Angesichts dieser Problemlage ist zunächst darauf zu verweisen, daß die
Philosophie bescheidener" geworden ist. Allerdings kann sie im Zuge ihrer
Selbstbesinnung und Selbstbescheidung Kompetenzen aufweisen und Leistungen erbringen, die
für die wissenschaftlich-technische Moderne unverzichtbar geworden sind. Die
Wissenschaften sind in einem hohen Maße technisiert, d.h. in ihrem Erkenntnisfortschritt
von technischen Innovationen abhängig, und die Techniken sind verwissenschaftlicht
(weshalb man auch von Technologien spricht), d.h. sie stützen sich bei der Begründung
ihrer methodischen Strategien sowie bei der Beurteilung ihres Erfolges auf
wissenschaftliche Modelle. Diese Verschränkung von wissenschaftlicher und technischer
Rationalität hat mancherlei Kritik hervorgerufen. Sie basiert auf der Furcht, daß die
steigende Langfristigkeit der Wissenschafts- und Technikfolgen sowie die zunehmende
Eingriffstiefe in natürliche und soziale Zusammenhänge die Fehlerfreundlichkeit und
Korrigierbarkeit unseres Handelns zerstören. Komplexität und Globalität
gesellschaftlicher Nutzungszusammenhänge, Interessen am Bestandserhalt unserer Umwelt
sowie individuell-lebensweltliche Perspektiven würden in viel zu geringem Maße
berücksichtigt.
Der Philosophie fällt nun nicht zwangsläufig die Aufgabe zu, sich zum Wortführer
dieser Kritik zu erheben. Aber sie vermag auf der Basis ihrer eigenen
wissenschaftlich-methodischen Kompetenz einen Beitrag zur Gestaltung jener Diskussionen zu
leisten, indem sie Leistungen, Chancen und Potentiale, Risiken und Verluste unseres
wissenschaftlich-technischen Handelns deutlicher konturiert.
Ihr Beitrag - und daran orientieren sich Lehrangebote und Forschungsprojekte der neuen
Abteilung - liegt in der
- Modellierung/Analyse wissenschaftlich-technischen Handelns,
- Reflexion der Reichweite und Grenzen von Grundbegriffen, Methoden und Leitbildern,
- Moderation der Diskussionen und Abwägungsprozesse angesichts konfligierender
Interessenlagen.
Wissenschaftstheorie und Technikphilosophie entwickeln Begriffsangebote zur präziseren
Erfassung der Problemlagen, legen Bedingungen, Leistungen und Grenzen
wissenschaftlich-technischer Welterschließung offen und tragen damit produktiv und
konstruktiv zur Suchraumerweiterung" bei. Ausdifferenzierte Kontexte und
komplexe Verantwor-tungsteilungen bedenkend, unterbreiten sie Gestaltungsvorschläge für
die notwendigen Kommunikationsprozesse und geben Empfehlungen im Blick auf notwendige
Rechtfertigungen anstehender Entscheidungen (Ethik der Technik). Ein modernes Denken, das
sich zunehmend der Medien bedient und in Simulationen und Szenarien die Zukunft
erschließt, und ein Handeln, das in zunehmendem Maße nur noch indirekt mit seinen Folgen
konfrontiert wird, bedarf jener funktionalen Ergänzung, wie sie Wissenschaftstheorie und
Technikphilosophie anbieten.
Entsprechend sind Lehrangebote, wie sie die Abteilung für das Studium Generale
(mittelfristig zur besseren Erreichbarkeit der Adressaten auch im Netz) oder im Rahmen der
Wahl- und Zusatzfachangebote entwickelt, nicht als bloße Service-Leistungen zu verstehen.
Wie der VDI (Empfehlung zur Integration fachübergreifender Studieninhalte in das
Ingenieurstudium 1990) und die Deutsche Kommission für Ingenieursausbildung
(Entschließung der DKI 1991) nachdrücklich gefordert haben, muß angesichts der
Dynamisierung der Wissensbestände und der Anforderungen an Wissenschaftler/innen
und Ingenieure/innen bei der Mitgestaltung der Technikentwicklung vor dem Hintergrund
ökonomischer, ökologischer und gesellschaftspolitischer Anforderungen" in
verstärktem Maße die Vermittlung von
- Methodenkompetenz,
- Sozialkompetenz,
- Wertekompetenz
integraler berufsqualifizierender Ausbildungsgegenstand werden. Dabei geht es nicht um
die Vermittlung von Vorgaben; Kompetenz meint ja die Fähigkeit, sich souverän in einem
Problemfeld zu bewegen.
Die Forschungsprojekte der Abteilung sind ausschließlich interdisziplinär konzipiert;
ein Schwerpunkt der Bemühungen liegt in der Vorbereitung eines SFB Konstruktion und
Kreativität", dessen Planung von der Fakultät 11 angeregt wurde und der als
Verbundprojekt von Geistes-, Informations- und Ingenieurwissenschaften die Diskussion um
Fragen der Heuristik voranbringen soll.
KONTAKT
Prof. Dr. Christoph Hubig, Abt. Wissenschaftstheorie und Technikphilosophie, Seidenstr.
36, 70174 Stuttgart,Tel. 0711 -121 24 91 - Fax: -24 92