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Workshop „Linguistics of Vietnamese“ >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Gespenst, Mutter oder Reissetzling?
Die Stuttgarter Linguistik untersucht nicht nur so bekannte Sprachen wie
Deutsch, Englisch und Französisch, sondern auch sehr exotische Sprachen mit Phänomenen,
die für Sprecher des Deutschen zum Teil nur schwer nachvollziehbar sind.
Am 6. und 7. Juli veranstalteten Daniel Hole und Elisabeth Löbel vom Institut
für Linguistik/Germanistik den ersten Workshop zur Linguistik des Vietnamesischen
außerhalb von Vietnam.
Für den einzigartigen Workshop kamen unter anderem Forscher aus Hawaii,
vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston, aus Sheffield und
aus Hanoi nach Stuttgart. Mit ihren Kollegen aus Köln, Stuttgart und Leipzig
knüpften sie ein weltweites Netzwerk, um das Nischendasein der vietnamesischen
Sprache und ihrer Forscher in der Linguistik zu beenden. Denn obwohl Vietnamesisch
mit etwa 67 Millionen Muttersprachlern eine große und linguistisch sehr
wichtige Sprache ist, wird sie im Vergleich zu anderen asiatischen Sprachen
wie Japanisch und Chinesisch bis jetzt nur wenig erforscht.
Vietnamesisch ist eine Tonsprache, in der Tonhöhenverlauf und Stimmqualität
jeder einzelnen Silbe für die Unterscheidung der jeweiligen Bedeutung maßgeblich
sind. Wenn man die Töne falsch ausspricht, kann eine Silbe oder ein Wort
eine völlig andere Bedeutung annehmen. Die Silbe ma zum Beispiel kann je
nach Tonhöhe ‚Gespenst’, ‚Mutter’, ‚aber’, ‚Reissetzling’, ‚Grab’ oder ‚Pferd’ bedeuten.
Außerdem ist das Vietnamesische als endungslose Sprache wohl die „unlateinischste“ Sprache überhaupt:
So gibt es keinerlei Angleichung der Verben an die Pronomen ich, du und so weiter,
Substantive bilden keinen Plural, und Fälle gibt es ebenso wenig. Dafür
ist die Wortstellung strikter geregelt als etwa im Deutschen.
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Neben abstrakteren Beiträgen umfasste
der Workshop auch Vorträge zu so anschaulichen Themen wie der Konversationsanalyse
von vietnamesischen Telefongesprächen oder dazu, wie sich der Sprachkontakt
zwischen Englisch, Französisch und Vietnamesisch bei dreisprachigen
Sprechern in Kanada auf ihr Sprechverhalten auswirkt. Außerdem
wurde beleuchtet, wie und wann vietnamesische Kinder für uns so
schwierige Konzepte wie die verschiedenen Nominalgruppen lernen: Möchte
man zum Beispiel ‚dieses Ei’ sagen, wird das Wort für ‘Ei’ mit
dem Klassifikatoren qua versehen (qua tru´’ng này).
Das bedeutet ‘Klassifikator.für.Rundes Ei dies’, weil
es zur Klasse der runden „Früchte“ gehört. Bei ‚dieses
Auto’ dagegen wird der Klassifikator cái für Fahrzeuge
verwendet und es entsteht die Wortverbindung chiec xe này (Klassifikator.für.
Fahrzeuge Auto dies’).
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Was die vietnamesische Silbe ‚ma’ bedeutet, hängt
von der Tonlage ab. (Foto: Klugbeisser) |
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Der von der von der Fritz-Thyssen-Stiftung für Wissenschaftsförderung
mit rund 15.000 Euro geförderte Workshop legte den Grundstein für
eine alle zwei Jahre stattfindende Workshopreihe mit dem Namen LoV (Linguistics
of Vietnamese). Das nächste Mal treffen sich die Vietnamesischexperten
dann in Los Angeles oder Vietnam - auch wenn den Teilnehmern nach eigenen Aussagen
die schwäbischen Kässpätzle besonders gut schmeckten. Regine
Brandtner, Daniel Hole
KONTAKT
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Dr. Daniel Hole
Institut für Linguistik/Germanistik
Tel. 0711/685-84879
e-mail: daniel.hole@ling.uni-stuttgart.deo
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