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Zur Indienpolitik der DDR >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Von den Wurzeln des Tibetkonflikts
Zum besseren Verständnis des Konflikts um Tibet könnte
ein Buch zur Indienpolitik der DDR beitragen, das im Frühjahr
in der Reihe „Stuttgarter Historische Forschungen“ erschienen
ist. Prof. Johannes H. Voigt, früherer Leiter der Abteilung
für Überseegeschichte am Historischen Institut, skizziert
in dem Buch, wie die DDR schon frühzeitig bestrebt war, von
Indien staatlich anerkannt zu werden. Damit wollte sie aus der „Quarantäne“ der
Nichtanerkennung der westlichen und neutralen Staatenwelt herauskommen.
Gelingen sollte dies unter anderem durch Kontakte zu Politikern
wie Nehru, der das Land zusammen mit Mahatma Gandhi in die Unabhängigkeit
geführt hatte und für viele Unabhängigkeitsbewegungen
in Asien und Afrika zum Vorbild geworden war. Die Unterstützung
von indischen Entwicklungsprojekten sowie Waren-, Kultur-
und Wissenschaftleraustausch begleitet dies. Eine indische Anerkennung
der DDR würde – so die Annahme – bei den Staaten
der Dritten Welt einen Nachahmungseffekt auslösen. Der Autor
stellt dar, wie es Ostberlin trotz westdeutscher Gegenpositionen
gelang, sich in Indien liberal und demokratisch zu präsentieren.
Dabei wurde allzu große Nähe zur Sowjetunion vermieden. Dennoch
zögerte Indien mit der Anerkennung. Das Land war in
Auseinandersetzungen verwickelt, die in einem Jahrzehnt drei Kriege
auslösten, einen gegen China und zwei gegen Pakistan. Im indisch-chinesischen
Konflikt ging es um die Grenze zu Tibet, das von chinesischen Truppen
besetzt worden war. Ideologisch gesehen nahm die DDR Partei für
China; realpolitisch folgte sie schließlich der Linie der
Sowjetunion und bezeichnete China als Hauptschuldigen an der Auseinandersetzung.
Die Krise im Himalaya und die zeitgleiche Berlinkrise stehen im
Zentrum des Buches und füllen über 100 Seiten. Großen
Einfluss auf die dann im Oktober 1972 erfolgte Anerkennung der
DDR durch die indische Regierung unter Indira Gandhi hatten die
so genannten indischen DDR-Freundschaftsgesellschaften, die in
den 1960er Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen und zu einer „Freundschaftslobby“ aller
Parteien führten.
Johannes Voigt hat in dem behandelten Zeitraum von 1952 bis 1972
mehrere Jahre als Dozent an indischen Universitäten gelehrt,
in indischen Archiven geforscht und war dort vielfach mit der DDR-Politik
konfrontiert. zi
Johannes H. Voigt: Die Indienpolitik der DDR – Von den Anfängen
bis zur Anerkennung (Stuttgarter Historische Forschungen, Band
5). Boehlau Verlag Köln Weimar Wien 2008, ISBN 978-3-412-18106-2,
717 Seiten, 69,90 Euro
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