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Materialprüfungsanstalt der Uni berät bei der Reinigung
von Baudenkmälern >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Glaspuder für Marmorlöwen, Dampf für die Präsidenten
Die Materialprüfungsanstalt (MPA) der Uni bringt man gemeinhin
mit berstenden Rohren und gesprengten Schweißnähten
in Verbindung. Doch die MPA-Mitarbeiter werden auch zu Rate gezogen,
wenn es um die Restaurierung von Baudenkmälern geht. Um die
oft sehr empfindlichen Gemäuer vom Staub der Geschichte zu
befreien, kommen zunehmend neuentwickelte Partikelstrahlverfahren
zum Einsatz. Gemeinsam mit der Firma Alfred Kärcher in Winnenden
führt die MPA umfangreiche, systematische Tests durch, die
zeigen, welche Partikel geeignet sind und wie sie dosiert werden
müssen.
Beprobungs-
und Testfeld in der Verbotenen
Stadt, Peking: Marmorlöwe
mit starken
Verschmutzungen. (Fotos: MPA/Kärcher) |
An Außenfassaden aus mineralischen, porösen Werkstoffen
wie zum Beispiel Naturstein oder Beton lagern sich Schmutz
und Immissionen nicht nur an der Oberfläche ab, sondern
werden auch (kapillar) in die Tiefe transportiert. Deshalb
liegen bei historischen Baudenkmälern, aber auch bei modernen
Fassaden häufig sehr tief hineinreichende Verschmutzungen
und Zerstörungen vor. Dazu kommen vielfach altersbedingte
Veränderungen der Bausubstanz. „Gerade bei Baudenkmälern
sind die Verschmutzung und Verwitterung häufig so weit
fortgeschritten, dass die wertvollen historischen Oberflächen
eigentlich nur mehr aus Zersetzungsprodukten bestehen“,
erklärt Dr. Gabriele Grassegger-Schön vom Referat
Bautenschutz und Denkmalschutz der MPA.
Bei der Reinigung solcher
Fassaden ist einerseits darauf zu achten, dass keine weiteren
Schäden ausgelöst werden, kein unnötiger Abtrag
von historischen oder wertvollen Flächen erfolgt und das
Material geschont wird, da die Oberflächen selbst die
wertvolle Information des Kunstwerks darstellen. Andererseits
müssen Verschmutzungen, die die Bausubstanz gefährden,
möglichst selektiv abgetragen werden. Um dieser Problematik
gerecht zu werden, setzt die MPA bei den Voruntersuchungen
eine Vielzahl an Messverfahren ein und gibt spezifische Empfehlungen,
wie die Verunreinigungen am besten zu behandeln sind. |
So untersuchten die Stuttgarter Wissenschaftler im Rahmen
der geplanten Restaurierung der „Verbotenen Stadt“ in
Peking über mehrere Jahre hinweg, wie die kunstvollen
Marmorlöwen, Tempelbalustraden und Blütenreliefs
von Jahrhunderte alten Verkrustungen befreit und künftig
vor der Verwitterung geschützt werden können. Hierzu
wurden die Schmutzkrusten unter anderem mit dem Rasterelektronenmikroskop
untersucht und chemisch analysiert. Für die Reinigung
empfahlen die Experten mikrofeines Glaspuder und restauratorische,
ergänzende Spezialreinigungen. Die Restaurierungsarbeiten
sollen im Anschluss an die Olympischen Spiele im Sommer anlaufen.
Streifenbildung durch schwarze Auflagerungsschichten
und Wasserablaufspuren:
Vigeland-Park, Olso. |
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Bei der Sanierung
des Vigeland-Parks in Oslo, dem Nationaldenkmal Norwegens, rätselten
die Restauratoren, woraus die hartnäckigen Schmutzstreifen
auf den monumentalen Figuren des Bildhauers Gustav Vigeland bestehen.
Zudem bestand die Sorge, dass eine Partikelstrahlreinigung die
wertvollen, polierten Granitflächen angreifen könnte.
