bild-mit-logo
unilogo Universität Stuttgart
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Uni-Kurier >>>> Forschen >>>>

 
 

Neuer Weg zu miniaturisierten Laboren >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Mikrochip als Flaschenschiff

Manchmal greifen Physiker zu Basteltricks: Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Metallforschung, der Universität Stuttgart und der Colorado School of Mines konstruierten Mikromaschinen mit einem ähnlichen Kniff wie Modellbauer „Buddelschiffe“. Wie diese die Masten und die Takelage des Seglers erst in der Flasche aufrichten, fügten die Wissenschaftler Ventile, eine Pumpe und das Rührwerk eines Mikrolabors erst in einer winzigen Apparatur auf einem Chip zusammen. Auf diese Weise können kostengünstige Miniaturlabore hergestellt werden.

Sperrige Glaskolben, Bunsenbrenner und Magnetrührer waren gestern. Vergleichbar mit der Mikroelektronik, wo Elektronen durch winzige Leiterbahnen gelenkt werden, sollen chemische Reaktionen künftig in mikrofluidischen Systemen, das heißt in Kammern und Kanälen von wenigen Mikrometern Durchmesser, ablaufen. Mit solchen „Labs on a Chip“ lassen sich DNA-Sequenzen oder Blutproben schneller und effizienter analysieren. Sie sind zudem kostengünstiger als herkömmliche Verfahren und aufgrund ihres geringen Platzbedarfs transportabel. So könnten etwa Rettungssanitäter Blutproben direkt am Unfallort untersuchen.   microchip_magnetfeld

Pumpen in Teamarbeit: In einem Magnetfeld lagern sich Mikrokugeln (orange) zu rautenförmigen Ventilen und einem Zahnrad zusammen.                                                     
(Grafik: Institut)

  Forscher um Clemens Bechinger vom 2. Physikalischen Institut der Uni und Fellow am Max-Planck-Institut für Metallforschung und David Marr (Colorado School of Mines, USA) haben jetzt einen neuen Weg eröffnet, um solche miniaturisierten Labore mit beweglichen Teilen auszustatten und die winzigen Apparaturen anzutreiben. Sie schleusen Kolloidteilchen - winzige Plastikkügelchen, die sich magnetisieren lassen – als Bauteile in die Kanäle und Hohlräume auf einen Chip. Da die Partikel Eisenoxid enthalten, lagern sie sich zusammen, wenn sie magnetisiert werden. Mit vier Spulen formen die Wissenschaftler das Magnetfeld so, dass sich die Mikropartikel buchstäblich ferngesteuert zu Rauten oder Zahnrädern gruppieren. Welche Form sie annehmen, hängt entscheidend von der jeweiligen Geometrie der Kanäle ab.
Diese bestimmt auch die Funktion der Aggregate: Eine Raute gibt durch Hin- und Herkippen jeweils eine Öffnung frei und wirkt somit als Ventil. Wirbelt sie dagegen durch eine Kammer mit zwei Zuflüssen, verrührt sie einströmende Flüssigkeiten. Auf diese Weise rollen die Stuttgarter Forscher auch ein Zahnrad durch einen Kanal mit einer gezackten Wand.

Das Rädchen, das den Kanal komplett verschließt, schiebt eine Flüssigkeit dabei mal in die eine und mal in die andere Richtung und arbeitet wie eine mit Ventilen kombinierte Pumpe.

Bisher werden Flüssigkeiten beispielsweise mit Hilfe pneumatischer Systeme durch Mikrokanäle gepumpt. Dies ist jedoch aufwändig und beschränkt die mögliche Anzahl von Bauteilen auf dem Chip. Mit dem neuen Verfahren lassen sich bis zu 5.000 Pumpen auf einem Quadratzentimeter unterbringen. Außerdem braucht man für pneumatische Pumpen elastische Materialien. „Die Herstellung geeigneter Chips ist jedoch sehr viel einfacher, wenn diese nur aus einem Material, möglichst aus Silizium, bestehen“, sagt Clemens Bechinger. Da sich auch die elektrischen Steuerkomponenten wie etwa Minispulen auf Siliziumbasis herstellen lassen, wäre es ideal, auch die Mikrokanäle aus diesem Material zu produzieren. „Damit ließen sich alle Komponenten auf einem einzigen Chip integrieren, wie wir dies auch aus der Mikroelektronik kennen.“                                                             uk

 

Über die Forschungsarbeiten berichtete die Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS): Tobias Sawetzki, Sabri Rahmouni, Clemens Bechinger, David W.M. Marr : In-Situ Assembly of Linked Geometrically-Coupled Microdevices, PNAS vom 5. Dezember 2008;

http://www.pnas.org/content/early/2008/12/12/0808808105.full.html
http://www.pnas.org/content/early/2008/12/12/0808808105.full.pdf

 

KONTAKT
_________________________________

Prof. Clemens Bechinger
2. Physikalisches Institut
Tel. 0711/685-65218
e-mail: c.bechinger@physik.uni-stuttgart.de