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Stuttgarter unikurier Nr. 77/78 Februar 1998
Pflanzenvirologie:
Auf der Suche nach der Resistenz für morgen
 

Was sich die Landwirte für ihre Kulturpflanzen wünschen, haben viele Wildpflanzen von Natur aus aufzuweisen: sie sind resistent gegen Viren. Am Biologischen Institut erforschen Prof. Holger Jeske und seine Mitarbeiter, wie sich Wildpflanzen gegen Viren zur Wehr setzen können. Wenn sie das Erbmaterial, das Pflanzen gegen Viren resistent macht, entschlüsselt haben, könnte es in Zukunft in Kulturpflanzen übertragen werden, um resistente Sorten zu erzeugen.

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Pflanzen können mit verschiedenen Strategien den Angriffen von Viren standhalten. Unabhängig davon, wie sich die Pflanze wehrt, bleibt ihr aber eines nicht erspart. Sie muß das Virus als Eindringling erkennen, und zwar möglichst sicher und möglichst schnell. Denn nur wenn sie rasch das Abwehrprogramm in ihrem Erbmaterial anschaltet, hat sie eine Chance, den Wettlauf gegen das Virus zu gewinnen, das sonst eine Zelle nach der anderen schädigt.

Wie eine Pflanze mit Viren fertig wird, erforschen die Virologen an der Wildpflanze Abutilon. Die Blätter dieser Malvenart sehen bei Virusbefall nur mosaikförmig gescheckt aus, während eine verwandte Pflanzenart vom gleichen Virus völlig zu Grunde gerichtet wird. In den Abutilon-Pflanzen suchen die Wissenschaftler zunächst nach den Eiweißen (Proteinen), die es der Pflanze ermöglichen, ein Virus zu erkennen.

 

Mikroorganismen als Helfer
Obwohl jede Pflanzenzelle einen bunt gemischten Cocktail aus vielen verschiedenen Proteinen enthält, die zum Teil nur in ganz geringen Mengen auftreten, haben die Virologen schon ein paar Proteine gefunden, die für ihre weiteren Untersuchungen interessant sind. Um ihr Ziel zu erreichen, verwenden die Wissenschaftler molekularbiologische Methoden und setzen Mikroorganismen als Helfer ein.

Bei der Suche nach den viruserkennenden Pflanzenproteinen spielen Hefezellen eine wichtige Rolle. In der Natur haben sie mit den untersuchten Pflanzen und Viren zwar gar nichts zu tun. Aber Hefezellen lassen sich gut in großen Mengen kultivieren und relativ leicht gentechnisch verändern. Das macht sie zum idealen Werkzeug für die Forscher, die die Hefezellen dazu veranlassen, jedes Pflanzenprotein einzeln herzustellen, um sie getrennt voneinander untersuchen zu können.

Die Information für alle ihre Proteine ist im Erbmaterial der Pflanze enthalten. Dieses Erbmaterial, zerlegt in kleine Bruchstücke, die die Information für einzelne Proteine tragen, haben die Wissenschaftler in Hefezellen übertragen. Viele verschiedene Hefezellen produzieren nun jeweils eines der Proteine, die in der Pflanzenzelle vermischt vorkommen.

Millionen von veränderten Hefezellen müssen die Forscher untersuchen, um die wenigen zu finden, die ein Protein herstellen, das auf das Virus reagiert. Ein molekularbiologischer Kunstgriff sorgt dafür, daß der Arbeitsaufwand für diese vielen Tests bewältigt werden kann. Im „Dihybrid-System" geben sich die gesuchten Zellen nämlich durch blaue Färbung zu erkennen.

 

Blaue Hefezellen als Signal
Nicht nur pflanzliches Erbmaterial haben die Virologen in die Hefezellen eingeführt, sondern auch Erbmaterial aus dem Virus (daher „Dihybrid"). Das virale Material enthält die Information für einen markanten Baustein, an dem die Pflanze das Virus erkennt. Dieser Baustein gehört ebenfalls zur Stoffklasse der Proteine. Folglich stellt jede Hefezelle nun zwei fremde Proteine her. Nur wenn wenn also das pflanzliche Protein das Virusprotein erkennt, wird in der Hefezelle das Programm für die Produktion des Farbstoffes angeschaltet. Blaue Hefezellen signalisieren also den Virologen, daß sich an dieser Stelle weitere Untersuchungen lohnen.

Um die 30 interessante Proteine haben die Forscher auf diese Weise schon entdeckt, und es gibt noch viele, die sie testen wollen. Wenn die Proteine, die bei der Virusabwehr mitwirken, erst charakterisiert sind, ist der Weg zur Entschlüsselung der Erbinformation fast eine Routineangelegenheit. Wenn sie erledigt ist, können die Versuche beginnen, die gut ausgeprägte Resistenz der Wildpflanzen auch auf Kulturpflanzen zu übertragen.

Jeske und seine Mitarbeiter wollen resistente Pflanzen durch schnellere Virusabwehr erzeugen. Dieser Ansatz unterscheidet sich grundsätzlich von anderen. Bisher wird versucht, die Ausbreitung der Viren in der Pflanze zu verhindern, indem man Pflanzen durch gentechnische Methoden dazu bringt, große Mengen an Virusprotein zu produzieren. So sollen die Durchtrittspforten, die das Virus beim Weg von Zelle zu Zelle benötigt, blockiert werden. Kritiker sehen darin ein großes Risiko. Das verwendete Protein bildet nämlich häufig die Virushülle. In die vielen leeren Hüllen, die die veränderten Pflanzen herstellen, könnte fremdes Erbmaterial einwandern, wodurch neue Übertragungswege von Viren entstehen könnten. Ob und wie häufig das tatsächlich passiert und welche Probleme sich daraus entwikkeln könnten, ist unter Fachleuten umstritten.

„Das Risiko, das man mit unserem Verfahren eingeht, ist geringer", sagt Jeske. Denn hier würden die veränderten Pflanzen keine Virusproteine enthalten, sondern nur Substanzen, die schon in anderen Pflanzen vorkommen. Daher hält Jeske diesen Ansatz für besonders vielversprechend.     /op

 

KONTAKT
Prof. Dr. Holger Jeske, Abteilung Molekularbiologie und Virologie der Pflanzen im Biologischen Institut, Pfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart, Tel. 0711/685-5070, -5074, Fax 0711/685-5096
e-mail: holger.jeske@po.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart 1998