Die Auflagenzahlen von Programmen politischer Parteien sprechen eine eigene
Sprache: nur eine Minderheit der Wählenden hat sich wohl je damit beschäftigt. Und doch
fühlt sich bei Wahlen eine überwältigende Mehrheit kompetent, den Stimmzettel
auszufüllen. Prof. Dr. Dieter Urban, Lehrstuhl für Soziologie I der Universität
Stuttgart, stellt im Zusammenhang mit diesem und anderen Phänomenen die Frage nach der
Aufnahme und Verarbeitung von Informationen und ihrer Transformation in Wahrnehmung,
Einstellung und Verhalten.
Am konkreten Beispiel der Gentechnologie sollen die Prozesse
der subjektiven Informationsverarbeitung untersucht werden. Der sperrige Titel des
Forschungsprojekts Entwicklung kognitiver Modelle der Informationsverarbeitung zur
empirischen Analyse von Einstellungen/Risikoperzeptionen gegenüber Anwendungen der
modernen Gentechnologie läßt ahnen, daß bei der Erklärung menschlichen
Verhaltens noch vieles im Dunkeln liegt.
Für die Forschung von zentraler Bedeutung ist die
theoretische Erfassung der Prozesse zwischen Meinungs- und Einstellungsbildung auf der
einen Seite und der Wahl zwischen verschiedenen Handlungsalternativen auf der anderen.
Deshalb wird sich das Forschungsprojekt in seiner ersten Phase mit der Bildung
theoretischer Erklärungsmodelle zum Verständnis menschlicher Informationsverarbeitung
beschäftigen. Im Anschluß daran werden mittels einer repräsentativen
Bevölkerungsumfrage die Daten zum empirischen Test dieser Erklärungsmodelle gewonnen.
Die Gentechnologie eignet sich hervorragend als Objekt dieser
soziologischen Forschung. Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der neuen Technik
dringen heute immer mehr in das Alltagsleben der Menschen vor. Doch hat die Komplexität
dieser Technologie zur Folge, daß nur ein geringer Teil der Bevölkerung darüber
umfassend informiert ist. Von den meisten wird ein großes selbstempfundenes
Informationsdefizit bekundet.Trotzdem haben Menschen unterschiedliche Meinungen und
Einstellungen zur Gentechnik und begründen damit ihr Verhalten, beispielsweise beim Kauf
gentechnisch modifizierter Nahrungsmittel.
Das Forschungsprojekt, das an Hand dieses konkreten Beispiels
generell Prozesse der Meinungsbildung und Handlungsentscheidung verstehen will, hat eine
Laufzeit von zwei Jahren und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit einem
Betrag von rund 400.000 DM gefördert. /ck
KONTAKT
Prof. Dr. Dieter Urban, Universität Stuttgart, Institut für Sozialforschung,
Abteilung für Soziologie, Keplerstr. 17, 70174 Stuttgart; Tel. 0711/121-3577; Fax
0711/121-2768
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