Hans-Georg Gadamer plädierte in seinem Vortrag Sprache und Musik -
Hören und Verstehen für eine Kultur des Zuhörens. Einer von Reproduktionen
beherrschten Welt hielt er die anhaltende Aktualität von Originalschauplätzen in der
Kultur entgegen: nur wer in Theater, Musik und Ausstellung vor Ort ist, kann an dem
Kunstwert des Ereignisses teilhaben, hat somit Zugang zu dem gewissen Ton, der die
Musik macht. Diese Metapher gibt, wie Gadamer eindrucksvoll bewies, mehr Anlaß zum
kultur-theoretischen Nachdenken als man zunächst annehmen mag.
So verfüge die abendländische Kultur zum Beispiel über
zwei Traditionen des Messens; die eine bezieht sich auf durch Konventionen festgelegte
Referenten - man denke an das in Paris aufbewahrte Urmeter oder die nicht minder
verankerten Vorstellungen von Takt und Angemessenheit im zwischenmenschlichen Verhalten.
Demgegenüber habe der Mensch aber auch die Fähigkeit, etwas zu erhören, was
noch nicht als bekannt und festgelegt vorausgesetzt werden kann. In dieser zweiten
Tradition liege der eigentliche Ort der Kultur, der nur als ein Sich-Einhausen
in ein Unbekanntes, ein Sich-Hineindenken in den Anderen verstanden werden
könne. Der Ort der Kunst kann nicht von vornherein feststehen, sagte Gadamer, sondern
werde erschlossen, indem der Zuhörer durch Erhorchen dem
gehorcht, was ihm geboten werde. So habe auch die Kultur ihre Methode, aber
eben nicht eine, die sich in der vorgegebenen Regelbefolgung erschöpft, sondern hier sei
die Rückbesinnung auf den griechischen Ursprung des Begriffs nötig: mit
Methode eröffne man sich Gebiete, in die man erst hineinzugehen beabsichtige.
Auch Homi Bhabha beschäftigte sich in seinem Vortrag
Vernacular, Cosmopolitanism, and the Anxiety of Cultural Translation mit dem
genaueren Erhören der Stimmen, die sich unterhalb und zwischen den gewohnten politischen
Diskursen vernehmen lassen. Die herkömmlichen Einteilungen nach Nation, Rasse, Klasse,
rechts/links und anderen Polaritäten, die mit dem Prinzip des Ausschlusses arbeiten,
würden heute von neuen gesellschaftlichen Phänomenen untergraben wie Aids,
Multikulturalität und der Forderung nach Gleichberechtigung. Diese Herausforderungen
versammelten heute Fürsprecher aus den verschiedensten politischen Gruppierungen und mit
unterschiedlichsten Motivationen.
Es versteht sich von selbst, sagte Bhabha, daß damit auch
neue Diskursformen geprägt würden: die prinzipielle Hybridität des Wissens und der
Identifikation kennzeichneten heute die Neubestimmung des Politischen in der westlichen
Welt. Gemeinschaften bildeten sich durch die stete Verhandlung von Werten, durch einen
Fluß des Wiedereinschreibens also, der keine Reinformen mehr kenne.
Existenz könne nur exzentrisch verstanden werden, von den
Spuren einer nicht-kausal zu verstehenden Vergangenheit zwar immer wieder eingeholt, aber
dennoch ohne Ziel. Daß in diesem Prozeß auch Ängste entstehen, leuchtet ein. In Bhabhas
theoretischer Modellbildung ist Angst jedoch positiv belegt.
Angst ist für Bhabha ein notwendiges Vermittlungsmoment, sie
ermögliche Öffnung und Übersetzung, so daß sie letztlich die Verschiebungen bewirke,
die den Raum der Kultur ausmachen: Kultur sei, im Freudschen Sinne, von Natur aus
un-heimlich - das Haus oder Heim, das wir zu bauen meinen, kann keine festen
Grundmauern haben, es kennt nur Öffnungen und erweist sich somit als Zwischenraum par
excellence.
A.Geiger
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