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Schlüsseltechnologie für Mobilfunk der vierten Generation >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Ein Gigabit pro Sekunde als Ziel
Mehrfach rein, mehrfach raus – auf diesen verkürzten
Nenner lassen sich MIMO- Verfahren (Multiple Input Multiple Output)
bringen. Als Mobilfunktechnologie der vierten Generation sollen
sie die Übertragungsleistung verbessern und mobilen Anwendungen
wie Video-Telefonie und Internet mit Handys, Smartphones und Notebooks
zum Durchbruch verhelfen. Mit theoretischen und simulationsgestützten
Untersuchungen trägt das Institut für Nachrichtenübertragung
(INÜ) der Universität Stuttgart maßgeblich zur
Erforschung dieser Systeme bei.
Testgelände
für die 4. Mobilfunkgeneration bei
den T-Labs der Deutschen
Telekom am
Ernst-Reuter-Platz in Berlin. |
Seit man mit dem Handy nicht nur telefonieren, sondern
auch im Internet surfen, Bilder verschicken oder Musik hören
kann, steht die Mobilfunkbranche immer wieder vor dem selben
Problem: Die Übertragungskapazität der gebräuchlichen
Mobilfunkstandards, messbar anhand der so genannten Bitrate,
ist zwar für die Sprachübertragung mehr als ausreichend.
Für die immer aufwändigeren breitbandigen Multimedia-Anwendungen
dagegen stellte und stellt sie eine Grenze dar. Mit verschiedenen
technologischen Ansätzen wurde in den vergangenen Jahren
intensiv daran gearbeitet, die Bitraten auszuweiten. So bringt
es der Mobilfunkstandard der dritten Generation, UMTS (Universal
Mobile Telecommunications System), inzwischen auf eine Übertragungsrate
von zwei Megabits pro Sekunde und Funkzelle, mit Erweiterungen
sind bis zu sieben Megabits möglich. Doch für künftige
Anwendungen, beispielsweise in der Telemedizin mit ihren hohen
Anforderungen, reicht auch das nicht aus. Ferner erwartet der
private und geschäftliche Nutzer bei mobilen Internetanwendungen
künftig denselben Komfort wie am PC mit Festnetzanschluss.
Diesen
Durchbruch soll nun das MIMO-Verfahren bringen. Bereits seit
etwa zehn Jahren arbeitet man an dem Prinzip, das zunächst
recht einfach klingt: Um die Kanalkapazität zu erhöhen,
werden sowohl auf der Sender- als auch auf der Empfängerseite
mehrere benachbarte Antennen eingesetzt und mit geeigneten Übertragungsverfahren
kombiniert. Das Verfahren ist nicht nur im Mobilfunk einsetzbar,
sondern beispielsweise auch bei drahtlosen Hausnetzen (WLAN),
wo die Nutzer auf größere Entfernungen, bessere Übertragungsqualität
und höhere Bitraten hoffen dürfen. |
Von der Gleichung „Doppelte
Antennenzahl gleich doppelte Bitrate“ sind die Wissenschaftler
allerdings noch ein gutes Stück entfernt. Denn die zusätzlichen
Signale werden zur selben Zeit und im selben Frequenzbereich übertragen.
Dabei entstehen räumliche Überlappungen, die wiederum
die Kanalkapazität reduzieren. Eine der Forschungsaufgaben
besteht denn auch darin, die Bitströme getrennt zu codieren,
damit sich diese nicht gegenseitig beeinflussen können (Räumlicher
Multiplex).
MIMO-Verfahren können nicht nur die Übertragungskapazitäten
steigern, sie sind auch ein Weg, um die Störanfälligkeit
von Mobilfunkverbindungen zu reduzieren. „Sende- oder Empfangsdiversität
mit Raum-Zeit-Kodierung“ heißt der Ansatz, der darauf
basiert, dass sich bei MIMO-Verfahren mehrere Kanäle ausbilden.
Störfaktoren wie etwa ein Baum beeinträchtigen die Übertragungsgüte
in den einzelnen Kanälen unterschiedlich stark, schwache Signale
werden durch ein Signal aus einem anderen Kanal kompensiert. Bei
gleicher Übertragungsrate ist die Empfangsqualität dadurch
insgesamt besser.
