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Artemis Alexiadou geht Doppeldeutigem in der Sprache nach >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Wie Menschen sich verstehen – und der Computer den Menschen…
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Als Sprecherin des Sonderforschungsbereichs
Inkrementelle Spezifikation im Kontext untersucht Prof. Artemis
Alexiadou, wie so genannte Ambiguitäten (Doppeldeutigkeiten)
in der Sprache entschlüsselt werden. Das Fachgebiet
der Leiterin der Abteilung Anglistik des Instituts für
Linguistik der Uni Stuttgart ist die Theoretische Linguistik. (Fotos:
Eppler) |
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Geboren in Griechenland, ausgebildet in Großbritannien,
wissenschaftliche Karriere in den USA und in Deutschland: Die Biographie
von Prof. Artemis Alexiadou ist fast schon Programm für ihr
Forschungsgebiet. Die Leiterin der Abteilung Anglistik des Instituts
für Linguistik befasst sich mit der Syntax des Englischen,
den Schnittstellen zwischen Syntax und Morphologie sowie mit Fragen
der Sprachentwicklung und der Zweisprachigkeit. Seit 2006 ist sie
Sprecherin des Sonderforschungsbereichs (SFB) 732 mit dem Titel „Inkrementelle
Spezifikation im Kontext“.
Wer Artemis Alexiadou das erste Mal sieht, ist versucht, sie mit
einer ihrer Studentinnen zu verwechseln. Doch die zierliche Professorin,
die im Februar ihren 40. Geburtstag gefeiert hat, ist als Sprecherin
des Sonderforschungsbereichs Chefin von fast 90 Wissenschaftlern
verschiedenster Nationalitäten und Disziplinen. Gemeinsam
untersuchen sie, wie so genannte Ambiguitäten (Doppeldeutigkeiten)
in der Sprache entschlüsselt werden. „Wörter wie
Absperrrung, Lieferung oder Messung beschreiben ein Absperr-, Liefer-
oder Mess-Ereignis oder referieren auf einen Zaun, eine Ware und
einen Wert. Was tatsächlich gemeint ist, lässt sich nur
aus dem Zusammenhang erschließen“, erläutert die
Expertin für Theoretische Linguistik. Die große Frage
ist nun, wie sich die Menschen trotzdem verstehen. Um dies zu ergründen,
untersuchen die Wissenschaftler im SFB die verschiedensten Ebenen
von Sprache: Phonetik und Syntax, Morphologie und Semantik, aber
auch computerlinguistische Aspekte. Relativ schnell bestätigte
sich eine der Haupthypothesen der Forscher. „Viele Ausdrücke
erklären sich aus einem sehr lokalen Kontext“, berichtet
Alexiadou, „meist genügt es, bis zur Satzgrenze schauen.“ Und
auch eine zweite Erkenntnis steht inzwischen fest: Obwohl die Unterschiede
zwischen den einzelnen Sprachen und Sprachfamilien wie etwa dem
Mongolischen, Usbekischen oder den skandinavischen Sprachen groß sind,
funktioniert die Auflösung von Doppeldeutigkeiten recht ähnlich. „Aus
dem Vergleich der Deutungsmuster lässt sich ein System herausfiltern,
das universal ist.“
Solche Gesetzesmäßigkeiten erfreuen auch die Computerlinguisten.
Während nämlich der Mensch Doppeldeutigkeiten quasi nebenher
auflöst, stellen solche Begriffe ein Sprachprogramm vor schier
unlösbare Probleme. In den Konstruktionen ‚to fire a
manager’ (einen Manager feuern) oder ‚to fire a rocket’ (eine
Rakete zünden) zum Beispiel ist das Wort ‚fire’ identisch.
Die unterschiedliche Bedeutung der Konstruktionen kommt aus dem
Nomen. „Wir entwickeln im SFB Methoden und Algorithmen, die
in der Lage sind, die Grundbedeutung und die häufigste Verwendung
eines Wortes herauszufiltern“, erklärt Alexiadou. „Wenn
man diese statistisch vorhersagen kann, ist es möglich, die
entsprechenden Grammatiken zu definieren.“
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„Wurzel-Workshops“ in den USA
Der SFB strahlt jedoch nicht nur in verschiedene Disziplinen hinein, sondern
auch über die Grenzen der Uni hinaus. So fanden in Los Angeles
und Stuttgart internationale „Wurzel-Workshops“ statt,
in denen die Wissenschaftler die kleinsten Teile eines Wortes unter
die Lupe nahmen und fragten, was man für die Wortbildung braucht
oder wie es zu idiomatischen Verwendungen kommt. Auch hier kommen Doppeldeutigkeiten
ins Spiel. Das englisch Wort „naturalize“ zum Beispiel
hat die Bedeutungen „natürlich machen“ und „Staatsbürger
werden, indem man in dem betreffenden Land lebt“. Die zweite
Bedeutung ist idiomatisch.
