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So genannte Metamaterialien haben in den letzten drei Jahren die Optik revolutioniert. Die oft nur wenige Dutzend Nanometer kleinen Strukturen erlauben es Physikern erstmals, Materialien herzustellen, die einen Brechungsindex haben, der kleiner als Null ist. Die Stuttgarter Nanophysik mischt bei ihrer Erforschung an der Weltspitze mit.
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Das Phänomen der Brechung kennen schon Kinder: Hält man einen Stock in einen Teich, sieht er aus, als wäre er unter Wasser abgeknickt. Der Grund dafür ist der Brechungsindex des Wassers, der höher ist als der für Luft. Nach diesem Prinzip funktionieren auch Glaslinsen, aus denen man Brillen, Teleskope und Objektive für Kameras und Mikroskope bauen kann. Im 20. Jahrhundert wurden die Möglichkeiten der Optik bis an die Grenzen ausgereizt. Immer neue Gläser und immer größere Objektive ermöglichten es zum Beispiel der Halbleiterindustrie, immer kleinere Strukturen auf engstem Raum herzustellen. Die Mikroprozessoren von Intel und AMD werden meistens mit Projektionsobjektiven von Zeiss hergestellt. Diese arbeiten aber noch nach demselben Prinzip wie schon die Teleskope von Galileo Galilei und Kepler.
Vor drei Jahren jedoch katapultierte die Entwicklung der ersten Metamaterialien die Optik in neue Dimensionen. Metamaterialien sind kleine Nanostrukturen, meistens aus Gold oder Silber, die in Glas eingebettet werden und viel kleiner als die Wellenlänge des Lichtes sind. Dies führt dazu, dass die Lichtwelle über die Strukturen und die Zwischenräume mittelt und sich die Nanostruktur wie ein neues, künstliches Material verhält, das es so in der Natur nicht gibt. Diese Strukturen haben es Physikern erlaubt, zum ersten Mal Materialien herzustellen, die einen Brechungsindex haben, der kleiner als Null ist. „Hätte man eine Metamaterial-Flüssigkeit mit einem negativen Brechungsindex, so würde der Stock nicht nur abknicken, sondern sogar gleichzeitig gespiegelt werden“, erklärt Prof. Harald Gießen vom 4. Physikalischen Institut.
Metamaterialien nutzen ein physikalisches Phänomen aus: Licht ist nämlich eine elektromagnetische Welle. Seit 2004 konnte man erstmals die magnetischen Eigenschaften des Lichts verändern. Der Trick ist ganz einfach: Man ordnet die Nanostrukturen in den Metamaterialien wie kleine Schwingkreise an, die aus Spulen und Kondensatoren bestehen. Ein solcher Schwingkreis hat zum Beispiel die Form eines „U“. Kombiniert man nun elektrische und magnetische Eigenschaften des Materials geschickt, so ergibt sich ein negativer Brechungsindex.
Das erste Mal wurde eine solche Anordnung im Herbst 2004 an der Universität Karlsruhe hergestellt, aber schon im Januar 2005 folgte das Nanostrukturlabor der Universität Stuttgart. Zunächst konnten allerdings nur relativ simple Schichten aus kleinen Metallstrukturen hergestellt worden. Linsen aus Metamaterialien mit negativem Brechungsindex erfordern jedoch Volumenmaterialien. Inzwischen ist es den Forschern um Prof. Gießen gelungen, die weltweit ersten dreidimensionalen Metamaterialien für den optischen Wellenlängenbereich herzustellen. Die Stuttgarter Methode ist geeignet, beliebig dicke und akkurat angeordnete Schichtstapel herzustellen. Im Dezember 2007 wurde das Verfahren in Nature Materials vorgestellt. Welche Anwendungen sich aus den neuen Metamaterialien ergeben, ist noch nicht vollständig abzusehen. Vorhergesagt werden perfekte Linsen, die noch bessere Mikroskope erlauben und das Abbe’sche Beugungslimit durchbrechen. Sogar optische Tarnkappen, die ganze Gegenstände unsichtbar machen, sollen möglich werden.
amg
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