Um diese Fragen zu untersuchen, setzten die Wissenschaftler Messmethoden
wie die Porosimetrie, ein Verfahren zur Bestimmung der Porengröße,
Rasterelektronen- sowie polarisationsoptische Mikroskope, chemische
Analysen sowie die Röntgenbeugung zu Bestimmung der Kristallstrukturen
ein - und konnten Entwarnung geben. „Der Granit ist von exzellenter
Qualität, die Verschmutzungen wurden durch organische Überzüge
aus Algen und Flechten verursacht, an denen Stäube hafteten“,
sagt Grassegger-Schön. Zum Abstrahlen empfahl sie ein feines,
trockenes Kalksteinmehl mit einer Korngröße von weniger
als 90 Mikrometern. „Diese Partikel rufen keinerlei Aufrauung
der wertvollen Flächen hervor und reiben nur die noch weicheren
Schmutzschichten ab.“
In Rumänien bestimmten die Stuttgarter
Wissenschaftler Proben an der denkmalgeschützten Lügenbrücke
in Sibiu/ Herrmannstadt, einer Gusseisenbrücke aus dem Jahre
1859, die der Sage nach einstürzen soll, sobald ein Lügner
sie betritt. Die Tuffsteinpfeiler des Bauwerks waren von weißen
Salzschleiern überzogen. Mit Hilfe eines Röntgenbeugungs-Diffraktogramms
wurden die Salze als sehr aggressive Ausblühungen identifiziert,
die das Gestein zerstören. Da sie jedoch leicht löslich
waren, konnte die Reinigung trotz des insgesamt desolaten Zustands
der Brücke gewagt werden: „Sie muss jedoch mit größter
Behutsamkeit und sehr feinen Partikeln, sehr weichem Granulat und
mit geringer Korngröße erfolgen“, riet Grassegger-Schön.
Röntgenbeugungs-Diffraktogramm
einer Salzprobe von der Lügenbrücke in Sibiu. (Grafik:
MPA)
Rost ist nicht Rost
Sogar den berühmten, in ein Gebirgsmassiv gemeißelten Porträts
der amerikanischer Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore
Roosevelt und Abraham Lincoln am Mount Rushmore in South Dakota (USA) sind die
Stuttgarter Experten schon „zu Leibe“ gerückt. Im Vorfeld der
Sanierung in schwindelnder Höhe untersuchten sie, ob es beim Reinigen des
viel besuchten Nationaldenkmals aufgrund von Gesteinsverwitterungen zu Problemen
kommen könnte und rieten zum sanften Dampfstrahlen mit heißem Wasser.
Zudem nahmen sie dunkle Eisenabscheidungen am Fels unter die Lupe, die von den
einst beim Bau verwendeten Seilzügen und Winden verursacht worden waren.
Dabei stellte sich heraus, dass der „Rost“ in Wirklichkeit aus harten,
kristallinen Eisenerzen besteht. Die Hoffnung, die braunen Flecken mit chemischen
Mitteln behutsam in eine weiße Schicht umzuwandeln, erfüllte sich
denn auch nicht: In so einem Fall hilft nur noch der rabiate Abtrag durch Mikrosandstrahlen,
und das bis auf den Untergrund der Eisenbeläge. Auch in Baden-Württemberg
sind die Prüfer der MPA an zahlreichen Baudenkmälern aktiv. Zu den
größten Projekten zählt die Stadtkirche in Schorndorf, deren
hochgotische Fassade so starke Verschwärzungen aufwies, dass man den einstigen
Farbton des Sandsteins nur noch erahnen konnte. Aus konservatorischen Gründen
sollten die Verschmutzungen jedoch nur soweit abgetragen werden, dass die Originaloberflächen
mit Rötelvorzeichnungen und alle Schadensbilder an den Originalbauteilen
für eine spätere Konservierung erhalten bleiben. Hier empfahlen die
Stuttgarter Wissenschaftler den Einsatz einer neuartigen Mikrodüse und gaben
detaillierte Empfehlungen, wie diese zu handhaben ist. amg |
Mit
Partikelstrahlen auf die Präsidentennase:
Mount Rushmore,
USA. |
KONTAKT
______________________________________________
Dr. Gabriele Grassegger-Schön
Materialprüfungsanstalt
Tel. 0711/685-62705
e-mail: gabriele.grassegger@mpa.uni-stuttgart.de
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