Zur musikalischen Eröffnung der Feier spielte das Bläserquartett des
Akademischen Orchesters der Universität Stuttgart ein Werk von Johann Christoph Pezelius
(1639 - 1694). Anschließend begrüßte der Rektor der Universität, Prof. Dr.-Ing.
Günter Pritschow, die Festgäste. In seiner Ansprache würdigte Prof. Pritschow die
Verdienste Bachs um den Maschinenbau im 19. Jahrhundert, der damals noch zu einem
großen Teil mit dem Kunstgewerbe verglichen werden könne. Als Beispiel des
Bachschen Wirkens zog der Rektor ein berühmtes Zitat des Automobilpioniers Rudolf Diesel
heran, das wegen seiner Anschaulichkeit auch von weiteren Rednern genutzt wurde und
deshalb auch hier wörtlich wiedergegeben sei.
Diesel und Bach
Als ich Anfang der neunziger Jahre an die Konstruktion meines Motors herantrat,
versagte diese Methode [gemeint war die ungefähre Berechnung der Materialstärke nach dem
System der Verhältniszahlen; Red.] vollständig. Die enormen Drücke, welche in meiner
Maschine auftraten, die in solcher Größe bisher noch unbekannten Reibungsarbeiten in den
gleitenden Teilen, zwangen mich dazu, die Beanspruchung jedes einzelnen Organs auf das
genaueste zu untersuchen und die Materialfrage selbst eingehend zu prüfen. Auch nicht die
nebensächliste Einzelheit dürfte dem Zufall der Verhältniszahl oder der
Sicherheitskoeffizienten überlassen werden. Es beschlich mich das
beschämende und entmutigende Gefühl, daß ich der mir gestellten Aufgabe nicht gewachsen
sei. Als ich mich in meiner Hilflosigkeit in der damaligen Literatur umsah, stieß ich auf
die eben erschienene 2. Auflage von Carl von Bach Die Maschinenelemente, die
mich so begeisterte, daß ich kurz entschlossen meinen Motor liegen ließ und mit
Heißhunger Bachs Buch von der ersten bis zur letzten Seite studierte, eine Arbeit, die
mich - bei meiner sonstigen anstrengenden praktischen Tätigkeit - fast ein Jahr in
Anspruch nahm. Diese Zeit war aber nicht verloren, denn dann konnte ich - so glaube ich
jedenfalls - konstruieren; ... Erst dann ging ich wieder an meinen Motor und hatte nach
kurzer Zeit das schöne Gefühl, daß alles klappen werde.
Carl von Bach sei als Wegbereiter moderner Ingenieurausbildung in
vielfacher Hinsicht Vorbild gewesen, sagte Pritschow und wies unter anderem auf die
Einführung des einjährigen Pflichtpraktikums im Werkstattbereich durch Bach hin sowie
auf die universitätsprägenden Gründungen zahlreicher wissenschaftlicher Einrichtungen
wie das Maschinenlaboratorium und die Staatliche Materialprüfungsanstalt (MPA). Daraus
sind später die Forschungs- und Materialprüfungsanstalt für das Bauwesen (FMPA) sowie
weitere sieben Institute der Universität hervorgegangen: Thermische Strömungsmaschinen
und Maschinenlaboratorium; Maschinenelemente und Gestaltungslehre; Maschinenkonstruktion
und Getriebebau; Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen; Umformtechnik; Kunststoffprüfung
und Kunststoffkunde sowie Luftfahrtantriebe.
Erster Rektor
Auch der Verantwortung für das Gemeinwohl seiner Hochschule habe Carl von Bach sich
gestellt, sagte der Rektor, und verwies auf seinen ersten Vorgänger im Amt: Carl von Bach
war 1885 nach Einführung der Rektoratsverfassung der erste Rektor des damaligen
Polytechnikums - vorher gab es Direktoren beziehungsweise Vorstände. Bach sah
bereits damals den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit der
Industrie und dem Ausbildungsstand seiner Mitarbeiter und stellte daher die Forderung auf,
künftige Absolventen von Hochschulen nicht bloß auf den Eintritt ins Berufsleben
vorzubereiten, sondern ihnen auch das Rüstzeug für den weiteren Weg an die Hand zu
geben. So schlug er vor, die Ausbildung der Ingenieure auf verbesserte Kenntnisse von
Fremdsprachen, insbesondere der englischen Sprache, auf Fragen des Rechts, der Verwaltung
und der Wirtschaft auszudehnen. Sie sehen daraus, ergänzte Pritschow,
wie alt die Erkenntnis bereits ist, daß wir uns der Internationalisierung stellen
müssen. Wollen wir Carl von Bach geistig beerben, sagte der Rektor,
müssen wir uns nur mutig und wegbereitend den sehr aktuellen Forderungen der
Gegenwart stellen.
