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Chalybenforschung der Abteilung Alte Geschichte >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Rätselhafte Eisenmänner
Statt Äcker zu bebauen und Vieh zu züchten, wie es sich
im Altertum gehörte, hauste der Stamm der Chalyben in Gruben
und förderte Metall. Prof. Eckart Olshausen von der Abteilung
Alte Geschichte des Historischen Instituts der Uni erforscht das
sagenumwobene Volk aus dem Norden der heutigen Türkei – und
gibt damit Anregungen für die moderne Metallurgie.
Berichte über
die Kunst der Erzgewinnung und -verarbeitung bei den Chalyben durchziehen
das Schrifttum der Antike von Homer über Aischylos bis Aristoteles.
Dass sie Eisen förderten und die Stahlgewinnung erfanden,
gilt als gesichert, aber auch die Gewinnung von Gold und Silber
wird dem kleinwüchsigen und zähen Menschenschlag zugeschrieben.
Doch nicht alles, was als Sage auftaucht, hat als historische Quelle
tatsächlich Bestand. So berichtet eine Aristoteles zugeschriebene
Passage, dass die Chalyben Gold von Mäusen zusammentragen
ließen und den Tieren, um an die Schätze heranzukommen,
die Bäuche aufschlitzten. Tatsächlich sind Mäuse
bei Bergleuten bis heute gerne gesehen Begleiter, da die Tiere
frühzeitig anzeigen, wenn sich unter Tage gefährliche
Gase entwickeln, aber: „Für die in der antiken Literatur
vertretene Behauptung, Mäuse würden Gold oder Eisen fressen,
gibt es selbstverständlich keine wissenschaftliche Erklärung“,
sagt Olshausen.
Auf
der Suche nach den Chalyben: Die gestrichelte Linie zeigt den „Zug
der 10.000“ bei Xenophon.
(Nach Richard J.A. Talbert (Hrsg.),
Atlas of Classical History, London/New York 1984)
Auch bei der Frage, wo genau die Chalyben nun eigentlich
genau gelebt haben, wirft die antike Literatur zunächst mehr
Fragen auf, als sie beantwortet. Aischylos verortet sie an der
Nordküste des Schwarzen Meeres, Xenophon, der das wohl glaubwürdigste
Zeugnis liefert, begegnete ihnen nördlich von Kleinarmenien.
Andere Autoren lokalisieren den Stamm im Gebiet des Pontos-Gebirges
um die heutigen Städte Samsun, Trabzon und Rize bis an den
Fuß des Kaukasus. Verständlich wird der geografische
Wirrwarr, wenn man den Namen Chalyben nicht als Stammes- oder Herkunftsbezeichnung
begreift, sondern als Beschreibung für eine Berufsgruppe. „Mit
dem Namen Chalyben wurden die Bewohner verschiedener Gebirgsgegenden
bezeichnet, in denen Eisenerz gewonnen wurde“, nimmt Olshausen
an. „So versteht sich, weshalb wir in der Literatur Chalyben
der verschiedensten Gegenden Kleinasiens und vielleicht auch Skythiens,
im Nordwesten des Kaukasus, begegnen – es handelt sich um ‚Eisenmänner’,
die diese Fremdbezeichnung schließlich als Stammesnamen angenommen
haben.“
Was zunächst nur von historischem Interesse
zu sein scheint, wird höchst aktuell, wenn man die literarischen
Quellen mit Kartierungen moderner Rohstoffvorkommen vergleicht.
Während nämlich die Bodenschätze in Anatolien, im
Taurusgebirge und im Kaukasus bekannt sind, weiß man von
Erzlagern im Nordanatolischen Randgebirge, in dem die Chalyben
hauptsächlich lokalisiert werden, nur wenig. Oft wird dies
auf begriffliche Verschiebungen zurückgeführt – doch
zwingend ist dieser Befund nicht. „Die Erzlager des Nordanatolischen
Randgebirges sind besonders in Richtung Kaukasus noch nicht ausreichend
erforscht“, meint Olshausen, „dies bleibt eine Aufgabe – auch
für die moderne Metallurgie“. Für die wirtschaftlich
nicht besonders starke Region könnte dies eine Chance sein:
Vielleicht führen die historischen Spuren zu inzwischen vergessenen
Erzvorkommen. amg
KONTAKT
_________________________________________
Prof. Eckart Olshausen
Historisches Institut,
Abteilung Alte Geschichte
Telefon: 0711 / 685-83439
e-mail: eckart.olshausen@po.hi.uni-stuttgart.de
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