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Stuttgarter unikurier Nr. 77/78 Februar 1998
Investition in eine Schlüsseltechnologie:
Einweihung des neuen Institutsgebäudes (ETI II)
 

"Millionen, die sich lohnen", konstatierte Ministerpräsident Erwin Teufel in seiner Ansprache zur Festveranstaltung der Fakultät Elektrotechnik der Universität Stuttgart am 7. Oktober bei der Einweihung des neuen Institutsgebäudes auf dem Vaihinger Campus. Die jahrelange räumliche Trennung der Fakultät und die damit verbundenen Reibungsverluste für Wissenschaftler und Studierende haben mit der Belegung des Gebäudes ETI II nun ein Ende. Und so herrschte bereits eine freudige Stimmung im vollbesetzten Hörsaal 53.01, dem größten der Universität, als das Blechbläserquintett des Kammerorchesters die Verstanstaltung musikalisch einleitete. Zu einem „Tag der Elektrotechnik" hatte die Fakultät geladen, der sich aus der Festver-anstaltung, der Förderpreisverleihung sowie zahlreichen Präsentationen und Veranstaltungen der elektrotechnischen Institute zusammensetzte.

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Das neue ETI IIDer Rektor der Universität, Prof. Dr.-Ing. Dres. h.c. Günter Pritschow, eröffnete den Festakt. Er erinnerte in seinem Grußwort an die große Tradition der Stuttgarter Elektrotechnik und beglückwünschte die Fakultät zu dem neuen Gebäude, mit dem sie nun ihrem ausgezeichneten Ruf entsprechend ausgestattet sei. Sein Dank ging an das federführende Universitätbauamt sowie an die Landesregierung, die „in Zeiten des Sparens" dennoch diese besondere Leistung ermöglicht habe.

Basiswissenschaft im Informationszeitalter
Auch der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Erwin Teufel, betonte in seiner Ansprache die große Tradition der Elektrotechnik, von der Ende des 19. Jahrhunderts die „zweite industrielle Revolution" ihren Anfang nahm und die sich zusammen mit dem Maschinenbau und der Fahrzeugtechnik zur Schlüsselbranche in Baden-Württemberg entwickelt habe. Heute stehe die Elektrotechnik als Basiswissenschaft auch für das Zeitalter der Information und Kommunikation, sagte der Ministerpräsident. In ihrer Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gelte die Stuttgarter Elektrotechnik als einer der wichtigen Kristallisationspunkte für technische Entwicklungen von morgen und für die Arbeitsplätze der Zukunft.

Der Ministerpräsident bezeichnete die weitsichtige und wichtige Entscheidung der frühen 60er Jahre zur Errichtung eines neuen Campus für die Universität Stuttgart in Vaihingen als eine Zukunftsinvestition in der Vergangenheit, die sich ausgezahlt habe. „Die Universität Stuttgart hat die in sie gesetzten hohen Erwartungen erfüllt", lobte Teufel. Ihre herausragende Bedeutung als Technische Universität sei unbestritten, und die Ausstrahlung der geleisteten Forschung reiche weit über die Landesgrenzen und über die nationalen Grenzen hinaus.

 

Schlüsselfaktoren Bildung und Wissenschaft
Es sei zwar erfreulich, daß der Rückgang der Studienbewerber gerade in den Ingenieurwissenschaften allmählich zum Stillstand komme. Teufel rief aber gleichzeitig zu weiteren Anstrengungen auf, die Abiturienten für ein Studium zu begeistern, „das gute und sichere Berufsperspektiven" biete. Die Schlüsselfaktoren für die Zukunftschancen der jungen Generation lägen in den Bereichen Bildung, Wissen und schöpferischer Kreativität. Dies bedeute aber auch, so der Ministerpräsident, daß für die Generation der Eltern die Bildung und berufliche Qualifikation ihrer Kinder wichtiger sein müsse, als das Geld auf die hohe Kante zu legen. Dies gelte auch für Staat und Gesellschaft, und mit der Zukunftsoffensive Junge Generation habe Baden-Württemberg bereits bundesweit Maßstäbe gesetzt.

