Aus Jäckels Forschungsschwerpunkt Nationalsozialismus gingen zahlreiche
Publikationen hervor, wie beispielsweise Hitlers Weltanschauung im Jahre 1967
und Hitlers Herrschaft im Jahre 1986. Jäckel etablierte sich jedoch nicht nur
innerhalb der Wissenschaft, sondern trug Ergebnisse historischer Forschung in eine breite
Öffentlichkeit. Beispielhaft dafür steht die Fernsehdokumentation über den Holocaust
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland , die er 1990 gemeinsam mit Lea Rosh
realisierte.
Von unterschiedlichen Standpunkten aus wurde in drei
Vorträgen ein Spannungsfeld zwischen dem Historiker und der Gesellschaft aufgezeigt.
Gegen das Vergessen mahnte Prof. Dr. Peter Glotz von der Universität Erfurt in seinem
Vortrag über Die Politik und das kulturelle Gedächtnis. Insbesondere im
Zusammenhang mit der Naziherrschaft sollen Holocaustdenkmäler als Schandmäler Sorge
dafür tragen, immer wieder aufs neue zu erschrecken. Dies gelte noch viel mehr vor dem
Hintergrund, daß die Deutschen seit 1989 wieder geschichtsfähig seien. Hoffentlich
ist unser kulturelles Gedächtnis nicht zu kurz, betonte er.
Der Leiter des Deutschen Historischen Instituts in Washington
D.C., Prof. Dr. Detlef Junker, beleuchtete das Verhältnis der Geschichtswissenschaft zur
Öffentlichkeit in den USA. Junker, der seine Assistentenzeit bei Jäckel als
größten anzunehmenden Glücksfall bezeichnete, konstatierte eine starke
Diskrepanz zwischen dem hohen Niveau der von Internationalität und globalem Horizont
geprägten amerikanischen Geschichtswissenschaft und deren Wirkung auf die
Öffentlichkeit. Dabei könne man sogar von öffentlicher Irrelevanz sprechen.
Durch den Abschied von der eurozentrischen Tradition haben die Historiker in den USA den
sich dort veränderten Rahmenbedingungen schon längst Rechnung getragen. Die neue innere
Globalisierung, der zunehmende Anteil von Amerikanern nichteuropäischen Ursprungs, stelle
in Zukunft auch eine Herausforderung an das Geschichtsbewußtsein und die Öffentlichkeit
dar.
Von der Verantwortung des Historikers innerhalb der
Wissenschaft und als Zeitgenosse sprach der Münchner Althistoriker Prof. Dr. Christian
Meier. Einerseits suche der Wissenschaftler die Öffentlichkeit in Veröffentlichungen,
andererseits trete das Publikum von außen an ihn heran. Da dieser über Erkenntnismittel
verfüge, müsse er gerade auch gegenüber der Öffentlichkeit Verantwortung übernehmen.
In seinem Schlußwort unterstrich Jäckel nochmals die
Verpflichtung des Historikers gegenüber der Gesellschaft: dieser dürfe nicht in seinem
Elfenbeinturm sitzen bleiben. Um die Ergebnisse historischer Forschung nach außen zu
tragen, müsse er sich auch anderer Medien bedienen. Doch sei das Verhältnis des
Historikers zur Gesellschaft nicht immer glücklich, da er sich dann den Verfahrensregeln
der Politik oder der Medien unterwerfen müsse. Dort aber gebe es keine Fußnoten.
Trotzdem bleibt der 68jährige bei seinem Standpunkt, eine Universität sei erst dann eine
Universität, wenn sie nicht nur Universität sei. In diesem Zusammenhang erzählte
Jäkkel die Anekdote, daß er vom Rektoramt der Universität nach der Ausstrahlung von
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland gemahnt worden sei, diese
Nebentätigkeit anzumelden. Er habe die Universitätsverwaltung jedoch davon überzeugen
können, wie er zur Erheiterung des Publikums ausführte, daß die Veröffentlichung von
Forschungsergebnissen vielmehr eine Haupt- als eine Nebentätigkeit darstelle. Niemand
schreibe schließlich vor, Forschungsergebnisse ausschließlich in Fachzeitschriften zu
publizieren, die außer den Kollegen niemand lese. Was die Zukunft anbe-lange, so schloß
Jäckel, habe man ihm gesagt, daß Emeritus ein schöner Beruf sei. Nur die Ausbildung sei
etwas zu lang.
Mit langanhaltendem und stehendem Applaus endete der
offizielle Teil der Veranstaltung und gleichsam die Lehrverpflichtung eines großen
Stuttgarter Historikers.
Katja Otto
Foto: Eppler |