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Der Andrang war gewaltig und viele mussten bei Peter Hübners Abschiedsvorlesung „Hand und Auge“ am 19. Juli im Hörsaal 17.01 mit Stehplätzen vorlieb nehmen. Der Professor am Institut für Baukonstruktion und Entwerfen (Lehrstuhl 1) zog das Publikum in seinen Bann und wurde mit stehenden Ovationen verabschiedet. Seine Ausstellung „Lust am Bauen", die er einige Tage zuvor eröffnet hatte, gab zudem Einblick in sein Lebenswerk.
„Es ist kaum zu glauben, aber dies ist Peter Hübners letzter offizieller Vortrag", mit diesen Worten begrüßte Professor Helmut Bott, Dekan der Fakultät Architektur und Stadtplanung, die Gäste. Hübner gehöre zu den Großen, so Bott, und als norddeutscher Findling, der zum schwäbischen Urgestein wurde, habe er auch für so manche fruchtbare Spannung in der Fakultät gesorgt. Mit dem „Motivationskünstler und Debattenreder Hübner, der gerne und lange redete, auch wenn er nicht dran war", verliere die Fakultät einen wichtigen Spannungspol, bedauerte der Dekan. Seit 1975 hat Peter Hübner an der Universität Stuttgart gelehrt und geforscht. Er motivierte die jungen Architekturstundenten mit immer neuen kreativen Projekten, wie zum Start des Studiums mit selbstgebauten Papphäusern, die zumindest eine Nacht als Schlafstätte dienen mussten, oder mit der Beteiligung der Studierenden an Selbsthilfebauten.
Dabei war ihm die Architektenlaufbahn nicht in die Wiege gelegt. Peter Hübner, Jahrgang 1939, absolvierte nach einer Orthopädieschuhmacherlehre in Kiel zunächst eine Schreinerlehre. Von 1963 bis 1968 studierte er an der Universität Stuttgart Architektur und eröffnete 1971 ein Entwicklungsbüro für industrielle Bauteile und Bausysteme. Im selben Jahr erhielt er für drei Jahre einen Lehrauftrag an der Uni Stuttgart für das Bauen mit Kunststoffen. 1979/80 wurde er als Stipendiat der Villa Massimo Rom in Stuttgart zum Professor berufen und gründete sein eigenes Architekturbüro.
Einblick in Hübners Werk gab die Ausstellung „Lust am Bauen“ vom 10. bis 27. Juli im Foyer des KI. Beeindruckt zeigten sich Ausstellungsbesucher besonders von den unzähligen Fotos von Projekten und Bauprozessen an den Wänden und der über 12 Meter langen Theke aus massivem Karton mit all seinen Veröffentlichungen. Die Stimmen aus Zeitungen und Fachzeitschriften sind sich einig: „die verblüffende Vielfalt“ sowie der „Unterschied in Stil Bautechnik und dem Grad der Details“ machen Hübner zu etwas Besonderem und seine Werke sind „immer Ergebnis eines sozialen Prozesses". So ist es nicht verwunderlich, dass der Architekt und Autor Peter Blundell Jones (Sheffield) dem Buch über Peter Hübner den Titel „Bauen als sozialer Prozess“ gab, das er bei seinem Vortrag „Architecture: A Social Art“ am 10. Juli vorstellte.
„Jedes Haus muss emotionalen Ansprüchen genügen, deshalb sollte jeder Architekt auf seine Fähigkeiten vertrauen und mit den späteren Nutzern der Gebäude diskutieren, um ihre Wünsche und Bedürfnisse mit einbeziehen zu können", so Hübner. Diese Offenheit mache die Arbeit spannend und abenteuerlich. Bei zahlreichen Projekten in und um Stuttgart, wie Jugendhäusern, Schulen, Kirchen und Kindergärten, hat er mit der Beteiligung von Kindern, Eltern oder arbeitslosen Jugendlichen am Bau gute Erfahrungen gesammelt. „Nicht nur die Verantwortung ist größer", erklärte der Architekt, „sondern das Haus selbst gibt durch seine einmalige Entstehungsgeschichte eine Botschaft weiter". Besonderes Beispiel dafür ist das 1981/82 in Vaihingen entstandene Studentendorf „Bauhäusle", bei dem 200 Architekturstundenten mithalfen.
Architektur soll nach Hübner mit allen Sinnen wahrgenommen werden. Deshalb hatte er für seine letzte Vorlesung das Thema „Hand und Auge“ gewählt. Durch ein mit dem Auge erfasstes Bild werden alle Sinne angesprochen und besonders die Hand wird dadurch angeregt, ein Objekt zu betasten oder nicht. „Gebäude sollen zum Wohnen und (Wohl)Fühlen einladen", so Hübner, während er das Publikum direkt anspricht. Der Architekt versteht es mit seiner unkomplizierten Art, seiner Mimik und Gestik, das Publikum zu begeistern.
Sein Tipp für kommende Generationen klingt einfach: „nicht immer nur schön gestalten, sondern in den Problemen der Welt neue Ideen suchen". So schlägt er auch das „Klo der Zukunft“ vor, das für Heizung und Energiegewinnung eingesetzt werden könnte. „Die Themen liegen auf dem Tisch, man muss sich auf Unbekanntes einlassen, dann kann man beim Lehren lernen", ermutige Hübner seine Nachfolger. „Der Beruf des Architekten ist der schönste der Welt", betonte er abschließend, bevor er zum großen Abschiedsfest zwischen KI und KII bei Ochsen, Wein und Musik einlud.
Stefanie Senfter/zi
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