„Vom Wissen zum Produkt, vom Produkt zum Markterfolg und vom Markterfolg über öffentliche und privatwirtschaftliche Forschungsausgaben wieder zu neuem Wissen. Dieser Kreislauf muß funktionieren", betonte der Ministerpräsident.

Der Sprecher der Geschäftsleitung der Bosch Telecom GmbH, Dr.-Ing. Werner Andexser, der selber an der Universität Stuttgart studiert und wissenschaftlich gearbeitet hat, sprach anschließend über die Rolle der Telekommunikation innerhalb der weltweit bestimmenden Globalisierung. Deregulierung und internationaler Wettbewerb im wirtschaftlichen Geschehen haben unter anderem zur Folge, sagte Andexser, daß bei einem Unternehmen wie Bosch Telecom die Umsätze aus der Produktion rücklaufig, die Umsätze aus Dienstleistungen dagegen steigend seien. Gerade die Technologien der Telekommunikation hätten die heutige Arbeitswirklichkeit nachhaltig verändert und hierauf müsse auch die Ausbildung reagieren.

 

Bedeutung der Technik herausstellen
Einen möglichen Grund für das seit längerem bemerkbare Desinteresse an technischen Fächern vermutete Andexser in der ausgeprägten Benutzerorientierung der modernen Technik. Die heutigen Anwender moderner Technologien seien gerade wegen der Perfektion der Produkte nicht mehr in der Lage, die zugrundeliegende technische Leistung zu registrieren und zu würdigen. Die damit verborgene Bedeutung der Technik könne auch nur schwer als weitere Herausforderung reizen. D. h., man wolle die Technik nutzen, ohne sie zu kennen oder gar zu studieren. Der Mangel an geeigneten Absolventen habe bei Bosch Telecom bereits heute dazu geführt, einen Teil des Ingenieur-Nachwuchses im Ausland zu rekrutieren, bezeihungsweise ganze Bereiche ins Ausland zu verlagern.

 

Ausgezeichnete Berufsaussichten
Auch der Dekan der Fakultät, Prof. Dr.-Ing. Joachim Speidel, stellte die glänzenden Berufsaussichten angehender Ingenieure heraus. In einer Hochrechnung der gegenwärtigen Studierendenzahlen ermittelte der Dekan, daß im Jahre 2000 bundesweit nur knapp 1.800 Absolventen die Universitäten verlassen werden. Dagegen setzte er die Tatsache, daß allein Siemens jährlich 3.000 junge Ingenieure einstelle.

Eine Neuausrichtung des Studiengangs Elektrotechnik sei derzeit in Vorbereitung, sagte der Dekan, der stärker die Kommunikations- und Informationstechnologie in den Mittelpunkt stelle. Nach neun Semestern sei dabei der gleichzeitige Abschluß als Diplom-Ingenieur und Master vorgesehen; dazu könne bereits nach dem siebten Semester der Bachelor-Abschluß erworben werden. Zusätzlich zum bereits bestehenden Doppeldiplom mit einer französischen Universität sei gerade ein Doppeldiplomstudium mit einer amerikanischen Universität in Vorbereitung.

Zum Abschluß des Festaktes wußte das Blechbläserquintett des Kammerorchesters noch einmal die Aufmerksamkeit der zahlreichen Gäste mit einem Stück von Antonin Dvorak auf sich zu lenken.     /eng

Foto: Janzer

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Die Fakultät stellt sich vor:
Rundgang durch die Elektrotechnik
 

Beim anschließenden Rundgang durch das neue Institutsgebäude wurde der Ministerpräsident im neuen ET II vom Leiter des Universitätsbauamtes, Klaus Schmiedek, empfangen, der Architektur und Kunst des Gebäudes erläuterte. Im Institut für Nachrichtenvermittlung und Datenverarbeitung wurden im neu eingerichteten Netzlabor die Möglichkeiten moderner Breitband-Videokonferenz-Verbindungen eindrucksvoll vorgestellt. Die gezeigte Technik bildet die Basis für zukünftige Anwendungen des „distant learning". Danach besuchte der Ministerpräsident das Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik, bei dem die Einrichtungen des neuen Hochspannungslabors vorgestellt wurden. Der Tag der Elektrotechnik wurde von allen Instituten der Fakultät genutzt, um den interessierten Besuchern einen Einblick in ihre Arbeit zu geben.

