Pflanzen können mit verschiedenen Strategien den Angriffen von Viren
standhalten. Unabhängig davon, wie sich die Pflanze wehrt, bleibt ihr aber eines nicht
erspart. Sie muß das Virus als Eindringling erkennen, und zwar möglichst sicher und
möglichst schnell. Denn nur wenn sie rasch das Abwehrprogramm in ihrem Erbmaterial
anschaltet, hat sie eine Chance, den Wettlauf gegen das Virus zu gewinnen, das sonst eine
Zelle nach der anderen schädigt.
Wie eine Pflanze mit Viren fertig wird, erforschen die Virologen an der Wildpflanze
Abutilon. Die Blätter dieser Malvenart sehen bei Virusbefall nur mosaikförmig gescheckt
aus, während eine verwandte Pflanzenart vom gleichen Virus völlig zu Grunde gerichtet
wird. In den Abutilon-Pflanzen suchen die Wissenschaftler zunächst nach den Eiweißen
(Proteinen), die es der Pflanze ermöglichen, ein Virus zu erkennen.
Mikroorganismen als Helfer
Obwohl jede Pflanzenzelle einen bunt gemischten Cocktail aus vielen verschiedenen
Proteinen enthält, die zum Teil nur in ganz geringen Mengen auftreten, haben die
Virologen schon ein paar Proteine gefunden, die für ihre weiteren Untersuchungen
interessant sind. Um ihr Ziel zu erreichen, verwenden die Wissenschaftler
molekularbiologische Methoden und setzen Mikroorganismen als Helfer ein.
Bei der Suche nach den viruserkennenden Pflanzenproteinen spielen Hefezellen eine
wichtige Rolle. In der Natur haben sie mit den untersuchten Pflanzen und Viren zwar gar
nichts zu tun. Aber Hefezellen lassen sich gut in großen Mengen kultivieren und relativ
leicht gentechnisch verändern. Das macht sie zum idealen Werkzeug für die Forscher, die
die Hefezellen dazu veranlassen, jedes Pflanzenprotein einzeln herzustellen, um sie
getrennt voneinander untersuchen zu können.
Die Information für alle ihre Proteine ist im Erbmaterial der Pflanze enthalten.
Dieses Erbmaterial, zerlegt in kleine Bruchstücke, die die Information für einzelne
Proteine tragen, haben die Wissenschaftler in Hefezellen übertragen. Viele verschiedene
Hefezellen produzieren nun jeweils eines der Proteine, die in der Pflanzenzelle vermischt
vorkommen.
Millionen von veränderten Hefezellen müssen die Forscher untersuchen, um die wenigen
zu finden, die ein Protein herstellen, das auf das Virus reagiert. Ein
molekularbiologischer Kunstgriff sorgt dafür, daß der Arbeitsaufwand für diese vielen
Tests bewältigt werden kann. Im Dihybrid-System" geben sich die gesuchten
Zellen nämlich durch blaue Färbung zu erkennen.
Blaue Hefezellen als Signal
Nicht nur pflanzliches Erbmaterial haben die Virologen in die Hefezellen eingeführt,
sondern auch Erbmaterial aus dem Virus (daher Dihybrid"). Das virale Material
enthält die Information für einen markanten Baustein, an dem die Pflanze das Virus
erkennt. Dieser Baustein gehört ebenfalls zur Stoffklasse der Proteine. Folglich stellt
jede Hefezelle nun zwei fremde Proteine her. Nur wenn wenn also das pflanzliche Protein
das Virusprotein erkennt, wird in der Hefezelle das Programm für die Produktion des
Farbstoffes angeschaltet. Blaue Hefezellen signalisieren also den Virologen, daß sich an
dieser Stelle weitere Untersuchungen lohnen.
Um die 30 interessante Proteine haben die Forscher auf diese Weise schon entdeckt, und
es gibt noch viele, die sie testen wollen. Wenn die Proteine, die bei der Virusabwehr
mitwirken, erst charakterisiert sind, ist der Weg zur Entschlüsselung der Erbinformation
fast eine Routineangelegenheit. Wenn sie erledigt ist, können die Versuche beginnen, die
gut ausgeprägte Resistenz der Wildpflanzen auch auf Kulturpflanzen zu übertragen.
Jeske und seine Mitarbeiter wollen resistente Pflanzen durch schnellere Virusabwehr
erzeugen. Dieser Ansatz unterscheidet sich grundsätzlich von anderen. Bisher wird
versucht, die Ausbreitung der Viren in der Pflanze zu verhindern, indem man Pflanzen durch
gentechnische Methoden dazu bringt, große Mengen an Virusprotein zu produzieren. So
sollen die Durchtrittspforten, die das Virus beim Weg von Zelle zu Zelle benötigt,
blockiert werden. Kritiker sehen darin ein großes Risiko. Das verwendete Protein bildet
nämlich häufig die Virushülle. In die vielen leeren Hüllen, die die veränderten
Pflanzen herstellen, könnte fremdes Erbmaterial einwandern, wodurch neue
Übertragungswege von Viren entstehen könnten. Ob und wie häufig das tatsächlich
passiert und welche Probleme sich daraus entwikkeln könnten, ist unter Fachleuten
umstritten.
Das Risiko, das man mit unserem Verfahren eingeht, ist geringer", sagt
Jeske. Denn hier würden die veränderten Pflanzen keine Virusproteine enthalten, sondern
nur Substanzen, die schon in anderen Pflanzen vorkommen. Daher hält Jeske diesen Ansatz
für besonders vielversprechend. /op
KONTAKT
Prof. Dr. Holger Jeske, Abteilung Molekularbiologie und Virologie der Pflanzen im
Biologischen Institut, Pfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart, Tel. 0711/685-5070, -5074, Fax
0711/685-5096
e-mail: holger.jeske@po.uni-stuttgart.de