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Festkolloquium zum 80. Geburtstag von Hermann Haken > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 

Gehirnschrittmacher gegen Parkinson

  Hermann Haken    

Hermann Haken
                          (Foto: Murat)

Mit einem Festkolloquium ehrte der Fachbereich Physik am 10. Juli 2007 aus Anlass seines 80. Geburtstages den Emeritus am 1. Institut für Theoretische Physik und Begründer der Synergetik, der Wissenschaft des Zusammenwirkens und der Selbstorganisation in komplexen Systemen, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Haken. Aufgrund der Ausstrahlung der Synergetik in Chemie, Biologie, Medizin, Psychologie und Naturphilosophie ist Herrmann Haken weit über den Kreis der Physiker hinaus bekannt.

Neue Anwendung der Synergetik

Den Festvortrag mit dem Titel „Entwicklung neuartiger Hirnschrittmacher mit Methoden der Synergetik“ hielt Prof. Dr. Dr. Peter Tass, Inhaber des Lehrstuhls für Neuromodulation an der Universität zu Köln und Institutsdirektor am Forschungszentrum Jülich. Prof. Tass, der 1993 an der Universität Stuttgart bei Prof. Haken promovierte, ist für seine praktischen Anwendungen der Synergetik in der Neurophysiologie ausgezeichnet worden, zuletzt mit dem Deutschen Zukunftspreis 2006. Prof. Tass erläuterte, wie das Nervensystem Selbstorganisationsprinzipien zur effektiven Steuerung von Bewegungen ausnutzt. Bei Bewegungsstörungen, wie sie bei der Parkinsonschen Krankheit auftreten, sind es fehlerhafte Synchronisationsprozesse, die die Funktion des Gehirns beeinträchtigen. Medizinisch ist die hochfrequente tiefe Hirnstimulation inzwischen das Standardverfahren, um  bei Parkinsonpatienten fehlgesteuerte Nervenzellentätigkeit in den betroffenen Hirngebieten zu unterdrücken. Die Gruppe von Peter Tass hat mit synergetischen Methoden Stimulationstechniken entwickelt, welche die Tätigkeit der betroffenen Nervenzellenverbände näher an den gesunden (desynchronisierten) Funktionszustand heranbringen. Kern des Verfahrens ist es, die Nervenzellen durch Stimulation so weit zu bringen, die Tendenz, krankhafte synchrone Tätigkeit zu erzeugen, zu verlernen. Anhand beeindruckender Filmbeispiele von Parkinsonpatienten vor und nach der Behandlung zeigte Prof. Tass, wie in einer ersten klinischen Pilotstudie durch synergetische Stimulationsalgorithmen  ausgeprägte, lang anhaltende Heilungseffekte erzielt wurden. Diese zusammen mit Neurochirurgen an der Universität Köln durchgeführten Arbeiten sind ein neuer eindrucksvoller Triumph der von Hermann Haken begründeten Synergetik.

   Beim Festkolloquium wurden auch die wissenschaftlichen Verdienste des Jubilars gewürdigt: Seine wegweisenden Beiträge zur Festkörperphysik, zur Laserphysik, und die Entdeckung der Synergetik als einem Gebiet, das - wie der Festvortrag zeigte - eine breite Palette interdiziplinärer Anwendungen eröffnete.

   Hermann Haken hat an den Universitäten Halle und Erlangen studiert. Er promovierte 1951 in Mathematik und habilitierte sich 1956 in Theoretischer Physik. 1960 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Theoretische Physik an der damaligen Technischen  Hochschule Stuttgart. Prof. Hakens Arbeiten sind mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht worden, darunter dem Max-Born-Preis und der Max-Planck-Medaille, er ist Mitglied unter anderem der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Leopoldina und des Ordens „Pour le Mérite", und ist ausgestattet mit fünf Ehrendoktorwürden. 23 Bücher sind von ihm erschienen, zuletzt das mit dem Psychologen Günter Schiepek geschriebene Werk „Synergetik in der Psychologie".

   Prof. Haken ist wissenschaftlich aktiv wie eh und je, denn wie er selbst sagt „Die Wissenschaft ist meine Leidenschaft".

