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Prof. Paul Kirchhof zu Gast bei der 12. Theodor-Heuss-Gedächtnis-Vorlesung >>>>>>>>>>>>
Freiheit durch Geldresistenz
Über die Gefährdung der Freiheit des Einzelnen referierte Prof. Paul Kirchhof, ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts, im Rahmen der Theodor-Heuss-Gedächtnis-Vorlesung am 10. Dezember. Der als Querdenker bekannte ehemalige Mitstreiter in Angela Merkels „Kompetenzteam“ wurde seinem Ruf einmal mehr gerecht und illustrierte seinen ambitionierten Vortrag mit prägnanten Beispielen.
Nichts im Vergleich zur Unvorhersehbarkeit des Lebens vor sechzig Jahren, gab Prof. Paul Kirchhof einleitend zu bedenken, sei die „kleine Unvorhersehbarkeit Studentenstreik“, die Ursache dafür war, dass die Veranstaltung kurzfristig von der Stadtmitte an den Vaihinger Pfaffenwaldring verlegt werden musste. Als Deutschland am Boden lag, leitete der Verfassungs- und Steuerrechtler auf sein Vortragsthema „Der freie oder der gelenkte Bürger“ über, erhielt das Grundgesetz das Prinzip der Freiheit, und die Bevölkerung erarbeitete ihr Wirtschaftswunder. Dagegen erscheine die gegenwärtige Krise fast belanglos, und trotzdem brächten die Menschen heute kein Eigenengagement ein, sondern vertrauten auf den Staat.
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Die Menschen müssten, genau wie in der Demokratie vor 60 Jahren, wieder Kraft finden, das Angebot der Freiheit wahrzunehmen. Am Beispiel von Handschuh und Hand illustriert Kirchhof das Verhältnis von Staat und Staatsvolk: „Erst die Hand macht den Handschuh beweglich, und der Handschuh muss so gestrickt sein, dass sich die Hand in sinnvollem Rahmen bewegen kann.“ Jedoch hätten sich die Erwartungen, welche die Menschen an den Staat richten, und mit ihnen die freiheitliche Distanz des Menschen zum Staat, grundlegend gewandelt. „Der Bürger erwartet, nein, fordert vom Staat gutes Geld und überfordert damit Staat und Recht“, so Kirchhof. Auch angesichts der Zahlenhörigkeit wie bei der Messung von Wachstum mahnt Kirchhof: „Vorsichtig sein im Glauben an die Zahl! Wir produzieren 92 Millionen Autos, verkaufen aber nur 51 Millionen.“ Damit würden Arbeitsplätze nur deshalb erhalten, weil es sie schon gibt, was die schöpferische Kraft der Erneuerung behindere. Der Bürger unserer Zeit, bedauert Kirchhof, „ist anlehnungsbedürftig und besitzt keine Kraft für Freiheit“. Die Aufgabe des Staates sei, mit Worten zu lenken, was auch Theodor Heuss einst in seiner Rede zum Thema „Formkräfte einer politischen Stilbildung“ betont habe. Heute aber lenke der Staat durch Geld und Information und mindere so die Erprobungskraft des Bürgers. „Nach Dostojewski ist Geld ‚geprägte Freiheit’. Wenn der Staat aber Wissenschaftlern Geld anbietet und dies mit Zielvereinbarungen verbindet, verliert Dostojewskis Merksatz an Substanz.“ |
Als Querdenker bekannt: Prof. Paul Kirchhof. (Foto: Eppler) |
Mit Auflagen wie zum Beispiel im Rahmen der Exzellenzinitiative, werde von
den Forschern erwartet, dass sie ihr Thema ändern, Methoden überdenken. „Sie
werden förmlich verpflichtet, sich niemals gegen den Mäzen zu wenden.“ Dies
sei nicht nur „hart an der Kante der Korruption“ - auch die Freiheit
bleibe dadurch auf der Strecke. So fordert Kirchhof energisch: „Wir brauchen
mehr Geldresistenz!“
„Ein schlanker Staat hält Distanz“
Vor knapp 60 Jahren habe Ludwig Erhard die Idee des Volkswirtschaftlers Adam
Smith, dass der Wohlstand der Reichen auch den Armen nutze, aufgegriffen:
Eine „unsichtbare Hand“ verwandele demnach das egoistische Streben des Einzelnen in das Wohl der Gesellschaft. Auch Erhard ließ sich dieser Überzeugung leiten und wird noch heute als Vater des Wirtschaftswunders gefeiert. „Soziale Marktwirtschaft“, folgert Kirchhof, „ist eine geistige Haltung, die uns davor bewahrt, zum sozialen Untertan degradiert zu werden.“ Freiheit, so seine Bilanz am Ende des einstündigen Vortrags, ist Verschiedenheit. „Der Kaufmann wird reich an Geld, der Philosoph an Gedanken.“ Wer dies nicht ertrage, ertrage die Freiheit nicht. Dementsprechend halte „ein schlanker starker Staat Distanz und verknüpft Freiheit mit Verantwortung“. Damit handele er ganz nach dem Vorbild von Großvater Kirchhof, der immer geraten habe: „Wenn ihr einen Weihnachtsbaum veredeln wollt, behängt die Äste so, dass der Baum weiter zum Licht streben kann. Die Äste dürfen nicht herabgedrückt werden.“ Sabine
Dettling
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