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Materialwissenschaft als Nutznießer der Evolutionsforschung >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Organismen erzeugen Oxidkeramiken
Beim Stichwort Darwin denkt man meist an Finken oder gebeugte Primaten.
Die im Darwinjahr neu geweckte Faszination an der Evolution lenkt den Blick
aber auch auf eine evolutiv entstandene Biodiversität, die bei bestimmten
Organismen außerordentlich leistungsfähige Strukturen hervorgebracht
hat. Wissenschaftler aus fünf Instituten der Uni untersuchen die Bauprinzipien
dieser Strukturen, um auf biologischem Werge Oxidkeramiken zu erzeugen. Das
Zusammenwirken von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, Bioinformatik und
ingenieurwissenschaftlicher Methodik ermöglicht kreative Lösungsansätze.
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Oxidkeramiken wie Zinkoxid oder Titandioxid
können in Solar- und Brennstoffzellen oder als extrem kratzfeste
Beschichtungen eingesetzt werden. Die Herstellung dieser Funktionswerkstoffe
ist allerdings bisher nur mit erheblichem verfahrenstechnischen Aufwand
sowie unter erhöhten Prozesstemperaturen und/oder hohem Druck möglich.
Dies ist teuer und zudem begrenzen technische Einschränkungen die
Einsatzmöglichkeiten. So können beispielsweise temperaturempfindliche
Materialien wie Kunststoffe kaum integriert werden. Die Bildung komplexer
Strukturen ist erschwert oder gar unmöglich.
Die Projektpartner nutzen die Prinzipien der Natur, nach denen ni.htmletallische
anorganische Materialien unter Umgebungsbedingungen durch Biomineralisation gebildet
werden. Organismen produzieren eine bioorganische Schablone, die als Templat
die Bildung eines anorganischen Minerals (zum Beispiel Calciumcarbonat) aus einem
wässrigen Medium steuert. Die Natur liefert jedoch nur Minerale, die technisch
kaum nutzbar sind. |
Tabakmosaikviren bestehen aus vielen identischen
Proteinbausteinen, die eine Ribonukleinsäurehelix umschließen
(links). Virusähnliche
Partikel, deren Proteine mit Bindestellen für Keramik-Nukleationskeime
ausgestattet wurden (rechts), sollen als Bestandteil neuartiger Hybridmaterialien
deren mechanische Eigenschaften beeinflussen. (Grafik: Institut) |
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Die Forscher der Fachrichtungen Zoologie, Molekularbiologie und Virologie,
Materialwissenschaft, Technische Biochemie sowie Materialprüfung, Werkstoffkunde
und Festigkeitslehre wollen nun von lebenden Organismen technisch interessante
Oxidkeramiken sowie organisch/anorganische Hybride (Werkstoffverbünde)
herstellen lassen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert das Projekt
mit insgesamt 1,5 Millionen Euro.
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Die Wissenschaftler untersuchen zunächst
die Eignung ein- und mehrzelliger Organismen zur Erzeugung der Oxidkeramiken.
Anschließend isolieren sie die für die Biomineralisation relevanten
Proteine, um die zugehörigen Gene zu klonieren - gewissermaßen
wie im Werkzeugkasten der Natur. Als Versuchsorganismen dienen Bakterien,
Ciliaten, Algen sowie Seeigel und ihre Larven. Ergänzend soll versucht
werden, interessante Elemente wie Zink oder Titan in die bearbeiteten
Strukturen einzubauen und zu schauen, wie sich der veränderte Aufbau
auf die Festigkeit auswirkt. Als nanoskaliges Formelement (Templat) wird
dabei auch das Tabakmosaikvirus eingesetzt. Hierbei soll untersucht werden,
welche Potentiale molekulargenetisch veränderte Proteine auf Tabakmosaikviren
für die Strukturierung von anorganischen Schichten haben. Im Blickpunkt
steht dabei insbesondere die Frage, inwiefern sich Veränderungen
der Geometrie im nanoskalischen Bereich auf die skalenübergreifenden
Materialcharakteristiken auswirken. Schließlich modellieren und
simulieren die Forscher die Wechselwirkungen von Peptiden beziehungsweise
Proteinen mit oxidkeramischen Oberflächen. Dabei werden die Sequenzen
der in vivo und in vitro gewonnen Daten systematisch mit evolutiv verwandten
Proteinen in Datenbanken verglichen. Ziel ist es, die Strukturen zu modellieren
und auf diesem Wege zu optimieren, um vorhersagen zu können, welche
Eigenschaften wie Form oder Ladungsverteilung sich aus einem bestimmten
Proteinmodell ergeben.
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Seeigellarve: Durch die Gabe von mit Zink angereicherten Futterorganismen
sollen Fremd-Ionen in das Skelett eingelagert und auf diese Weise Oxidkeramiken
erzeugt werden. (Foto:Institut) |
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Last but not least analysieren die Wissenschaftler das mechanische Verhalten
der erzeugten Oxidkeramiken und Werkstoffverbünde. So sollen die Strukturprinzipien
von Biomineralien auf Funktionswerkstoffe übertragen werden, um beispielsweise
deren mechanische Beständigkeit zu erhöhen. Hierzu simuliert eine
Arbeitsgruppe die ermittelten mechanischen Eigenschaften im Rechner. Dabei
führt sie numerische Untersuchungen zum Verformungs- und Schädigungsverhalten
der Keramiken unter mechanischer Beanspruchung durch und optimiert die Prozesse. uk
KONTAKT
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Prof. Joachim Bill
Institut für Materialwissenschaft
Tel. 0711/689-3202
e-mail: bill@mf.mpg.de
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