Zukunft braucht Herkunft
In Vertretung des Wissenschaftsministers überbrachte Staatssekretär Dr. Christoph-E.
Palmer ein Grußwort des Landes. Gerade in der heutigen Zeit sei es wichtig,
stärker die Herkunft ins Auge zu nehmen, sagte Palmer. Zukunft braucht
Herkunft! Allerdings müsse die Pflege des Erbes nicht historische Pflichtübung,
sondern Ausdruck einer inneren Befassung sein. Vom
vielfältigen Wirken des Wissenschaftlers Carl von Bach profitiert die Stuttgarter
Universität bis heute, erklärte Palmer und verwies besonders auf die Entwicklung
der Materialprüfungsanstalt, die Carl von Bach nach ihrer Gründung selber mehrere
Jahrzehnte leitete.Als heute größte Einrichtung mit 300 Mitarbeitern sei die MPA
in der Universität Stuttgart fest verankert, sagte der Staatssekretär. Carl von
Bach sei aber auch als Pionier der wissenschaftlichen Ausbildung zu würdigen. Ihm
ist es gelungen, eine bis heute zentrale Forderung, nämlich daß ein wissenschaftliches
Studium nicht statisch sein darf, sondern auf die Entwicklungen ihrer Zeit reagieren muß,
zu realisieren, sagte Palmer.
Anwendungsorientierte Forschung
Der Geschäftsführer der Technischen Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber (VGB),
Prof. Dr. Hans-Dieter Schilling, hob in seiner Ansprache vor allem auf die Begründung der
anwendungsorientierten Forschung durch Carl von Bach ab. Prof. Schilling zeichnete knapp
die Entwicklung der Kraftwerkstechnologie nach und hob hervor, daß die MPA Stuttgart seit
den 20er Jahren, als weltweit Dampfkesselexplosionen stattfanden, im Auftrag der VGB
führend bei der Erforschung von Schwächen und der Entwicklung von verbesserten Anlagen
gewirkt habe.
Bach-Archiv
An der Technischen Universität Chemnitz-Zwickau ist ein Archiv vorhanden, das sich der
Pflege und Aufbereitung des wissenschaftlichen Nachlasses Carl von Bachs widmet. Prof. Dr.
Friedrich Naumann vom Lehrstuhl für Wissenschafts-, Technik- und Hochschulgeschichte in
Chemnitz verwies auf Bachs sächsische Herkunft und die Begründung des Maschinenbaus in
Chemnitz, dem sächsischen Manchester im 19. Jahrhundert. Naumann beleuchtete
in seinem Beitrag vor allem Bachs Jugend- und Ausbildungszeit in Stollberg und ihre
prägende Wirkung auf die spätere Persönlichkeit des Ingenieurwissenschaftlers.
Abschließend erläuterte der Historiker das Organisationsschema des Bach-Archivs und
stellte besonders die Einmaligkeit des umfangreichen Schriftwechsels Bachs heraus. Bei der
Fülle des gesammelten Materials müsse man sagen: Die wissenschaftliche Arbeit zum
Werk Carl von Bachs steht weitgehend noch aus.
Der C.Bach
Noch durch unmittelbare Erfahrung gespeist, konnte der in Zürich lebende Enkel Carl von
Bachs, Dr. Rico Steinbrüchel, die Persönlichkeit des Wissenschaftlers schildern.
Steinbrüchel hatte als jüngster von elf Enkelkindern den Großvater zwischen 1921 und
1931 in Stuttgart noch persönlich erlebt, der von einigen der Kinder nur der
C.Bach genannt wurde, nicht etwa Großvater. Was er sagte, das hatte
Geltung wie die zehn Gebote. Und doch sei er beständig bemüht gewesen, immer
wieder dazuzulernen. Aus dieser Kombination sei dem C.Bach wohl seine
spürbare große Ruhe und Güte erwachsen. Schließlich rage sein wissenschaftliches Werk
auch nicht durch einzelne Einfälle aus der Zeit hervor, sondern durch gründliche Arbeit
und Ausdauer, schloß Dr. Steinbrüchel.
Das Zentrum der Akademischen Feierstunde bildete der
Festvortrag von Prof. Dr. Heinz Spähn von der BASF in Ludwigshafen, der im Überblick
Carl von Bach und sein Fortwirken im Spannungsfeld von Materialprüfung,
Festigkeitsberechnung und Konstruktion vorstellte. Größere Teile dieses Vortrages
sind im folgenden Beitrag mit Genehmigung des Autors im Wortlaut wiedergegeben.
