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Belastungs- und leistungsbezogene Mittelvergabe wird eingeführt >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Mehr Transparenz beim Geld
Wer viele Studierende unterrichtet oder kräftig
Drittmittel einwirbt, kann bald mit mehr Geld rechnen: Nach
langer Diskussion wurde im Juli im Universitätsrat die
so genannte „belastungs- und leistungsbezogene Verteilung
der Sach- und Hilfskraftmittel“, kurz LOM, beschlossen,
die derzeit Zug um Zug umgesetzt wird. Der unikurier erläutert
die Ziele und Zuweisungskriterien des Modells und will zeigen,
wie es wirkt. |
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Begründet ist die so genannte indikatorgesteuerte
Mittelverteilung in Paragraph 20 des Landeshochschulgesetzes.
Nach dieser Regelung hat der Universitätsrat auf Vorschlag
des Rektors „über Grundsätze für die Ausstattung
und für den wirtschaftlichen und aufgabengerechten Einsatz
der Mittel in Forschung und Lehre nach leistungs- und belastungsorientierten
Kriterien“ zu beschließen. Gesucht wurde ein Verteilungsmodell,
das Schluss macht mit „historisch“ gewachsenen
Budgets, die sich im Wesentlichen an den Rahmenbedingungen
zum Zeitpunkt der Berufung eines Professors orientieren. An
ihre Stelle soll ein nachvollziehbarer Verteilungsschlüssel
treten, der sich an den aktuellen Belastungen und Leistungen
der Fakultäten orientiert und dabei neben der Forschung
auch ausdrücklich die Aktivitäten in der Lehre honoriert.
Das Verfahren soll Transparenz schaffen, die Belastungen berücksichtigen,
zu Leistung motivieren und die Fakultätsautonomie stärken. |
Der Senatsausschuss für Wirtschafts- und Verwaltungsangelegenheiten
hat es sich nicht leicht gemacht und die Kriterien und Kennzahlen,
nach denen die Mittelvergabe künftig erfolgen soll, in diversen
Sitzungen beraten. Vor dem Zücken des Taschenrechners stand
allerdings die Erkenntnis, dass längst nicht alle Leistungen
und Belastungen in Forschung und Lehre so ohne Weiteres quantifizierbar
sind. „Deshalb werden nur 15 Prozent der Sach- und Hilfskraftmittel
mittels Leistungs- und Belastungsindikatoren vergeben“, erklärt
Dr. Klaus Kleinmann, Stabsmitarbeiter des Rektors, der die Verhandlungsergebnisse
schließlich in ein Modell gegossen hat. Für das Jahr
2008 geht es dabei um 1,4 Millionen Euro – bei einem Gesamthaushalt
von über 300 Millionen.
Knapp die Hälfte des zu verteilenden
Betrags wird nach Indikatoren der Lehre vergeben. Hierfür
wird neben der absoluten Zahl der Studierenden und Absolventen
auch die relative Auslastung einer Fakultät herangezogen.
Um dem unterschiedlichen Aufwand für die Ausstattung eines
Studienplatzes in den verschiedenen Fächergruppen Rechnung
zu tragen, werden die Studierenden- und Absolventenzahlen mit einem
Faktor gewichtet, der zwischen 1,0 für die „günstigen“ Plätze
in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und 2,7 für
die „teuren“ Plätze in den Naturwissenschaften
variiert. Lehrverflechtungen werden in der Weise berücksichtigt,
dass die Studierendenzahlen in den Vorlesungen der Empfängerfakultät
der exportierenden Fakultät zugerechnet werden.
Volle
Hörsäle sind bares Geld wert:
Knapp die Hälfte
des LOM- Betrags wird
nach Indikatoren der Lehre vergeben.
(Foto: Eppler) |
Weitere 39 Prozent des Geldes werden nach Kriterien der
Forschung verteilt. Maßgeblich ist hierbei zum einen die Höhe
der Drittmittel, wobei öffentliche Drittmittel um ein
Dreifaches höher gewichtet werden als private. Dies soll
unter anderem dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die Geistes-
und Sozialwissenschaften beim Einwerben privater Drittmittel
ungleich schwerer tun als beispielsweise die Kollegen aus dem
Maschinenbau. Ein weiteres Kriterium ist ein Quotient, der
sich aus den Drittmitteln eines einzelnen Professors im Verhältnis
zu den durchschnittlichen Einwerbungen der Fachkollegen deutschlandweit
errechnet. Last but not least fließen die Publikationen
in die Vergabekriterien ein. Da diese schwer zu erfassen sind – ein
Fachbereich profiliert sich durch Veröffentlichungen in
Wissenschaftszeitschriften, ein anderer heimst eher Preise
ein – , wird dieser Teil des Geldes in einem ersten Schritt
proportional zur Zahl der W3-Professoren in einer Fakultät
vergeben. Im zweiten Schritt können dann die Fakultäten
entscheiden, wie sie das Geld auf die leistungsfähigsten
Köpfe verteilen. Weitere vier Prozent der Mittel fließen
in die Gleichstellung, neun Prozent sollen der Nachwuchsförderung
zu Gute kommen. Da sich hinter letzterem vorrangig die Doktorandenförderung
verbirgt, werden auch diese Mittel letztendlich indirekt zumindest
teilweise nach Kriterien der Forschung zugeleitet.
Rechnet man
den Kriterienkatalog für die einzelnen Fakultäten durch,
so stehen auf der „Gewinnerseite“ vereinfacht gesagt
all jene Fachbereiche, die viele Studierende unterrichten und hohe
Absolventenzahlen vorweisen können beziehungsweise viele Drittmittel
einwerben. Insgesamt sind dies sechs von zehn Fakultäten,
allen voran die Luft- und Raumfahrt und Geodäsie mit einem
Plus von 62.000 Euro sowie die Fakultät 7, die 47.000 Euro
mehr bekommt. Mehreinnahmen von jeweils 20.000 Euro können
die Fakultäten 1 und 9 verbuchen. Dem entgegen stehen Mindereinnahmen
in Höhe von 52.000 Euro beziehungsweise 65.000 Euro in den
Fakultäten Mathematik und Physik sowie Chemie. |
Verteilungsschlüssel
bei der belastungs-
und leistungsbezogenen Verteilung der
Sach- und Hilfskraftmittel.
(Grafik: Kleinmann) |
Diskussion
in den Fakultäten
Dass die Reform nicht nur Anhänger
findet, liegt denn auch auf der Hand. Diskutiert wird zum einen
die Berücksichtigung der Forschungsleistung, bei der vor allem
die Naturwissenschaften den Faktor „Publikationen“ stärker
bewertet sehen möchten. Beispiel Physik: „In unserem
Fachbereich sind Drittmittel nicht das entscheidende Kriterium
für die Forschungsqualität“, erklärt der Prodekan
Physik, Prof. Jörg Wrachtrup. „Bedeutender ist ein international
gebräuchlicher Index, der sich nach der Zahl der Publikationen
und der Häufigkeit der Zitationen bemisst.“ Wichtige
Strukturentscheidungen an der Fakultät bis in Berufungsentscheidungen
hinein haben sich in den vergangenen Jahren an dieser Maxime ausgerichtet. „Es
geht um die Frage, in welche Richtung sich eine Fakultät entwickeln
will.“ Um dauerhafte Nachteile zu vermeiden, mahnen die Wissenschaftler
mehr Differenzierung an, die sich an der Reputation im bundesweiten
und internationalen Vergleich orientiert. Dass dies in einem belastungsorientierten
Modell nicht so leicht umsetzbar ist, räumt auch Wrachtrup
ein. „Lieber wäre uns deshalb ein Bonussystem, das sehr
gute Forschung auszeichnet.“
In der Chemie stellt man die
grundsätzliche Frage, was passieren würde, wenn alle
Mittel zu hundert Prozent nach Leistung vergeben würden. Geplant
ist dies allerdings nicht. „Die Fakultät Chemie hält
dieses Modell für falsch“, betont der frühere Dekan,
Prof. Helmut Bertagnolli. „Bei konsequenter Anwendung der
LOM müssten der Chemie circa die Hälfte der Mittel genügen,
um die derzeitige Lehr- und Forschungsleistung zu erbringen. Eine
Kürzung derartigen Ausmaßes wäre für die Fakultät
nicht verkraftbar und steht im offensichtlichen Widerspruch zur
Realität. Und wie verträgt sich die Kürzung mit
der Tatsache, dass die Chemie beim Rating des Wissenschaftsrates
als beste von allen Landesuniversitäten abgeschnitten hat?" Zudem,
so Bertagnolli, dürfen die Mittel nicht nach der vergangenen
Lehr- und Forschungsleistung verteilt werden. „Ein Modell
muss im Wesentlichen die gegenwärtigen und zukünftigen
Belastungen berücksichtigen."
