauf schließen, dass diese Aufgabe mehr Zeit und Arbeitskraft in Anspruch nahm als die eigentlichen Pflichten an der Berliner Domkirche. „Zu Recht ist Jablonski daher als der im Ausland lebende große Mann des polnischen Protestantismus bezeichnet worden“, sagt der Gründer und Leiter der Jablonski-Forschungsstelle, Prof. Joachim Bahlcke.
Das Wissen um die andauernde Diskriminierung und Verfolgung seiner Kirche, aber auch die Erfahrung selbstloser Hilfsbereitschaft und Solidarität prägten Jablonskis Vorstellung eines überkonfessionellen Christentums. Religiöse Toleranz, die Orientierung auf das Gemeinsame aller Protestanten, die praktische Haltung in der Religion sowie der Kontakt mit allem idealen Bestreben sind dem Comenius-Enkel von Jugend an selbstverständlich. Dabei wurde Jablonski zu einem wichtigen Brückenglied zwischen der alten, mit der Gegenreformation in Böhmen untergegangenen „Unitas Fratrum“ und ihrer erneuerten Gestalt, der Herrnhuter Brüdergemeine.
Während Jablonski in der tschechischen Geschichtsschreibung kein Unbekannter ist, fand er im Land seiner Vorfahren nur schwer einen Platz im kulturellen Gedächtnis. „Dies überrascht insofern, als Jablonski viele Vorhaben seines Großvaters Johann Amos Comenius wiederaufgenommen und weitergeführt hat“, meint Bahlcke. So lässt sich eine direkte Linie von Comenius Schrift „Via Lucis“ und den dort entwickelten Überlegungen einer internationalen, konfessionelle Schranken überwindenden Gelehrtensozietät zur den Akademieplänen von Jablonski und Gottfried Wilhelm Leibniz ziehen. Sie führten im Jahr 1700 zur Grundsteinlegung der „Brandenburgischen Societät der Wissenschaften“, die trotz Anfangsschwierigkeiten in der späteren Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften Bestand haben sollte. Ihr erklärtes Ziel war es, „ein vollständig Collegium oder Academias Scienciarum“ zu schaffen. Dabei ging es auch um eine theologische Dimension: So sollte die Akademie nicht nur dem Vaterland, sondern auch Gott zur Ehre gereichen, indem „dessen Wunder besser erkannt“ und auch bei den „barbarischen Völkern“ ausgebreitet würden. Durch die Erfolge der Jesuiten in China hatte dieser Gedanke einer evangelischen Mission, für die sich Wissenschaft und Religion die Hand reichen, kräftigen Aufwind erhalten.
5.000 Briefe mit 350 Korrespondenzpartnern
Die Jablonski-Forschungsstelle ist seit 2003 am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit der Uni Stuttgart angesiedelt. Ihre vorrangige Aufgabe ist es, die weit verstreute Korrespondenz von und an Jablonski zu ermitteln, elektronisch zu erfassen und langfristig in einer historisch-kritischen Edition zu publizieren. Bisher konnten mehr als 5.000 Briefe zusammengetragen und in einer Datenbank erfasst werden, rund 350 Korrespondenzpartner sind bekannt. Überdies sammelt die Forschungsstelle die von Daniel Ernst Jablonski selbständig publizierten Bücher, Flugschriften, Übersetzungen, Predigten und Gutachten sowie deren Übertragungen in andere Sprachen, Nachdrucke und Besprechungen in zeitgenössischen Periodika. Jüngst publizierte die Forschungsstelle einen internationalen und interdisziplinären Sammelband über Leben und Werk Jablonskis, das eine erste Bilanz der Forschungen beinhaltet.*) Dabei deutet sich schon jetzt an, dass das Werk des Berliner Hofpredigers wesentlich umfangreicher ist als bisher angenommen.
Wie bereits der seit 1985 ebenfalls am Stuttgarter Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit angesiedelten Projektbereich Schlesische Geschichte verbindet auch die Jablonski-Forschungsstelle den akademischen Anspruch mit konkreten Arbeitsvorhaben. So werden Studierende über Lehrveranstaltungen, Kolloquien, Hilfskraftstellen und Werkverträge frühzeitig an laufende Arbeitsvorhaben sowie an wissenschaftsorganisatorische Aufgaben herangeführt. Gegenwärtig knüpfen eine Habilitationsschrift sowie sieben Doktorarbeiten an Fragestellungen der Forschungsstelle an. Für das Jahr 2010 ist eine umfangreiche Ausstellung zum 350. Geburtstag des Berliner Theologen und Gelehrten in Vorbereitung, die zuerst in Berlin und danach an anderen Orten im In- und Ausland präsentiert werden soll. Im Mittelpunkt stehen nicht nur die Person Jablonskis und dessen Werk, sondern auch allgemeine politische, kulturelle und religiöse Entwicklungen Europas im 17. und 18. Jahrhundert. Eine Facette des Gelehrten bleibt freilich auch für die Jablonski-Forschungsstelle bislang im Dunkeln: Über Jablonskis persönliche Verhältnisse und dessen Familie sind nur Bruchstücke bekannt, da der in Familienbesitz befindliche private Teil des Nachlasses in den Wirren des Zweiten Weltkrieges vernichtet wurde.
amg
*) Joachim Bahlcke, Werner Korthaase (Hg.): Daniel Ernst Jablonski. Religion, Wissenschaft und Politik um 1700. Stuttgart: Steiner Verlag, 2007 (Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit, Bd. 1)
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