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Interaktive Visualisierung >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Blickpunkte auf das Unsichtbare
Ein Auto, wie es auf der Straße nie zu sehen sein wird: Weder Lack noch
Sportfelgen bestimmen das Bild, sondern die Luftströmung um das Fahrzeug
herum. Farbverläufe von rot bis blau, geschwungene Bänder und Pfeile
bilden Dichte, Geschwindigkeit, Temperatur und Verwirbelungen ab und lassen
auf dem PC-Bildschirm eine Karosserie der anderen Art entstehen. Thomas Ertl
und sein Team forschen auf dem noch recht jungen Gebiet der Visualisierung.
Im Rahmen des Projekts „Interactive Visualization of Multi-Scale, Multi-Physics
Simulations“ wollen sie die Verfahren für die Visualisierung großer
Datenmengen weiter ausbauen, indem sie insbesondere moderne Grafikhardware
nutzen.
Zudem
entwickeln die Wissenschafter neue, effiziente Techniken, damit die gleichzeitige
Visualisierung mehrerer zusammenhängender Größen
wie etwa Druck, Temperatur, Strömungsgeschwindigkeit oder Dichte tatsächlich
dabei hilft, die simulierten Abläufe besser zu verstehen. Statt von „Multi-Scale“ und „Multi-Physics“ reden
die Forscher daher auch von „Multi-Field“. „Wenn wir von
Visualisierung reden, verstehen wir darunter, abstrakte, nicht gegenständliche
Daten abzubilden, die aus der Simulation gewonnen wurden“, erklärt
Prof. Thomas Ertl, der Direktor des Instituts für Visualisierung und Interaktive
Systeme (VIS) sowie des Visualisierungsinstituts der Universität Stuttgart
(VISUS). Indem die Wissenschaftler „das Unsichtbare sichtbar machen“,
ermöglichen sie einen intuitiven grafischen Zugang zu komplexen Datenbeständen
aus realen und virtuellen Welten. Dabei werden Abläufe bei der Proteinbiosynthese
ebenso sichtbar wie Strömungen in geologischen Formationen oder physikalische
Vorgänge in entfernten Galaxien.
Der Herausforderung, hoch aufgelöste Bilder interaktiv – mit mehr
als 20 Bildern pro Sekunde – darzustellen, begegnen die Forscher mittels
sogenannter GPU-Cluster. Die parallel geschalteten Grafikcomputer verfügen
dank moderner, programmierbarer Grafikchips (Graphics Processing Units, GPU) über
eine enorme Rechnerleistung, kombiniert mit einem großen Datenspeicher.
Ein entscheidender Punkt bei der Visualisierung dreidimensionaler Daten ist
die Interaktivität. So stehen die Informatiker etwa bei der Darstellung
der mittels eines Computer-Tomographen (CT) gewonnenen Volumendatensätze
eines Menschen vor dem Problem, dass es zu Verdeckungen kommt. Haut, Muskulatur,
Organe, das Skelett – den freien Blick auf ein Teil gibt es nicht. Daher
ist es wichtig, Blickpunkte interaktiv verschieben und Schicht um Schicht in
den Menschen hineinsehen zu können. Ebenso will man die Möglichkeit
haben, Ausschnitte zu wählen, „uninteressante“ Gebiete auszublenden
oder bestimmte Gewebe freizustellen. All dies muss in wenigen Millisekunden
berechnet werden.
Dass den Simulationen stets Mathematik zugrunde liegt, darf denn auch nie in
Vergessenheit geraten. So muss sich beispielsweise ein Neurochirurg stets darüber
im Klaren sein, dass die dreidimensionalen CT-Bilder, an denen er sich orientiert, „errechnete
Realitäten“ sind. Ab einer bestimmten Vergrößerung bilden
diese nicht mehr unbedingt die Wirklichkeit ab. „Eines unserer großen
Ziele ist es, diese Unsicherheiten darzustellen“, betont Ertl, „vielleicht
mittels Farbverläufen oder Semitransparenz.“
Schockwellen auf dem Bildschirm
Dichtefeld
einer Strömung um ein kugelförmiges Hindernis. Die Strömung
läuft von links nach rechts, wobei sich die Kugel am linken Bildrand
im Inneren der Sphären befindet. (Foto:
VIS) |
Auf dem PC-Bildschirm von Markus Üffinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter
am VISUS, breitet sich derweil eine farbige Schockfront aus. In einem rechteckigen
3D-Gitter hat der Diplominformatiker mittels unzähliger Rechenpunkte die
enorme Luftverdichtung „sichtbar gemacht“, zu der es beispielsweise
vor einem mit Überschall fliegenden Flugzeug kommt. Die Daten dazu stammen
aus einem neuartigen Simulationsverfahren, das am Institut für Aero- und
Gasdynamik in der Arbeitsgruppe von Prof. Dieter Munz entwickelt wird. Pro
Gitterzelle werden die Variablen bei diesem sogenannten Discontinuous-Galerkin-Ansatz
durch Polynome hoher Ordnung repräsentiert. Bislang gab es kein adäquates
Visualisierungsverfahren für diese Art von Simulation. Im Rahmen des SimTech-Projekts
hat Markus Üffinger nun jedoch ein Grafikprogramm entwickelt, mit dem
sich Visualisierungsparameter und Blickpunkte innerhalb kürzester Zeit ändern
lassen. „Wenn in wenigen Jahren Flugzeughersteller die neue Simulationsmethode
nutzen, um Flügelprofile zu optimieren, dann werden unsere interaktiven
Visualisierungsverfahren ihren Teil zum Erfolg beitragen“, sagt Thomas
Ertl. Julia
Alber
KONTAKT
_________________________________
Prof. Thomas Ertl
Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme
Tel. 0711/7816-331
e-mail: ertl@simtech.uni-stuttgart.de
>>>> http://www.simtech.uni-stuttgart.de
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