Günter Wunner

 

 

   
Festkolloquium für Klaus Linkwitz > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

 

„… wie ein Satellit um das Institut …“

 

 
  Klaus Linkwitz    

Klaus Linkwitz

Rund 200 Gäste waren am 19. Oktober 2007 zu einem Festkolloquium auf dem Uni-Campus in Vaihingen angereist, um Prof. Klaus Linkwitz anlässlich seines 80. Geburtstages zu würdigen. In gut dreieinhalb Stunden waren die rund 90.000 Berufsstunden des Jubilars zwar kaum zusammenzufassen, doch gaben bereits die Grußworte des kommissarischen Leiters des Instituts für Anwendungen der Geodäsie im Bauwesen,  Prof. Ulrich Rott, und die Laudationes von Rektor Prof. Ressel sowie Dekan Prof. Christian Miehe einen beeindruckenden Überblick vom vielfältigen Schaffen und Wirken von Prof. Linkwitz. Nach Schulzeit, Kriegsdienst und Gefangenschaft gehörte er zu der Generation, die in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg als Studierende die Trümmer mit der eigenen Hand aus den Universitätsgebäuden tragen musste. Nach dem Mitwirken an verschiedenen internationalen Großprojekten und der Promotion in München wurde er 1964 auf den neu geschaffenen Lehrstuhl am Institut für Anwendungen der Geodäsie im Bauwesen der Universität Stuttgart berufen.

   Schon der Name des Instituts sollte zwei seiner Hauptanliegen zum Ausdruck bringen: die Verbindung von Theorie und Praxis sowie den Brückschlag zu anderen Disziplinen. Dies zeigte sich bereits früh in der Zusammenarbeit mit seinen Kollegen Gerhard Drees und Frei Otto, durch die er mit den „Leichten Flächentragwerken“ in Kontakt kam. Diese interdisziplinäre Arbeit setzte er unter anderem in zwei Sonderforschungsbereichen  („Weitgespannte Flächentragwerke“ und „Natürliche Konstruktionen“) fort; sie mündeten 1972 in der Berechung der Olympischen Dächer in München.

   Seinen Studenten und Mitarbeitern galt seine besondere Fürsorge. Er gewährte große Freiheiten und war doch stets für sie da. Selbst wenn er im Ausland weilte, „kreiste er wie ein Satellit um das Institut", berichtete sein ehemaliger Mitarbeiter Dr. Matthias Neureither. Eindrücke über die vielfältigen, unterschiedlichen Aktivitäten von Prof. Linkwitz national und international gaben Weggefährten und Gratulanten aus allen Teilen der Welt.

   Prof. Rainer Rummel von der TU München gab in seinem Festvortrag einen Abriss über die Geschichte der Geodäsie und wagte die Prognose, dass insbesondere Multisensorsysteme und statische Auswertesysteme in Zukunft prägend sein werden. Wozu die Geodäsie schon heute in der Lage ist, stellte Prof. Armin Grün von der ETH Zürich in seinem Festbeitrag über hochauflösende 3D-Animationen dar.

   Mit der Klarheit seiner Sprache und der Eleganz seiner Argumentation konnte Prof. Linkwitz in den zahlreichen Gremien und Arbeitsfeldern, in denen er vertreten war, stets überzeugen. Obwohl bereits seit 1996 emeritiert, hält Klaus Linkwitz noch immer Vorlesungen an der Universität Stuttgart und ist in vielen Ländern zu Gastvorträgen unterwegs. Seine ungebrochene Schaffenskraft und die von Prof. Friedrich Ackermann, des langjährigen Direktors des Instituts für Photogrammetrie,  beschriebene „Aura des Abenteurers“ zeichnen ihn bis heute aus.

Martin Metzner

 

   

 

Festkolloquium für Ernst Lüder > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Wissenschaftler, Pädagoge, Unternehmer

 
  Ernst Lüder    

Ernst Lüder

„Ich habe keine Zweifel, dass Sie, lieber Herr Prof. Lüder, wären Sie noch aktiv, ein strahlender Leuchtturm der Fakultät und auch der Universität sein würden." Mit diesen Worten begrüßte  Prof. Bin Yang als amtierender Direktor des Instituts für Systemtheorie und Bildschirmtechnik seinen Vorgänger Prof. Ernst Lüder, den ehemaligen „Bildschirmpapst“ der Universität Stuttgart, zu einem Festkolloquium auf dem Vaihinger Campus.