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Das Institut für Leistungselektronik und Regelungstechnik stellte unter anderem das Regelkonzept und die leistungselektronischen Stellglieder für das im Transrapid verwendete Trag- und Führsystem vor.

Im Institut für Physikalische Elektronik konnten die Besucher Exponate aus den Bereichen Solarzellen, Sensoren, Bildverarbeitung und Brennstoffzellen besichtigen, unter anderem wurden Photodiodenarrays für Netzhautimplantate zur Wiederherstellung des Sehvermögens blinder Patienten vorgestellt.

Die Erstellung von Diplomarbeiten in Hypermediaform sowie die Entwicklung von Steuerungssoftware für mobile Robotersysteme wurden unter anderem bei den Vorführungen des Instituts für Automatisierungs- und Softwaretechnik gezeigt.

Informationen zum neuesten Stand bei der Entwicklung flacher Flüssigkristallbildschirme erhielten die Besucher am Institut für Netzwerk- und Systemtheorie und konnten an Vorführungen zur digitalen Verarbeitung von Sprache und Musik teilnehmen.

Zu den Präsentationen des Instituts für Theorie der Elektrotechnik gehörten Simulationen des dynamischen Verhaltens eines ABS-Ventils oder Beispiele für das dynamische Verhalten eines Uhrenschrittmotors.

An fünf Stationen wurden die Besucher über die Arbeit des Instituts für Hochfrequenztechnik informiert, so auch darüber, wie eine präzise Meßtechnik für die elektromagnetische Verträglichkeit arbeitet oder wie ein strahlenoptisches Verfahren zur Feldstärkeprognose im Mobilfunk aufgebaut ist.

Gleich drei Veranstaltungen steuerte das Institut für Elektrische Maschinen und Antriebe zum Tag der Elektrotechnik bei. „Neue elektrische Antriebssysteme" wurden bei dem Symposium des Instituts am Nachmittag des 7. Oktober von russischen und deutschen Experten diskutiert. Bereits in der Woche davor hatte das Institut bei einem internationalen Meeting zwanzig Wissenschaftler aus der internationalen Supraleitungsforschung zu Gast. Den Höhepunkt der Veranstaltungsreihe bildete das gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer Stuttgart veranstaltete Industrie-Kolloquium am 8. Oktober, bei dem in Vorträgen und Vorführungen in den modern ausgestatteten Laboratorien des neuen Gebäudes das Thema „Mechatronik revolutioniert die Antriebstechnik" behandelt wurde.

Am Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik wurden unter anderem Messungen der Übertragungsfunktion an Transformatoren vorgeführt und Expertensysteme in der Energieversorgung sowie Feldsonden zur Messung elektrischer und magnetischer Felder gezeigt.

Das Institut für Nachrichtenvermittlung und Datenverarbeitung hatte Demonstrationen und Informationen in den Einrichtungen Hardware-, Netz- und Softwarelabor vorbereitet und zeigte unter anderem Anwendungen und Meßtechnik in ATM-basierten Weitverkehrsnetzen und zum Management von Kommunikationssystemen, wobei auch der Bereich Sicherheit in Kommunikationssystemen dokumentiert wurde. Gemeinsam mit dem Departement Leseaux der Partner-Hochschule Telecom Paris veranstaltete das Institut am 8. und 9. Oktober den „6th International Workshop on High Speed Networks" mit 70 Nachwuchswissenschaftlern aus zehn Ländern.

Am Institut für Halbleitertechnik wurden unter anderem Elektrische Meßverfahren zur Bestimmung von Bauelementparametern vorgestellt. Dazu bestand die Möglichkeit, sich über den Bau des Reinraums für Halbleitertechnik direkt an der Baustelle zu informieren.

