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Auch die Wissenschaft hat Old Shatterhand entdeckt > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Karl May als Brückenbauer

Karl May (1842-1912) ist immer noch der meistgelesene Schriftsteller deutscher Sprache. Ganze Generationen haben ihre ersten literarischen Erfahrungen mit Kara Ben Nemsi Effendi oder Old Shatterhand, Hadschi Halef Omar und Winnetou gesammelt - und wohl nicht zuletzt deswegen hat die akademische Wissenschaft Karl May mit spitzen Fingern angefasst. Er wurde auf die Funktion eines reinen Jugendschriftstellers, bestenfalls auf die eines „Volksschriftstellers“reduziert. Dass hier eine große Revision auf der Tagesordnung steht, zeigt nicht nur die gegenwärtig im Berliner Historischen Museum präsentierte Karl May-Ausstellung. Auch der vom Internationalen Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT) und dem Historischen Institut (Abteilung Neuere Geschichte) veranstaltete Kongress über „Karl May. Zur Wirkungsgeschichte eines unterschätzten Brückenbauers zwischen den Kulturen“zeugte davon, mit welchem Gewinn neuere kulturwissenschaftliche Fragestellungen auf das Phänomen Karl May übertragen werden können.

 
 

Kara Ben Nemsi

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Nun hat auch die Wissenschaft Karl May entdeckt. Unser Foto zeigt ihn als Kara Ben Nemsi. (Quelle: http://karlmay.leo.org/kmg/fotos/kostuem/kbn2.jpg)

Während die Entstehungsgeschichte der Werke Karl Mays gut erforscht ist, harre die Wirkungsgeschichte noch ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung, betonte Wolfram Pyta vom Historischen Institut der Universität Stuttgart bei der Eröffnung des Kongresses, zu dem Referenten aus ganz Deutschland, Frankreich und Polen ins Haus der Geschichte angereist kamen. Gerade die Wirkungsgeschichte erschließt sich über methodische Ansätze, die literarische Werke nicht nur auf ästhetische Qualitäten hin befragen, sondern sie als kulturelle Dokumente liest. Als solche kulturellen Dokumente geben die Werke Karl Mays interessante Aufschlüsse über den Zeitgeist, die sozialen Spannungen, die Geschlechterrollen und die Selbst- sowie Fremdwahrnehmung einer Epoche. So dokumentierte der Kongress nicht nur den aktuellen Stand der Karl May-Philologie, sondern untersuchte die Orient- und Amerikabilder der Epoche insgesamt.

   Als herausragende Besonderheit des Mayschen „Orientzyklus“erwies sich, dass der Orient nicht mehr auf das osmanische Reich oder die persische Hochkultur wie beispielsweise bei Goethe reduziert wird, sondern erstmals die Kultur der arabischen Nomaden thematisiert. Während die Türken von Karl May als Vertreter einer differenzierten Kultur als bereits zivilisationsverschlissen und behäbig dargestellt werden, fungieren die Araber als Projektionsfläche für das Bild des unverdorbenen, vitalen, gastfreundlichen und tugendhaften einfachen Mannes. Die Berliner Germanistin Andrea Pollaschegg wies nach, wie diese innerorientalischen Differenzen mit europäischen, von Karl May durchaus nationalstereotypisch gezeichneten Unterschieden korrespondieren und welche Rolle Kara Ben Nemsi im arabischen Raum angetragen wird: Der omnipotente und universalgebildete Held beherrscht nicht nur sämtliche orientalischen Kulturtechniken, die ihm ein grenzenloses Verstehen des Fremden ermöglichen, seine Anpassungsfähigkeit an eine andere Kultur ist zugleich Mittel zum Zweck, das „Eigentliche“zu erkunden. Auch der Regensburger Amerikanist Volker Depkat zeigte am Beispiel der „Winnetou"-Trilogie, wie das Erzählmodell der Abenteuerromane durch das weltanschauliche Programm einer von europäischen Sehnsüchten gespeisten Erlösungsgeschichte überlagert wird.

Elke Uhl

 

 

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