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Plasmawindkanäle und andere einzigartige Versuchsanlagen für die Raumfahrt > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Hitzeschutz für Weltraummissionen

 

Seit den 1980-er Jahren besitzt die Uni Stuttgart am Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) eine in Europa einzigartige Versuchseinrichtung: Hier können Hitzeschutzmaterialien und -systeme für Raumfahrzeuge erforscht werden, die unbeschadet in die Atmosphäre anderer Himmelskörper oder auch der Erde eindringen und sicher landen sollen. Bis heute werden die Atmosphären von Erde, Mars sowie dem Saturnmond Titan für weltweit bedeutende Missionen nachgestellt.

Bei der Rückkehr zur Erde tritt ein Raumfahrzeug mit einer Geschwindigkeit von mehreren 10.000 Stundenkilometern in die obere Atmosphäre ein. Hierbei wird die Luft aufgestaut und erhitzt, es entsteht ein so genanntes Plasma. Um dies im Labor nachzustellen, wird nicht das Objekt bewegt. Stattdessen bewegt sich die simulierte Atmosphäre mit entsprechender Energie in einem Vakuumtank auf eine Materialprobe zu. Anders als bei einem gewöhnlichen Windkanal, in dem eine strömungsmechanische Ähnlichkeit erzielt werden soll, wird beim Plasmawindkanal eine thermochemische Ähnlichkeit zu den Verhältnissen beim Eintritt eines Raumfahrzeugs in die Planetenatmosphäre reproduziert. Dann können die Lasten wie Hitze, Druck und chemische Reaktionen, denen ein Flugkörper in einer solchen Situation ausgesetzt ist, mit Hilfe von Sonden, Lasern oder Spektrometern detailliert untersucht werden. Die Erkenntnisse helfen den Ingenieuren, neue Materialien, Formen und Methoden für den Wärmeschutz zu entwickeln.

Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer
 

Plasmawindkanal-Anlage

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Plasmawindkanal-Anlage am Institut für Raumfahrtsysteme.

   Die Plasmawindkanäle tragen erheblichen Anteil daran, dass das IRS an etlichen europäischen und amerikanischen Weltraummissionen beteiligt war und ist. So wurden Teiluntersuchungen zu den Hitzeschutzsystemen des – inzwischen eingestellten - Großprojektes HERMES, mit dem die europäische Weltraumagentur ESA eine unabhängige Alternative zum Space Shuttle der NASA entwickeln wollte, in den Plasmawindkanälen des IRS durchgeführt. 1992 starteten Untersuchungen für den Hitzeschutz der Raumsonde Huygens: Bevor diese sanft auf dem Saturnmond Titan aufsetzte, war sie beim Eintritt in die Atmosphäre extremen Bedingungen ausgesetzt. Um die Atmosphäre des Mondes realistisch simulieren zu können, musste ein methanhaltiges Plasma erzeugt werden. Dies war damals nur am Plasmawindkanal der Uni Stuttgart möglich, so dass hier die wesentlichen Tests für den Hitzeschutzmaterials der Huygenssonde stattgefunden haben. Die deutsche MIRKA-Sonde markierte das erste europäische Wiedereintrittsprojekt Europas unter der wissenschaftlichen Leitung des IRS. Und als 2006 die amerikanische Raumkapsel Stardust mit einer Geschwindigkeit von 12,8 Kilometern pro Sekunde aus dem All zurückkam und damit den bisher schnellsten Wiedereintritt eines Objektes in die Erdatmosphäre überhaupt vollzog, konnten Mitarbeiter des IRS als einzige Europäer im Rahmen einer Beobachtungsmission der NASA den Wiedereintritt mit optischen Messungen begleiten.

Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer
 

Test des EXPERT-Messsystems

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Test des EXPERT-Messsystems RESPECT unter Wiedereintrittsbedingungen.    (Fotos: Institut)

   Im kommenden Jahr sollen im Plasmawindkanal Materialproben von der STARDUST-Sonde untersucht werden. „Eine einmalige Gelegenheit für die Stuttgarter Forscher“, sagt Dr. Georg Herdrich, Leiter des Bereichs Plasmatechnologie des IRS. Auch andere Projekte werden dafür sorgen, dass den Wissenschaftlern am IRS die Arbeit nicht ausgeht. So werden drei der zwölf für die Aerodynamische Forschungskapsel EXPERT vorgesehenen Experimente vom IRS entwickelt und am Plasmawindkanal vorbereitet und getestet. Von der Auswertung erwarten die Stuttgarter Forscher neueste Erkenntnisse zum Thema Hitzeschutzsysteme. Zudem werden in Zusammenarbeit mit der ESA regelmäßig Materialproben in einer künstlichen Marsatmosphäre getestet. Ziel der Wissenschaftler ist ein Hitzeschutz, der gewährleistet, dass eine zukünftige europäische Marsmission die Atmosphäre des roten Planeten sicher durchdringen und dort landen kann.

Entwicklung von elektrischen Triebwerken

Daneben können in den Versuchsanlagen des IRS die verschiedensten elektrischen Triebwerke entwickelt und getestet werden. Ähnlich wie in den Plasmawindkanälen wird in den Antrieben ein Plasma beschleunigt, dessen Bewegungssimpuls dem Triebwerk dann seine Schubkraft verleiht. Die Triebwerkssysteme SIMP-LEX, ein so genanntes gepulstes magneto-plasmadynamisches Triebwerk sowie ein Lichtbogentriebwerk sind für den universitätseigenen Mondsatelliten Lunar Mission BW1 des Stuttgarter Kleinsatellitenprojekts vorgesehen. In den Versuchshallen des IRS werden die Triebwerke entwickelt, ihre Lebensdauer und Leistungsfähigkeit getestet und an die Anforderungen des Mondsatelliten angepasst. Auch wenn das Stuttgarter Kleinsatellitenprojekt im Jahr 2010 in das neue Raumfahrt-Zentrum Baden Württemberg umzieht, werden die bestehenden Versuchsanlagen des IRS weitergenutzt werden. Dadurch können weitere Triebwerke getestet und neue Konzepte entwickelt werden.

amg

 

 

 

KONTAKT

 
                                                                

Dr. Georg Herdrich
Institut für Raumfahrtsysteme
Tel. 0711/685-62412
Fax 0711/685-63596
e-mail: herdrich@irs.uni-stuttgart.de


   
 
 
last change:20.12.2007/ yj
Pressestelle der Universität Stuttgart