Zielorientierte „Keulen“
Um die Sendeleistung
effektiverer zu nutzen, arbeiten die Wissenschaftler zudem daran,
das Strahlungsfeld gezielt zu formen. Bei diesem als „beamforming“ bezeichneten
Verfahren werden die Signale der einzelnen Antennenelemente über
einstellbare digitale Phasenschieber und Verstärkungsfaktoren
so kombiniert, dass eine bestimmte Richtwirkung entsteht. Das Ergebnis
sind adaptive intelligente Antennen, die ihre Strahlung nicht wie
bisher etwa kreisförmig abgeben, sondern als keulenförmige
Felder, die gezielt auf die Empfängerantenne gerichtet sind.
Dadurch kann die Sendeleistung reduziert werden, die in der Öffentlichkeit
viel diskutierte Strahlenbelastung sinkt.
Doch wie findet das Signalbündel einen Handynutzer,
der sich in einem ICE bei Tempo 200 durch die Lande bewegt? „Bei
diesem Problem lässt sich die lineare Algebra mit der
Matrizenrechnung in aller Schönheit anwenden“, schmunzelt
der Leiter des INÜ, Prof. Joachim Speidel, „da sind
dann wir gefragt.“ Das Institut untersucht die Leistungsfähigkeit
von MIMO-Systemen mit theoretischen und simulationsgestützten
Methoden. Zu den Schwerpunkten gehören die analytische
Berechnung von Bitfehlerwahrscheinlichkeiten, die Bestimmung
des Übertragungsverfahrens mit bestmöglicher Bitrate
oder deren Anpassung an den momentanen Zustand des Übertragungskanals.
Im Einzelnen befassen sich die Stuttgarter Wissenschaftler
beispielsweise mit Verfahren zur Kanalkodierung. Dabei werden
den Informationsbits weitere Schutzbits hinzugefügt, die gewährleisten
sollen, dass Bit-Fehler beim Durchlaufen des MIMO-Kanals reduziert
beziehungsweise repariert werden. Ein weiteres Augenmerk gilt
der Frage, wie die Empfangsantenne aus der Vielzahl an Signalen
die richtigen erkennen und zusammensetzen kann. Dies geschieht
mit Hilfe von stochastischen Verfahren. |
Drei
räumlich getrennte Nutzer in einem Netz werden von
einer „intelligenten
Antenne“ gezielt angesprochen.
(Foto und Grafik: Institut) |
Dank
der MIMO-Technologie sollen schon in wenigen Jahren Bitraten von
bis zu einem Gigabit pro Sekunde und Funkzelle möglich werden.
So jedenfalls lautet eines der Ziele des Verbundforschungsprojekts
EASY-C (Enablers for Ambient Services and Systems – Wide
Area Coverage), an dem mit Unterstützung des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung die Universitäten Paderborn
und Stuttgart, die TU Dresden, die Mobilfunkbetreiber T-Mobile
und Vodafone sowie weitere Industrie- und Forschungspartner beteiligt
sind. Unter anderem ist auch die Firma Alcatel-Lucent mit von der
Partie, die in Stuttgart eines der größten Forschungslabors,
die Bell Labs Germany, betreibt und mit der die Universität
Stuttgart seit vielen Jahren erfolgreich in der Forschung zusammen
arbeitet.
Die leistungsstarken MIMO-Verfahren gelten als Schlüsseltechnologie
für das kommende mobile Internet, um neue, breitbandige Dienste
im geschäftlichen und privaten Bereich zu ermöglichen,
so zum Beispiel Bild- und Videoinformationen, die dem Kunden genau
an den richtigen Ort gesendet werden, an dem er sie gerade benötigt.
Erste Prototypen sollen Ende nächsten Jahres in Testnetzen
in Berlin und Dresden zum Einsatz kommen. Von „Handys“ wird
man dann übrigens zunächst kaum reden können, denn
die ersten Endgeräte werden noch so groß sein, dass
sie eben mal in einem Einkaufswagen zu transportieren sind. Doch
die Mikroelektronik wird bald dafür sorgen, dass auch der
Mobilfunk der vierten Generation in die Jackentasche passt. amg
KONTAKT
_______________________________________
Prof. Joachim Speidel
Institut für Nachrichtenübertragung
Tel. 0711/685-68016
e-mail: joachim.speidel@inue.uni-stuttgart.de
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