Zum Ausklang der Feier spielte das Bläserquartett des
Akademischen Orchesters, das die Veranstaltung mit einem klassischen Stück eröffnet
hatte, ein zeitgenössisches Werk von Chris Hazel. Anschließend bestand bei einem Empfang
die ausgiebig genutzte Möglichkeit zu persönlichem Meinungsaustausch.
/eng
Carl von Bach |
8.3.1847 |
geboren in
Stollberg/Sachsen |
1856 -
1861 |
Schule
Stollberg |
1861 -
1863 |
Schlosserlehre
in Stollberg, begleitend Besuch der Abendschule und Sonntagsschule des Stollberger
Gewerbevereins |
1863 -
1864 |
Arbeiter
in der Maschinenfabrik R. Hartmann in Chemnitz |
1864 -
1866 |
Höhere
Gewerbeschule/Werkmeisterschule der Technischen Lehranstalten in Chemnitz |
1866 |
Beteiligung
an den Vorarbeiten für die geplante Chemnitzer Wasserleitung bei Professor Kankelwitz
sowie Techniker im Büro für Dampfmaschinenbau in der Maschinenfabrik R. Hartmann in
Chemnitz |
1866 |
Aufnahme
des Studiums an der Polytechnischen Schule in Dresden |
1868 |
Assistent
in Konstruktionsübungen bei Professor Kankelwitz am Polytechnikum in Stuttgart |
1870 -
1871 |
Einjährig-Freiwilliger
im Feldartillerie-Regiment No. 12 |
1872 |
Aufgabe
der Assistenten- und Dozententätigkeit in Stuttgart wegen Tätigkeit als Ingenieur bei
Professor Kankelwitz |
1872 -
1873 |
Zweisemestriger
Abschluß des Studiums an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, Diplomprüfung bei
Professor Grashof |
1873 -
1874 |
Ingenieurtätigkeit
in England |
1874 - 1876 |
Erster
Ingenieur der Maschinenfabrik W. Knaust in Wien |
1876 -
1878 |
Direktor
der Lausitzer Maschinenfabrik in Bautzen |
31.12.1877 |
Erster
Briefwechsel mit Professor Kankelwitz wegen Professur in Stuttgart |
1878 |
Berufung
als Ordentlicher Professor des Maschineningenieurwesens nach Stuttgart mit dem Lehrauftrag
Dampfmaschinen, Dampfkessel, Elastizität und Maschinenteile |
1881 |
Vorstand
des Württembergischen Bezirksvereins im Verein Deutscher Ingenieure |
1884 |
Gründung
der Staatlichen Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart |
1884 - 1927 |
Vorsitzender
des Württembergischen Dampfkessel-Revisions-Vereins e.V. |
1885 -
1888 |
Erster
Rektor seit Einführung der Rektoratsverfassung am Polytechnikum Stuttgart (ab 1890
Technische Hochschule) |
1893 |
Ruf an das
Eidgenössische Polytechnikum in Zürich |
1894 |
Verleihung
der Grashof-Denkmünze des Vereins Deutscher Ingenieure |
1895 |
Verleihung
des Ehrenkreuzes der Württembergischen Krone und des Titels Baudirektor |
1895 |
Ruf an die
Technische Hochschule Berlin |
1899 |
Fertigstellung
des Maschinenlaboratoriums an der Technischen Hochschule Stuttgart |
1902 |
Ruf an die
Technische Hochschule Wien |
1903 |
Ehrendoktorwürde
der Technischen Hochschule Berlin |
1911 |
Verleihung
des Komturkreuzes des Albrechts-Ordens 2. Klasse durch den König von Sachsen |
1916 |
Ehrenvorsitzender
des Württembergischen Ingenieurvereins |
1913 |
Ehrenbürger
der Stadt Stollberg |
1914 |
Ernennung
zum Staatsrat |
1918 |
Verleihung
des Titels Exzellenz als erstem Professor und erstem Ingenieur in Württemberg |
1. 10.
1922 |
Emeritierung |
1927 |
Ehrenbürger
der Stadt Stuttgart |
1927 |
Ehrendoktorwürde
der Technischen Hochschule Stuttgart |
1927 |
Ehrendoktorwürde
der Universität Tübingen |
10.10.1931 |
gestorben
in Stuttgart, Beerdigung 14.10.1931 auf dem Waldfriedhof Stuttgart |
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