   Über 200 Gäste aus Hochschulen und der Industrie waren am 27. Juli der Einladung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für Systemtheorie und Bildschirmtechnik zu einem Festkolloquium aus Anlass des 75. Geburtstags seines ehemaligen Leiters Prof. Dr.-Ing. habil. Ernst Lüder gefolgt. Nach der kurzen Begrüßung durch Prof. Yang, den Leiter des Lehrstuhls für Systemtheorie und Signalverarbeitung, überbrachte Prof. Erhard Plödereder, der Dekan der Fakultät für Informatik, Elektrotechnik und Informationstechnik, neben seinem persönlichen Grußwort auch die Grüße des Rektors. Prof. Paul Kühn, ein langjähriger Kollege und guter Kenner von Prof. Lüder, würdigte in seiner Laudatio die großen Verdienste von Ernst Lüder in Wissenschaft und Technik sowie für die Universität und für die Fakultät. In Anspielung auf die Tatsache, dass Prof. Lüder während seiner aktiven Dienstzeit neben seinen Aufgaben in Forschung und Lehre auch das Institut für Mikroelektronik und das Labor für Bildschirmtechnik gegründet hat, bezeichnete er Prof. Lüder als „Wissenschaftler, Pädagogen und Unternehmer". Vier Fachvorträge, drei davon von ehemaligen Doktoranden, gaben Einblick in Prof. Lüders vielseitige Arbeitsgebiete. Prof. Peter Knoll von der  Universität Karlsruhe stellte „LCD-Flachbildschirme im Automobil“ vor, Dr. Erich Auer (Ericsson GmbH) berichtete von „Digitale Signalverarbeitung - von der Forschung in die industrielle Praxis", Dr. Markus Wintermantel (Continental/ADC-GmbH) referierte über „Signalverarbeitung in einem radarbasierten Fahrerassistenzsystem“ und Dr. Kai Schleupen (IBM, USA) trug vor über „Ultra-high resolution and pixel count amorphous Si based LCDs". In seinen gewohnt eloquenten Dankesworten demonstrierte Prof. Lüder seine Verbundenheit mit den Vortragenden und ihren wissenschaftlichen Arbeitsgebieten. Im Schlusswort hob Prof. Norbert Frühauf als Nachfolger von Prof. Lüder im Lehrstuhl für Bildschirmtechnik  noch einmal den besonderen Einsatz und die viel gelobte didaktische Fähigkeit seines ehemaligen Doktorvaters hervor.

   Die musikalische Umrahmung des Festakts mit Werken von Antonio Vivaldi und Johann Sebastian Bach durch  ehemalige Doktoranden ließ das von Prof. Lüder stets sehr geschätzte „Institutsorchester“ wiederauferstehen.

Bin Yang, Norbert Frühauf

 

 

 

Festkolloquium für Christian Rohrer > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 
Forschung zur Computerlinguistik mitbegründet

  Christian Rohrer    

Von wegen „Emeritus": Christian Rohrer (links), hier mit Ulrich Heid beim Festkolloquium, forscht weiter.
                                                       (Foto: Boris Haselbach)

Prof. Dr. Christian Rohrer, seit 1987 Ordinarius für Computerlinguistik und Gründer des Instituts für Maschinelle Sprachverarbeitung, wurde zum Wintersemester 2006/2007 emeritiert. Aus diesem Anlass fand im Sommersemester 2007 im Senatssaal ein Festkolloquium mit rund 50 Gästen statt, bei dem vier Festredner Rohrers Wirken für die deutsche und die internationale Computerlinguistik würdigten und seine Arbeiten in den Kontext der internationalen Forschungsdiskussion stellten.

   Christian Rohrer ist einer der Begründer der universitären Forschung in der Computerlinguistik in Deutschland und weltweit. Seit 1969 Professor für romanistische Linguistik, knüpfte er schon in den 1960er Jahren durch Gastaufenthalte Kontakte zu Wissenschaftlern im Bereich der maschinellen Übersetzung, aber auch zur Informatik: er ist seit 1984 kooptiertes Mitglied dieser Fakultät.

   Rohrers Forschungen zielten unter anderem auf die Beschreibung der Zeitstruktur von Texten, aus der sich der Ablauf von Ereignissen berechnen lässt, die in einem Text beschrieben sind, aber meistens nicht in der Reihenfolge. Seit seinem Gastaufenthalt an der Stanford University 1985 gibt es eine Kooperation mit Stanford, Xerox und dem Palo Alto Research Center: gemeinsam werden sehr detaillierte formale Grammatiken für Englisch, Deutsch und mittlerweile eine Vielzahl anderer Sprachen entwickelt.

   Mit der von Rohrer entwickelten deutschen Grammatik kann die Struktur von Sätzen ermittelt werden. Die Analyseergebnisse können als Grundlage für die inhaltliche Erschließung von Texten dienen, die zum Beispiel entscheidende Verbesserungen bei der Suche im Internet bietet: statt mit einem oder mehreren Schlüsselwörtern anzufragen und entweder viel zu viele oder zu wenig Ergebnisse zu bekommen, wird es auf der Basis solcher Techniken möglich, eine Frage auf Deutsch oder Englisch einzugeben und Dokumente zu erhalten, die eine Antwort auf diese Frage enthalten. Festredner Ronald Kaplan aus San Francisco zeigte auf, wie die gemeinsamen Forschungen inzwischen in einer Startup-Firma für Internet-Suchzwecke genutzt werden.

   Zum Abschluss bedankte sich Christian Rohrer mit einer humorvollen Analyse des Begriffs „Emeritus": die Übersetzung aus dem lateinischen Schulwörterbuch ist völlig fehl am Platze (Professor im Ruhestand) – Rohrer forscht weiter: täglich am Institut, entwickelt er die Grammatik weiter und untersucht Fragen der Generierung von Texten und des Lexikons für die Sprachverarbeitung.

Ulrich Heid

 

 

 

last change: 20.12.07 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart