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Technik- und Wirtschaftsethik im interkulturellen Vergleich >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Tao kontra Logos
Chinas rasanter Wandel ist ergebnisoffen, wird aber intensiv
philosophisch reflektiert und ethisch begleitet – so die Einsicht einer
internationalen Tagung, die das Institut für Philosophie der
Uni Stuttgart in Kooperation mit der Universität Dalian (China)
und dem Internationalen Zentrum für Kultur- und Technikforschung
im Juli zog. Im Mittelpunkt der vom BMBF und der Thyssen-Stiftung
geförderten Tagung stand der interkulturelle Vergleich des
Verhältnisses von Technik- und Wirtschaftsethik in China und
Deutschland.
Die Veranstalter hatten sich das Ziel gesetzt, das Bedingungsgefüge
technischen und wirtschaftlichen Handelns für beide Kulturen
zu reflektieren. Allgemeine Strukturen standen dabei gleichermaßen
im Vordergrund wie der Rekurs auf die eigenen Methoden des Denkens
und deren heuristische Eignung und Wertbindung. Außerdem
sollten aktuelle ethische Herausforderungen thematisiert werden.
Bei den Debatten konnten grundlegende geistige Haltungen erkannt werden. So trafen
bei der Betrachtung von Technikkonzeptionen europäische Rationalitätskonzepte
mit ihren Begriffen von Logos und System auf das chinesische Konzept des Tao
als naturverbundener Methode der Herstellung einer Harmonie. Die Unterschiedlichkeit
dieser Konzepte machte es vielfach notwendig, mit Analogien zu arbeiten.
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Aber nicht nur die Grundlagen,
auch die Problemlagen waren für beide Kulturen anders.
So ist für philosophische Wirtschaftsfragen in China
der Hintergrund des hochdynamischen Wandels bestimmend. Philosophische
Wirtschaftskonzeptionen wurden entsprechend im engen Zusammenhang
mit konkreten Methoden und Problemen des Wirtschaftens erörtert.
Betont wurde, dass ein eigener Weg gefunden werden müsse.
China müsse eine „sozialistische Marktwirtschaft“ erreichen,
die nicht im Kapitalismus mündet, sondern den Kapitalismus
als Element der Infrastrukturbildung einsetzt. Wichtige Ziele
sind die Effizienz der Wirtschaft, die Bewältigung von
Umweltproblemen, Verteilungsgerechtigkeit trotz Konkurrenz
und die Herstellung sozialer Gerechtigkeit unter Berücksichtigung
der Bürgerrechte. Die deutsche Seite betonte in diesem
Kontext die Notwendigkeit einer ausgebauten Wirtschaftsphilosophie,
die sich auch dem Problem der Nachhaltigkeit widmet. Andernfalls
könnten zu leicht Probleme des Neokapitalismus, die
für die deutsche Wirtschaft immer bestimmender werden,
auf die chinesische Wirtschaft übertragen werden.
Für die tiefere Klärung dieser Fragen sind letztlich
auch die den Kulturen zugrundeliegenden Menschenbilder und
Naturverhältnisse entscheidend. Bestimmend für das
chinesische Menschenbild ist dabei der Konfuzianismus als „Studium
der Lebensweisheit“, bei dem die Familie und – in
extenso – das Gemeinwesen im Mittelpunkt stehen. Im europäischen
Denken dagegen haben Menschenbilder oftmals theologische Wurzeln,
sind mit Erbsünde- und Mängelwesenkonzepten verbunden
und dienen einer Diversifizierung von Begriffen der Menschlichkeit,
die es in der Form im chinesischen Denken nicht gibt. Mit der
Einsicht in diese Differenz ließen sich unterschiedliche
Herangehensweisen für Techniktheorie und -kritik erklären.
So konnten auch Ansätze für Weiterentwicklungen besprochen
werden.
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Ethik-Debatten am Brezelbuffet: Prof. Hong, Technische
Universität Dalian und Christian Wadephul, Institut
für Philosophie.
(Foto:
Richter
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In der Diskussion zum Umgang des Menschen mit der Natur wurde
die Dualität zwischen Bio- und Anthropozentrismus zum zentralen
Thema. Dabei tendierte die chinesische Position zum Anthropozentrismus,
konfuzianistisch relativiert durch den Verweis auf die Einbindung
des Menschen zwischen „Himmel“ und „Erde“.
Die Natur hat aus dieser Sicht keinen Eigenwert, sondern nur mittelbaren
Wert als Gebrauchsgegenstand des Menschen. Das mindere allerdings
nicht die Wichtigkeit eines Umweltschutzes. Ganz anders die deutsche
Sicht: Ein anthropozentristisches Naturbild sei tendenziell technokratisch,
so die Kritik. Es verstelle den Blick auf das „Andere“ der
Natur.
Schließlich wurde die Rolle des Ingenieurs im Gefüge der technischen
Entwicklungen besprochen. Das chinesische Konzept einer „Ingenieurethik“ bereitete
dem westlichen Denken allerdings Schwierigkeiten. Diese Spezialethik umfasst
einerseits den Entwicklungsprozess unabhängig vom Ingenieur, ist dabei aber
trotzdem programmatisch von einer Technikethik zu unterscheiden – eine
Trennung, die in der deutschen Tradition nicht denkbar ist. Die chinesischen
Teilnehmer wiederum haben folgend die deutschen Vorstöße, Ingenieurethik
stärker an die Technikethik zu binden, als problematisch empfunden. Für
die Zukunft wurden daher für diesen Bereich konkrete Fallstudien angeregt,
die die unterschiedlichen Vorgehensweisen illustrieren können.
Sandro
Gaycken/amg
KONTAKT
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Prof. Christoph Hubig
Institut für Philosophie
Tel. 0711/685-82491
e-mail: christoph.hubig@philo.uni-stuttgart.de
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