Viele Gemeinden planen seit einigen Jahren wieder neue große Erweiterungen
am Stadtrand und Stadtumbaumaßnahmen auf innerstädtischen Brachen. Statt reiner
Siedlungen sollen Stadtteile entstehen, in denen nicht nur gewohnt wird, sondern in denen
städtische Vielfalt durch ein reiches Angebot an Arbeitsplätzen sowie an öffentlichen
und privaten Versorgungseinrichtungen geschaffen wird. Man möchte die in den
Großsiedlungen der 60er und 70er Jahre gemachten Fehler und Versäumnisse vermeiden.
Darüber hinaus wird von einer Stadt der kurzen Wege, bei der Wohnen, Arbeiten,
Versorgung, Freizeit und Kultur verzahnt sind, auch eine Entlastung der Umwelt durch
weniger Verkehr und Energieverbrauch erwartet. Bisher können die Kommunen jedoch kaum auf
Erfahrungen mit der konkreten Planung neuer städtebaulicher Nutzungsmischung
zurückblikken, weil in den 80er Jahren in der Bundesrepublik keine größeren Projekte
dieser Art verfolgt wurden.
Um ausländische Erfahrungen aufzuarbeiten, hat das
Städtebauliche Institut der Universität Stuttgart im Auftrag der Bundesanstalt für
Landeskunde und Raumforschung Bonn-Bad Godesberg eine vergleichende Untersuchung von
städtebaulichen Vorhaben in verschiedenen europäischen Ländern durchgeführt, die das
Ziel einer kleinräumigen Nutzungsmischung verfolgen. Folgende Fragen standen im
Mittelpunkt der Untersuchung: Welche städtebaulichen Konzepte und Verfahren sind
tragfähig? Wie muß die Planungsorganisation an das städtebauliche Ziel der
Nutzungsmischung angepaßt werden? Mit welchen Maßnahmen kann der Bund die Planung und
den Bau nutzungsgemischter Anlagen fördern? In mehreren Fallstudien waren die Erfahrungen
bei der Planung und Realisierung von städtebaulichen Projekten in Schweden, Dänemark,
Niederlande und Frankreich aufgearbeitet und daraus Empfehlungen für vergleichbare
Vorhaben in der Bundesrepublik entwikkelt worden.
Bei dem Seminar im Technologiezentrum Aachen AGIT, an dem
rund 200 Fachleute aus der kommunalen Planungspraxis, der Stadtforschung und Politik
teilnahmen, reihte Bundesbauminister Prof. Dr. Klaus Töpfer in seinem Vortrag das
städtebauliche Ziel der Nutzungsmischung in die bundespolitischer Bemühungen zur
Stützung nachhaltiger Siedlungsentwicklung ein. Er mahnte in diesem Zusammenhang auch
eine stärkere europäische Kooperation in der Stadtpolitik an. Prof. Thomas Sieverts von
der Technischen Hochschule Darmstadt gab einen Problemaufriß, der sehr deutlich die
divergierenden Auffassungen innerhalb der Stadtplanerdisziplin zur Nutzungsmischung
herausarbeitete. In mehreren Beiträgen präsentierten die Verfasser der Studie die
wichtigsten Befunde über Projekte in Stockholm, Kopenhagen, Amsterdam, Montpellier und
anderen europäischen Städten, anschließend kommentiert von Experten aus dem jeweiligen
Land und ergänzt um weitere Projektberichte aus Großbritannien und der Schweiz. Zum
Abschluß der Tagung stellte Prof. Dr. Johann Jessen die Empfehlungen zur Diskussion, die
sich zum einen an die kommunale Planungspraxis, zum anderen an das Bundesministerium für
Raumordnung, Bauwesen und Städtebau richten. Die Ergebnisse der Studie sollen gegen Ende
des Jahres in einer Schriftenreihe der Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung
Bonn veröffentlicht werden.
KONTAKT
Prof. Dr. Johann Jessen, Städtebauliches Institut, Universität Stuttgart,
Keplerstr. 11, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-2213; Fax 0711/121-2209
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