Vorführungen zur aktuellen Technik des digitalen Hörfunks gab es neben anderen Präsentationen am Institut für Nachrichtenübertragung. So wurden auch die Bilddatenkompression für HDTV, TV und Bildtelefon vorgeführt und optische Übertragungssysteme mit Kunststofflichtwellenleitern für analoge Fernsehsignale gezeigt.

Die digitale Signalverarbeitung mit Signalprozessoren demonstrierte das Institut für Eletrische und Optische Nachrichtentechnik. Auch die Modellierung optoelektronischer Komponenten und die optische Linienbreitenmessung gehörten zu den Vorführungen des Instituts.

Das Institut für Plasmaforschung informierte über den aktuellen Forschungsstand in der Plasmaforschung und demonstrierte unter anderem die Technologie beim Mikrowellen-Keramik-Sintern sowie die Spektroskopie am Plasma-Windkanal.      /eng

 

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Das neue Gebäude:
Helle Räume für die Wissenschaft
 

Die ersten Planungen für eine angemessene räumliche Ausstattung und Zusammenführung der elektrotechnischen Institute der Universität Stuttgart begannen bereits Ende der sechziger Jahre. Der erste Bauabschnitt, das Gebäude Elektrotechnische Institute I (ETI I), wurde 1983 fertiggestellt. Die Baufreigabe für die zweite Baustufe erfolgte im April 1993. Nach einer Bauzeit von dreieinhalb Jahren konnten Anfang diesen Jahres die sechs elektrotechnischen Institute aus der Innenstadt nach Vaihingen umziehen. „Das Gebäude stammt vollständig aus der Feder des Bauamtes und ist mit Baukosten von 61,5 Mio DM rund 15 Prozent günstiger als zunächst veranschlagt", stellte Ministerialdirigent Thomas Knödler, der Leiter der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg, bei der Eröffnung heraus.

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Das neue ETI II hat eine Hauptnutzfläche von 8.300 Quadratmetern, in dem neben den Instituten zahlreiche Sonderlabore untergebracht sind wie das Video-Labor, das Kommunikationsnetze-Labor, die Optoelektronik-Labore, das Labor für Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV/EMVU) und das Hochspannungslabor sowie ein Labor für mechatronische Antriebssysteme.

 

Vernetzte Baustruktur
Auch das neue Gebäude ist wie die meisten Einrichtungen auf dem Vaihinger Campus nach dem Prinzip der vernetzten Baustruktur errichtet, der Neubau ETI II setzt das Stahlbetongerüst des ETI I fort. Das Äußere des Gebäudes ist mit einer Aluminiumhaut überzogen, in der sich die Umgebung hell reflektiert. Auch die Innenräume sind auffallend hell, was durch die weißen Metalldecken in den Labors und Büros unterstützt wird.

 

Kunst im Eingang
Und das ETI II hält auch eine kleine künstlerische Besonderheit bereit. An der Wand links neben dem Eingang zieht ein großes gegliedertes Rechteck die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich. In zwölf Reihen zu je achtzehn Kästen, also auf insgesamt 216 Karten, sind alle Räume des Gebäudes abgebildet. Besucher und Mitarbeiter können diese Karten entnehmen und als Grußkarten benutzen. Die Wand ist also ein äußerer Spiegel des Innenlebens des Gebäudes. „In der Installation im Foyer verkehren sich die ansonsten verborgenen Innenräume in ihrer Gesamtheit plötzlich zu einer Schauseite, gleichsam zu einer architektonischen Fassade", schreibt dazu Konard Bitterli vom Kunstmuseum St. Gallen in der zur Eröffnung erschienen Broschüre des Universitätsbauamtes.

Übrigens hat auch die Fakultät Elektrotechnik aus Anlaß der „Wiedervereinigung" ihrer Institute eine vollauf gelungene Broschüre herausgegeben, in der das Lehrangebot, die Forschungsgebiete und Einrichtungen sowie die über einhundertjährige Geschichte der Fakultät vorgestellt werden.      /eng

 


last change: 09.06.98 / eng
Pressestelle der Universität Stuttgart 1998