Manch einem Studierenden
wiederum geht das Ganze nicht weit genug: „Wegen 15 Prozent
braucht man gar nicht erst anfangen“, meint deren Vertreter
Franz Bozsak. „Wir sind zwar nicht grundsätzlich gegen
die leistungs- und belastungsorientierte Mittelvergabe, hätten
uns aber gewünscht, dass bei der Lehre auch qualitative Kriterien
berücksichtigt werden“, sagt er und schlägt vor,
künftig das Hochschuldidaktische Zentrum in das Bewertungsprozedere
einzubinden.
Verfahren wird weiter verbessert
Im Rektorat sieht
man die Neuerung als einen ersten Schritt, der mehr Transparenz
schafft. „Das jetzt beschlossene Verfahren orientiert sich
an Indikatormodellen, wie sie an Exzellenzuniversitäten wie
Karlsruhe, Aachen oder München praktiziert werden“,
sagt Uni-Rektor Prof. Wolfram Ressel. „Wir werden es laufend
verbessern und anpassen. Allerdings darf man die LOM nicht isoliert
betrachten, sondern muss das Gesamtpaket im Auge behalten.“ Wie überall
im Land basiere die Mittelzuweisung auf einem Dreisäulenmodell,
das sich aus den Komponenten Grundfinanzierung, indikatorbezogene
Finanzierung und Zielvereinbarungen zur Feinabstimmung zusammensetzt.
Was die LOM nicht abbilden kann, ist in vielen Fällen in den
anderen Säulen enthalten. Geplant ist in diesem Zusammenhang
ein Forschungsfonds mit einem Volumen von zunächst 1,9 Millionen
Euro, aus dem gezielt strategische Initiativen im Bereich der Forschung – etwa
zur Vorbereitung von Sonderforschungsbereichen – gefördert
werden können.
Innerhalb der Fakultäten hat man inzwischen
diskutiert, wie das zugewiesene Geld intern weiterverteilt wird – und
dabei durchaus unterschiedliche Modelle entwickelt. So wird beispielsweise
in der Historisch-Philosophischen Fakultät die Forschungsleistung
stärker gewichtet, wofür Promotionen, Habilitationen,
evaluierte Drittmittel sowie besonders aufwändige Publikationsleistungen
wie etwa Monografien herangezogen werden. In der Chemie dagegen
werden die Sachmittel in Anlehnung an die Benotung im Rahmen des
erwähnten Ratings durch den Wissenschaftsrat zugewiesen. Bei
den Hilfskraftmitteln wird zugrunde gelegt, wie hoch die Aufwendungen
der einzelnen Institute für Hilfskräfte in Praktika sind.
Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Chemiestudium
besonders viele Praktika umfasst. amg
KONTAKT
____________________________________________
Dr. Klaus Kleinmann
Stabsstelle Leistungsbezogene Mittelverteilung
Tel. 0711/685-82300
e-mail: klaus.kleinmann@verwaltung.uni-stuttgart.de
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