Ein stattlicher Hirschkäfer, der mit seinen Kieferzangen gegen eine Beißzange anzugehen scheint, jagende Libellen zwischen Netzen der analytischen Geometrie, zwei stromlinienförmige Körper im direkten Vergleich, das Luftschiff Graf Zeppelin und eine Regenbogenforelle: Auf den faszinierend lebendigen und farbenfrohen Bildern von Franz Xaver Lutz, mit Fischen, Käfern und Schnecken, Getrieben und Pumpen, Diagrammen und Formeln, verschmelzen Mathematik und Natur. Neben diesem künstlerischen Brückenschlag zwischen zwei scheinbar sehr unterschiedlichen Welten beschäftigt sich der 1941 in Graz geborene und heute in der Nähe von Ludwigsburg lebende freiberufliche Maschinenbauingenieur und freischaffende Künstler unter anderem auch mit Industrie-Design oder Kinder- und Schulbuchillustrationen.
„Wir sind sehr froh, eine solch hochwertige Kunstausstellung in der Universitätsbibliothek präsentieren zu können", sagte Uni-Rektor Prof. Wolfram Ressel bei der Eröffnung der von der Klaus Tschira Stiftung konzipierten Wanderausstellung. Über das Universitätsleben hinaus könne man damit auch im Leben der Stadt Stuttgart präsent sein. Die Klaus Tschira Stiftung unterstützt hauptsächlich Projekte aus dem Bereich der Mathematik, der Informatik und der Naturwissenschaften – „Gebiete, in denen an der Uni Stuttgart viel geleistet wird", hob Ressel hervor. Zu den Geförderten zähle man zwar noch nicht, aber, so die Hoffnung des Rektors, das könne sich ja noch ändern. Es sei überaus begrüßenswert, mit einer Ausstellung wie dieser zu einem besseren Verständnis der Öffentlichkeit für die Natur- und Technikwissenschaften beizutragen, betonte Wolfram Ressel, und lud besonders die Jugend ein, sich die detailgenau realisierten Bilder anzusehen und sich mit den Konzepten und Ideen des Künstlers auseinanderzusetzen.
Immerhin an die 37 Titel, die einen Bezug zwischen der Mathematik und der Kunst herstellen, hatte Bibliothekschef Werner Stephan bei einer Recherche ausgemacht. „Mathematik ist keine Kunst“, hatte Prof. Markus Stroppel vom Institut für Geometrie und Topologie der Uni Stuttgart seinen Vortrag überschrieben, in dem er die objektive und überprüfbare Mathematik zunächst der sehr subjektiven, impulsiven und kreativen Kunst gegenüberstellte, um dann doch an einer Annäherung zu arbeiten. So habe die Kunst eine gewisse Chance, die Mathematik als strenges Vorbild zu sehen, und die Mathematik sei eine „hohe Kunst", bei der durchaus auch Intuition gefragt sei. Und zum Abschluss bekannte Stoppel: „Die Bilder, sie reizen mich, überzeugen mich. Kunst hat mit Mathematik zu tun." Beim Betrachten der Werke von Franz Xaver Lutz könne man erahnen, dass es „Naturgesetze gibt, die dazu führen, dass die Form so ist, wie sie ist. Lutz weiß um die Mathematik, er kennt die Mathematik. Mit diesem Wissen geht er durchs Leben und sieht die Formen – ein Vorbild, das uns als Mitglieder einer technischen Universität gut ansteht".
Wer so die Welt zu betrachten beginnt, wird sich vielleicht in Erinnerung des Bildes von Franz Xaver Lutz „Eigentlich sollte Wankel mit Vornamen Adam heißen“ das Kernhaus eines Apfels genauer ansehen und sich dabei fragen, ob Wankel wirklich die Inspiration für seinen Rotations-Kolben-Motor diesem Obst verdankt? Weitere interessante Beispiele für die Beziehung von natürlichem Vorbild und technischer Anwendung finden sich in dem zur Ausstellung in der Edition Braus im Wachter Verlag erschienenen Katalog („Ein künstlerisches Mathematikbuch“; 92 Seiten, 28 x 28 cm, Hardcover, ISBN 3-89904-105-4, 20 Euro).
Julia Alber
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