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Wahrnehmung und Informationsbedürfnis nach Terroranschlägen >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Wirksamere Notfallpläne als Ziel
Anschläge mit radioaktiven Stoffen oder Pockenviren sind für Terrorexperten
ein durchaus reales Risiko. Doch würden die Menschen im Ernstfall in Panik
ausbrechen und die Region verlassen oder – das andere Extrem – die
Gefahr eher auf die leichte Schulter nehmen? Und wie müssen vor diesem
Hintergrund Behördeninformationen ausgestaltet sein? Diese Fragen erforscht
die Gesellschaft für Kommunikations- und Kooperationsforschung Dialogik
(Leitung Prof. Ortwin Renn vom Institut für Sozialwissenschaften der Uni)
zusammen mit Wissenschaftlern des Kings College London und dem UK Health Protection
Agency’s Centre for Emergency Preparedness im Rahmen des EU-Projekts „Pirate“.
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Die meisten Notfallpläne gehen davon
aus, dass sich die Öffentlichkeit bei einem Terroranschlag weitgehend
rational verhält und die Anweisungen der Behörden befolgt.
Allerdings zeigen vergleichbare Notfälle aus der Vergangenheit,
dass diese Annahmen oft unrealistisch sind. Die dramatischen Folgen eines
solchen Trugschlusses verdeutlicht das Beispiel des Wirbelsturms „Karina“,
der im Sommer 2005 den Südosten der USA heimsuchte. Obwohl die Behörden
damals die Zwangsevakuierung der Stadt New Orleans und der gefährdeten
Küstenregionen Louisianas angeordnet hatten, blieben viele Anwohner
in ihren Häusern – und bezahlten dafür mit dem Leben.
Vor diesem Hintergrund untersucht das Projekt „Pirate“ (Public
Information Response After Terrorist Events) die Wahrnehmung sowie das
Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bei einem terroristischen
Angriff. Ziel ist es, die Notfallpläne zu verbessern. Für die
Studie entwickelten die Wissenschaftler zwei fiktive Szenarien, die in
Zeitungsartikeln und Filmsequenzen aufbereitet und insgesamt zehn so genannten
Fokusgruppen in London und Stuttgart vorgelegt wurden: Einen biologischen
Angriff mit Pockenviren sowie die Verbreitung einer radiologischen Strahlungsquelle.
Das Untersuchungsdesign war in beiden Ländern dasselbe. Auf eine zunächst
eher abstrakte Berichterstattung folgten die „Bestätigung“ der
Terrortat und schließlich eine Expertenmeinung, die das Verhalten
der Behörden in Zweifel zog. Zu allen Berichten sollten die Teilnehmer
Fragen beantworten und in der Runde diskutieren. Was empfinden die Gruppenmitglieder? |
Behördenanweisungen für den Katastrophenfall
werden längst
nicht immer befolgt. (Foto:
Micha Rittmeier/pixelio) |
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Würden sie aufgrund
des Szenarios Ihren Alltag verändern? Welche Informationen wünschen
sie sich zusätzlich? „Die Diskussion in Fokusgruppen ergibt aussagekräftigere
Ergebnisse als eine standardisierte Befragung“, erklärt der deutsche
Projektleiter Piet Sellke. „Denn im Gespräch erfährt man, was
die Menschen denken und fühlen, welche Motive sie antreiben und ob sie
den Behörden vertrauen.“
Schnell kristallisierte sich heraus, dass Beschwichtigungformeln vom Genre „es
besteht keinerlei Gefahr für die Bevölkerung“ das Misstrauen überhaupt
erst so richtig wecken. „Was die Menschen wollen, sind konkrete Informationen
darüber, wie sie persönlich gefährdet sind“, fasst Sellke
die Projektergebnisse zusammen. Ein weiteres Resultat: Obwohl London im Gegensatz
zu Stuttgart in der Vergangenheit bereits von realen Anschlägen betroffen
war, sind die Unterschiede in der Risikowahrnehmung zwischen Briten und Deutschen
gering. Divergenzen gibt es jedoch zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. „Familien
mit Kindern beispielsweise reagieren besorgter als Singles und sind schneller
bereit, sich in Sicherheit zu bringen“, erklärt Sellke.
Die Repräsentativität der in den Fokusgruppen gewonnenen Erkenntnisse
soll in einem zweiten Schritt über standardisierte Telefonbefragungen
mit 2.000 Teilnehmern je Szenario überprüft werden. Auf dieser Basis
entwickelt das Team Notfallanweisungen, die in einem dritten Schritt wiederum
in Fokusgruppen auf ihre Klarheit und Wirksamkeit getestet werden. amg
KONTAKT
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Piet Sellke
Institut für Sozialwissenschaften
Abteilung für Technik- und Umweltsoziologie
Tel. 0711/685-83966
e-mail: piet.sellke@sowi.uni-stuttgart.de
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