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Deutsch-niederländische DFG-Forschungsgruppe>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Gegensätzliche Förderkulturen
Wie kann man durch einen so genannten Skalentransfer vom Verhalten eines
Körpers
oder Fluids im kleinen Maßstab auf sein Verhalten im großen Maßstab
schließen? Diese Frage erforschen deutsche und niederländische Wissenschaftler
im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten
Forschergruppe 509 („Multiscale Methods in Computational Mechanics“).
Die grenzüberschreitende Kooperation ist eine der ersten internationalen
Forschergruppen der DFG – und sie lenkt den Blick auf nationale Eigenheiten
in der Forschungsförderung.
„Die Idee zu diesem Projekt geht zurück auf einen langjährigen
wissenschaftlichen Austausch mit dem niederländischen Wissenschaftler Prof.
René de Borst von der TU Delft. Wir haben beispielsweise seit über
20 Jahren gegenseitig an Promotionsverfahren mitgewirkt“, erklärt
Prof. Ekkehard Ramm, ehemaliger Leiter des Instituts für Baustatik der Universität
Stuttgart, das er von 1983 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2006 geleitet hat.
2003 hat er die internationale DFG-Gruppe gemeinsam mit seinem niederländischen
Kollegen, der kürzlich an die TU Eindhoven berufen wurde, ins Leben gerufen.
Inhaltlich befassen sich die Wissenschaftler mit der Simulation des physikalischen
Verhaltens von Festkörpern und Strömungen in einem höchst aktuellen
und spannenden Forschungsfeld, nämlich der Mehrskalenmodellierung.
Rissbildung eines faser-verstärkten Composites,
dargestellt sind die horizontalen Spannungen.
(Grafik: de Borst/ Suiker)
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„Im Grunde zoomen wir in ein System hinein, um dann die auf einer kleinen
Skala gewonnenen Erkenntnisse zu homogenisieren und auf die Makroskala zu übertragen.
Die heutigen Rechenverfahren machen Simulationen für das mechanische Verhalten
möglich, die früher nicht denkbar waren“, erklärt Ramm.
Die Projekte der Forschergruppe behandeln Fragestellungen zur Schädigung
von Composite-Materialien, zur Modellierung der Turbulenz bei Strömungs-Struktur-Wechselwirkungen,
zur Optimierung von tragenden Bauteilen auf verschiedenen Ebenen und zum Verhalten
poröser Medien. So geht es beispielsweise um die Auswirkung von Rissbildungen
auf das makroskopische Versagen von neuartigen Werkstoffen im Flugzeugbau oder
der Simulation des Schwellvorgangs von Bandscheiben, also durchaus um Probleme
mit großem Anwendungspotential.
Beteiligt sind an dem Projekt neben der Universität Stuttgart die TU Delft,
die TU Eindhoven sowie die TU München. In Stuttgart sind es neben Ramm Prof.
Wolfgang Ehlers, Prof. Christian Miehe sowie Dr. Bernd Markert vom Institut für
Mechanik (Bauwesen). Die Forschergruppe ist unterteilt in vier Themenfelder,
von denen jedes in einem „Zwillingsprojekt“ jeweils in Deutschland
und in den Niederlanden bearbeitet wird.
Während das Projekt auf deutscher Seite von der DFG gefördert wird,
kommen die Fördergelder in den Niederlanden von der Nederlandse Organisatie
voor Wetenschappelijk Onderzoek (NWO) und ihrer Partnerorganisation, der Technologiestiftung
STW. Die jeweiligen Institutionen fördern somit nur im eigenen Land. „Wir
haben bei der Beantragung der Fördergelder festgestellt, dass es bei den
Förderkulturen von Deutschland und den Niederlanden große Unterschiede
gibt. Die DFG fördert in erster Linie grundlagenorientierte Forschung, während
unsere niederländischen Kollegen sehr stark den Anwendungsbezug der Projekte
herausstellen mussten“, meint Ekkehard Ramm. Auch bei der Antragstellung
schimmerten nationale Besonderheiten durch: Sind in Deutschland umfangreiche
Förderanträge gang und gäbe, so reichte in den Niederlanden zur
Beurteilung des Forschungsvorhabens eine knappe Projektskizze. Zur Begutachtung
selbst wurden in Deutschland, wie bei der DFG üblich, Wissenschaftler eingeladen,
während von der niederländischen Seite großer Wert auf die Beteiligung
von Gutachtern aus der Praxis, beispielsweise von Airbus, gelegt wurde. Diese
Unterschiede hätten sich aber nicht als problematisch für das Gemeinschaftsprojekt
herausgestellt. „Die gegenseitige Befruchtung hat sich im Gegenteil außerordentlich
positiv ausgewirkt“, so Ramm.
Abschlusskolloquium auf symbolträchtigem Boden
Wissenschaftlicher Austausch auf dem deutsch-niederländischen
Grenzstreifen: Die Forschergruppe bei einem Treffen im Kloster Rolduc.
Vorne links: Prof. Ekkehard Ramm. (Foto:
Institut) |
Eine der besten Erfahrungen geht auf die gemeinsamen Workshops
zurück, die halbjährlich wechselnd in den beiden Ländern
stattfanden. Hier haben vorwiegend Doktoranden vorgetragen, so dass der
wissenschaftliche Austausch nicht nur zwischen den Projektleitern, sondern
auch zwischen den Mitarbeitern stattgefunden hat. „Bei diesen Veranstaltungen
haben alle Beteiligten viel dazugelernt“, erklärt Ramm. Auch
der Aufenthalt von Doktoranden an dem jeweiligen Partnerinstitut im anderen
Land habe sich sehr positiv ausgewirkt. Dabei gab es im Ausland nicht nur
die Gelegenheit, fachliche Erfahrungen zu sammeln, sondern auch Einblick
in die Arbeitsweise der dortigen Kollegen zu bekommen. „Hier kann
man nur empfehlen, den internationalen Austausch der jungen Wissenschaftler,
beispielsweise über gemeinsame Graduiertenkollegs, weiter zu intensivieren.
Die Forschung wird in Zukunft stark von einem solchen Wechselspiel profitieren“,
ergänzt Ekkehard Ramm. |
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Nach über fünfjähriger Förderung veranstaltete die Forschergruppe
zum Abschluss im März ein hochkarätig besetztes internationales Kolloquium.
Der Tagungsort hat Symbolcharakter: Das 900 Jahre alte Kloster Rolduc nördlich
von Aachen liegt auf niederländischer Seite unmittelbar an der deutschen
Grenze. Neben den acht Beiträgen aus der Gruppe gab es fünf Plenarvorträge
aus den USA, Dänemark, Italien, Österreich und Deutschland, ergänzt
durch zahlreiche eingeladene Vorträge zur Mehrskalenthematik von Festkörpern
und Fluiden.
Johannes Baral/amg
KONTAKT
_________________________________
Prof. Ekkehard Ramm
Institut für Baustatik und Dynamik
Tel. 0711/685-66124
e-mail: ramm@ibb.uni-stuttgart.de
>>>> http://www.ibb.uni-stuttgart.de
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