Was ursprünglich dazu gedacht war, Studieninhalte anschaulich und praxisnah
zu vermitteln, wurde am Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik der Universität
Stuttgart (ISR) unter der Leitung des Institutsdirektors Professor Ernst Dieter Gilles zum
Prototyp eines rechnergestützten Navigationssystems für Wasserstraßen entwickelt. Das
System wird bereits heute auf dem Markt nachgefragt.
Der Clou des Systems ist eine Kombination von
bordeigenem Radar, GPS-Satelliten-Navigation und elektronischer Karte. Ein
leistungsstarker Rechner verarbeitet diese Informationen verschiedenartiger Sensoren und
setzt sie um in eine elektronische Steuerung des Schiffes auf einer Ideallinie.
Basisinformationen erhält das System von einer
elektronischen Karte der Wasserstraße. Das sind einmal sichtbare Konturen wie der
Flußverlauf, aber auch Fahrrinnenbegrenzungen und Leitlinien für die Berg- und Talfahrt.
Tiefenprofile quer zur Wasserstraße sowie lokale Strömungsgeschwindigkeiten des
Gewässers sind ebenfalls elektronisch gespeichert.
Schiff ohne Steuermann
Aktuelle Daten liefert erstens das bordeigene Radar, das vom Navigationssystem in
Verbindung mit der elektronischen Karte für Zwecke der Positionsbestimmung und zur
Erfassung der Verkehrssituation ausgewertet wird. Das System bestimmt die Position des
Schiffes durch einen Vergleich der Radarbildkonturen mit der elektronischen Karte. Eine
weitere Positionsmessung erfolgt mit dem Differential Global Positioning System GPS, einem
Hochleistungs-Satelliten-Navigationssystem, dessen Genauigkeit besser als drei Meter ist.
Die Kombination aller drei Faktoren im Rechner läßt das
Schiff ohne Steuermann navigieren. Der Kapitän hat lediglich überwachende Funktion.
Das Projekt wurde in der Entwicklungsphase über mehrere
Jahre hinweg von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Angesiedelt war es im
Sonderforschungsbereich Hochgenaue Navigation.
Professor Gilles hat den Prototyp dieses integrierten
Navigationssystems bereits auf dem Rhein und, in Zusammenarbeit mit dem Wasser- und
Schiffahrtsamt Stuttgart, auf dem Neckar erfolgreich getestet. Nun steht ein erster
großer Einsatz auf drei Rheinschiffen bevor, einem Motorgüterschiff, einem Tanker und
einem 180 Meter langen Schubverband. Das System ist in der Lage, sich durch die Auswertung
weiterer Daten automatisch an unterschiedliche Schiffe und Beladungszustände anzupassen.
Der kommerzielle Einsatz wird sich nicht nur auf den Bereich
der automatischen Navigation beschränken. Weitere Verwendung findet das System bei der
Vermessung von Wasserstraßen und der Erstellung von elektronischen Flußkarten.
Demnächst wird es auf dem rumänischen Teil der Donau zum Einsatz kommen. Rund 1.100
Kilometer Fluß sollen elektronisch vermessen und kartiert werden.
Zwei Mitarbeiter aus dem fünfköpfigen Forscherteam um
Professor Gilles arbeiten an der Vermarktung des integrierten Navigationssystems und
werden eigens dafür ein Unternehmen gründen. Man rechnet damit, daß es auf einigen
tausend Binnenschiffen auf Rhein, Main und Donau eingesetzt werden kann. Die Kosten für
die Installierung werden auf 30 - 50.000 DM geschätzt.
In der Erprobungsphase hat sich herausgestellt, daß die
Sicherheit des Verkehrs auf Wasserstraßen mit Hilfe dieses Navigationssystems wesentlich
verbessert werden kann. Der Kapitän wird von ermüdenden Routinearbeiten entlastet. Vor
allem bei Nacht und Nebel und beim Transport gefährlicher Güter zeigt sich die
Überlegenheit des Systems gegenüber der herkömmlichen Fahrweise.
Professor Gilles resümiert deshalb auch, daß dieses von ihm
entwickelte Navigationssystem die Sicherheit, Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der
Wasserstraßen wie auch den Aktionsradius der Schiffe auf diesem umweltfreundlichen
Verkehrssystem wesentlich erhöhen könne. /ck
KONTAKT
Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c.mult. E.D. Gilles, Universität Stuttgart, Institut für
Systemdynamik und Regelungstechnik, Pfaffenwaldring 9, 70550 Stuttgart;
Tel. 0711/685-6302; Fax 0711/685-6371
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