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Mit großer Begeisterung waren die Teilnehmer bei dem interaktiven Projekt „Odyssee 2.07“ bei der Sache.
(Foto: Städtebau-Institut) |
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Es war Hans Wollschlägers letztes Geschenk an ein großes Stuttgarter Publikum: Wer hätte, zu Beginn der Ulysses-Spielzeit, besser in Joyces Jahrhundertroman einführen können als sein Übersetzer? Die Joyceschen Figuren traten mit Wollschlägers beeindruckend nuancenreicher und körperhaltiger Stimme in den großen Theatersaal, leibhaftig, tief atmend, dramatisch agierend. Das subtile Wechselspiel von Erzähler- und Figurenstimmen, die Vielstimmigkeit des Ulysses – wie in einem magischen Moment verkörperte Hans Wollschläger ein halbes Jahr vor seinem Tod im Mai 2007 den „Welt-Alltag der Epoche", vor gut vierhundert Zuhörern, ein letztes Mal.
Innerhalb der engen Kooperation zwischen dem IZKT, der Abteilung Neuere Englische Literatur und dem Schauspiel Stuttgart war der Wollschläger-Abend die Auftaktveranstaltung der Ulysses-Reihe, in der Schlaglichter der Joyce-Forschung auf einzelne Kapitel der Theaterarbeit gerichtet werden konnten. So ging der Stuttgarter Anglist Martin Windisch der Frage nach, mit welchen Einverleibungs- und Abwehrstrategien Joyce den übermächtigen Shakespeare (von dem es im Ulysses heißt, nach Gott habe Shakespeare am meisten geschaffen) bewältigte. Fritz Senn, der Direktor der Züricher James Joyce Foundation, der als einer der weltweit anerkanntesten Joyce-Forscher gilt, nahm die für den Entstehungsprozess des Romans und für seine Rezeption entscheidende Einbettung in die abendländische epische Tradition in den Blick: Was hat es mit der Odyssee hinter dem Ulysses auf sich?
Auf ganz anderen Wegen näherte sich das am Städtebau-Institut unter Leitung von Helmut Bott erarbeitete Projekt „Odyssee 2.07“dieser Frage. Wäre Odysseus mit den modernen Mitteln satellitengesteuerter Navigation ausgestattet gewesen, so die Ausgangshypothese, wäre die Odyssee dem Postulat der Zielstrebigkeit zum Opfer gefallen. „Odyssee 2.07. Entdecke Deine Stadt“ setzte bei einer Neuinterpretation der Irrfahrt des Odysseus an und entwickelte ein spannendes und temporeiches mediales Stadtspiel. Vier Teams von Zuschauern lotsten je einen mit GPS-Sendern ausgestatteten Spieler durch Stuttgart, um an besonderen Orten Aufgaben zu finden, deren Lösung dem Team Punkte zum Spielgewinn sicherten. Erstmalig in dieser Form kamen mobile Endgeräte mit GPS-Sendern zum Einsatz; die Spezialsoftware hierfür entwickelte Volker Walter am Institut für Photogrammetrie.
Vom Stuttgarter Ulysses profitierten aber auch die Studierenden: Der Chefdramaturg Jörg Bochow war Gastdozent im Joyce-Seminar des Instituts für Literaturwissenschaft, Studierende beteiligten sich an der Konzeption des Geschichtsspazierganges „Ulyssele“ und „Odyssee 2.07“ wurde in Lehrveranstaltungen am Städtebau-Institut vorbereitet.
Elke Uhl, Martin Windisch
*) Bitte beachten Sie auch den Artikel zum Projekt „Irrfelsen" auf
S. 102.
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