Doppelsinniges ist jedoch nicht das einzige Forschungsfeld von Artemis
Alexiadou. Die Wissenschaftlerin, die selbst vier Sprachen spricht, interessiert
sich auch für Sprachvermischungen – und ist dann ganz nahe dran
an der eigenen Biographie: „Wenn ich zu Hause bei meiner Familie
bin, trage ich Strukturen aus dem Deutschen und Englischen in das Griechische
hinein“, erzählt sie lachend und ist dann doch gleich wieder
Forscherin: „Fast alle bilingualen Menschen entwickeln eine Hauptsprache
und Hilfselemente. Unklar ist jedoch, ob es dabei eine Hauptgrammatik gibt,
in die fehlende Worte aus einer anderen Sprache eingesetzt werden oder
ob Zweisprachler eine eigene bilinguale Grammatik entwickeln.“ |
„Wenn man die Grundbedeutung eines Wortes
statistisch vorhersagen kann, lassen sich entsprechende Grammatiken definieren.“ |
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Weil es Artemis Alexiadou wichtig ist, Forschung und Lehre
zu verbinden, gehen nun ihre Studierenden dieser Frage nach: Im Rahmen
eines Seminars beobachteten einige von ihnen den Nachmittagsunterricht
in einer griechischen Schule. Sie konnten feststellen, dass Kinder sehr
oft die deutschen Wörter wortwörtlich ins Griechische übersetzen
beziehungsweise die griechische Morphologie an deutsche Wörtern
anhängen oder Konstruktionen verwenden, die eine Mischung aus beiden
Sprachen sind. Diese Erkenntnisse geben nicht nur Impulse für angehende
Lehrer, sondern auch für künftige Forschungsprojekte.
Auch für das Verständnis von Sprachverlusten, zum Beispiel nach
einem Schlaganfall oder in Folge der Parkinson-Krankheit, liefert das Phänomen
der Zweisprachigkeit interessante Beiträge. Diese Zusammenhänge
untersucht Artemis Alexiadou in Zusammenarbeit mit griechischen Kliniken
und der Universität Thessaloniki. Bei einer Schädigung der für
die Sprachbildung zuständigen Gehirnregion (Broca-Region) beispielsweise
zeigte sich, dass bei bilingualen Menschen die Ausfälle in beiden
Sprachen unterschiedlich stark ausgeprägt sind - und zwar unabhängig
davon, welche Sprache der Patient vor der Krankheit besser beherrscht hat.
Offensichtlich bleibt von der Sprache mehr übrig, die besonders reich
an Flexionen (Beugungen) ist, vermutet Alexiadou. „Sind die Zusammenhänge
einmal erforscht, lassen sich daraus gezielte Übungen für Sprachtherapeuten
ableiten.“
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Sprachvermischungen und Sprachverluste sind ein weiteres Forschungsfeld
von Prof. Alexiadou. |
Angesichts dieser vielfältigen Wirkungsbereiche ihres Faches ist es Artemis
Alexiadou um die viel diskutierte Zukunft der Geisteswissenschaften nicht bange. „Die
Linguistik kann sich an der Uni Stuttgart in vielen Bereichen positionieren,
so zum Beispiel auf dem Forschungsfeld ‚komplexe Systeme und Kommunikation’ oder
eben mit Grundlagenforschung, die in die Computerlinguistik einfließt.“ Deshalb
sei es zu kurz gesprungen, die Diskussion auf die Lehrerausbildung zu reduzieren: „Letztendlich
müssen die Geisteswissenschaften ihre ureigene Identität zeigen.“ amg
KONTAKT
_________________________________
Prof. Artemis Alexiadou
Institut für Linguistik: Anglistik
Tel. 0711/685-83121
e-mail: artemis@ifla.uni-stuttgart.de
Artemis
Alexiadou >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Menschen an der Universität
Artemis Alexiadou wurde am 13. Februar 1969 in Volos/Griechenland
geboren. Nach dem Studium an der Universität in Athen
und in Reading, Großbritannien, promovierte sie im Jahr
1994 an der Universität Potsdam und habilitierte sich
dort 1999 mit einer Arbeit auf dem Gebiet der Theoretischen
Linguistik. Nach Forschungsaufenthalten am Massachusetts Institute
for Technology und an der Princeton University kam sie 2001
im Rahmen einer Vertretungsregelung an die Universität
Stuttgart und leitet hier seit November 2002 den Bereich Anglistik
des Instituts für Linguistik.
An Stuttgart gedacht hat die weitgereiste Linguistin ursprünglich
zwar nie, aber sie fühlte sich spontan wohl an der Uni. „Der
Draht zu den Kollegen war von Anfang an sehr gut, außerdem
gibt es hier sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund,
das schafft ein offenes Klima“, sagt die Griechin, die
seit drei Jahren auch einen deutschen Pass hat. In ihrer Freizeit
liest Artemis Alexiadou gerne historische Romane und Agentengeschichten,
macht Sport und geht ins Kino. Außerdem steht sie auf
Fußball – dann aber doch auf den FC Liverpool…. amg |
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