Das Symposion fand schon allein deshalb in polnischen und deutschen Medien
Beachtung, weil es erstaunlicherweise die erste Begegnung überhaupt war, bei der
ausgewiesene Kenner beider Seiten über Grundfragen der schlesischen Geschichte
debattierten. Es hätte kaum einen geeigneteren Ort dafür geben können als den
Plenarsaal des Stadtparlaments neben dem historischen Rathaus von Breslau.
Bis vor kurzem gab es keine vollständige, modernen
Ansprüchen genügende Darstellung der schlesischen Geschichte, weder aus polnischer noch
aus deutscher Feder. Ein solches Buch wurde 1994 von Prof. Dr. Norbert Conrads vom
Historischen Institut der Universität Stuttgart herausgebracht (N. Conrads: Deutsche
Geschichte im Osten Europas. Schlesien, Berlin 1994, 816 Seiten). Daher war es der Wunsch
der polnischen Kollegen, dieses Buch zum Anlaß einer historischen Grundsatzdebatte zu
nehmen.
Neben Prof. Conrads waren noch vier weitere Autoren an diesem
Handbuch beteiligt, die Professoren Peter Baumgart (Universität Würzburg), Konrad Fuchs
(Universität Mainz), Arno Herzig (Universität Hamburg) und Peter Moraw (Universität
Gießen). Sie alle diskutierten bei der gut besuchten Veranstaltung mit fünf Fachkollegen
der polnischen Universität Wroclaw, den Professoren Marek Czaplinski, Teresa Kulak,
Krystyn Matwijowski, Wojciech Mrozowicz und Wojciech Wrzesinski. Die Leitung lag gemeinsam
bei Prof. Wrzesinski, dem langjährigen Rektor der Universität Wroclaw, und Prof. Conrads
aus Stuttgart.
Dialog wird fortgesetzt
Die Podiumsdiskussion war insoweit vorbereitet, als dem Publikum ausführliche
Themenreferate aller Historiker in zweisprachigen Fassungen vorlagen. Die Debatte konnte
also auf die Verlesung langer Statements verzichten und sich weitgehend auf den
wissenschaftlichen Dialog konzentrieren. Zwei Dolmetscher halfen über die Sprachbarrieren
hinweg. Das war oft nicht einfach, denn Begriffe wie Betroffenheitsgeschichte
lassen sich kaum angemessen übersetzen. Die strittigsten Fragen waren solche der
mittelalterlichen und der Zeitgeschichte. Doch verblüffend war, daß die von Peter
Baumgart vorgetragene preußische Epoche ohne Widerspruch blieb. Wie nicht anders zu
erwarten, konnte eine solche erste Debatte keine Einigung auf ein gemeinsames
Geschichtsbild erbringen. Aber man stimmte überein, der Dialog habe sich gelohnt und
müsse fortgesetzt werden.
Der nächste polnische Historikertag findet 1999
turnusmäßig in Wroclaw (Breslau) statt. Eine Sektion soll dort der schlesischen
Geschichte gewidmet sein. Die deutschen Historiker wurden eingeladen, sich daran gemeinsam
mit ihren Breslauer Kollegen zu beteiligen.
KONTAKT
Prof. Dr. Norbert Conrads, Historisches Institut, Keplerstraße 17, 70174
Stuttgart; Tel. 0711/121-3442; Fax 0711/121-2757
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