Wir brauchen den Mut, Deutschland zum innovationsfreudigsten Land zu
entwickeln, ermutigte Prof. Günter Pritschow, Rektor der Universität Stuttgart, in
seiner Eröffnungsrede die Anwesenden. Insbesondere die Ausbildung werde zukünftig die
Position unserer Wirtschaft im Wettbewerb bestimmen. Hier müßten sowohl von den
Universitäten als auch der Industrie die richtigen Signale ausgehen. Es gilt, den
Dialog zwischen Theorie und Praxis zu stärken, nur so können zukunftsweisende
Innovationsquellen erschlossen werden, betonte Prof. Pritschow und forderte einen
noch engeren Austausch zwischen Forschung und Praxis.
In einleitenden Impulsvorträgen gaben Fachleute aus
Wirtschaft und Wissenschaft einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen und
Trends in der Fertigungstechnik. Aspekte wie Kundenorientierung,
Mitarbeiterorientierung sowie die enge Zusammenarbeit von Forschung und
Anwendung wurden hier als zentrale Punkte angesprochen.
Die Kontroverse Product or market driven stand im
Mittelpunkt des Vortrags von Prof. H. Sabel von der Universität Bonn. Er reklamierte bei
heutigen Entwicklungsprozessen eine mangelnde Nutzenorientierung. Think in the head
of the customer - die technologische Lösung muß sich dem Markt unterwerfen,
lautete seine klare Botschaft aus wirtschaftswissenschaftlichem Blickwinkel. Innovation
dürfe nicht erst aus Krisen heraus entstehen, sondern müsse ein beständiger, vom
will to kill angetriebener Prozeß sein.
Die Realisierung eines technologisch führenden Produktes mit
hohem Nutzen präsentierte Dr. Thomas Weber von der Daimler-Benz-AG am Beispiel des neuen
Motorenwerkes Bad Cannstatt. Wirtschaftliche Produktion am Standort Deutschland, die
ökologisch vernünftig ist und sichere Arbeitsplätze bietet, ist möglich, so die
Erfahrung bei Daimler Benz. In seinem Beitrag zu Perspektiven in der Fahrzeugentwicklung
betonte Daimler Mitarbeiter Dr. Michael Krämer: Innovation kann nur durch Menschen
entstehen. Die Trends in der Fahrzeugentwicklung würden heute auch durch den Wandel
gesellschaftlicher Werte bestimmt. Mit Lifestyle-orientierten Produkten, wie z.B.
Minivans, Compact Roadster und Minicars, trage man dieser Entwicklung Rechnung.
Die Innovationen der letzten Jahre im Werkzeugmaschinenbau
illustrierte Dr. Hans Klingel von der Firma Trumpf. Bedürfnisse der Kunden und neue
Forschungsergebnisse müssen heute die technologische Weichenstellung bestimmen,
faßte er die Tendenzen in diesem Bereich zusammen. Die Produktion sei ein dynamisches
Feld, das sich an seinen immer wieder aufs Neue zu definierenden Grenzwerten orientiere.
Im Moment findet eine Mutation vom Maschinen- zum Systemlieferanten statt,
resümierte Klingel den Trend von der Produktherstellung zur Lieferung von Ideen und
Problemlösungen.
Die Ausweitung von Innovationsprozessen über die
Produktion hinaus auf die gesamte Wertschöpfungskette wird vor allem durch ganzheitliche
Lösungen mit vernetzen Strukturen unterstützt, führte Dr. Claus Heinrich von der
SAP AG in Konzepte einer völlig neuen Anwendersoftware ein. Diese soll als integrierte
Lösung die Durchführung und Abbildung ganzer Produktprozesse ermöglichen.
Zukunftspotential sieht man in dem Softwareunternehmen dabei konkret im Einsatz von
Internet und Intranet, beispielsweise für die Beschaffung.
Die Einladung der Tagungsteilnehmer in Laborräume und
Versuchsfelder der neun beteiligten Fertigungstechnischen Institute bot Gelegenheit, vor
Ort aktuelle Forschungs-projekte kennenzulernen. Parallel zum Besichtigungsprogramm
stellten 30 Vorträge die Arbeit der Institute im Detail vor und vermittelten Einblick in
neue Forschungsergebnisse aus Bereichen mit Innovationspotential.
Die zweite Hälfte des Kolloquiums widmete sich in vertieften
Fachvorträgen Teilbereichen der Fertigungstechnik. Prof. Klaus Siegert vom Institut für
Umformtechnik der Universität Stuttgart berichtete im Bereich Fertigung im und für
den Fahrzeugbau und Karosseriebau über die Verkürzung der Prozeßkette bei
der Herstellung von Blechbauteilen durch integrierte Verfahrenskombinationen. Im
Teilbereich Wandlungsfähige Produktion stellte Prof. Engelbert Westkämper
vom Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb der Uni Stuttgart Konzepte und
Visionen zur Lernfähigen Produktion vor. Um Dienstleistung als neue
Kernkompetenz des Produktionsbetriebs drehte sich der Beitrag von Prof. Hans-Jörg
Bullinger vom Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement im Teilbereich
Chancen für den Produktionsbetrieb im Dienstleistungsbereich. In einer weiteren
Session standen Innovationen im Maschinenbau im Blickpunkt der Fachvorträge.
Wie in vergangenen Jahren bot auch das diesjährige
Fertigungstechnische Kolloquium eine breite Plattform, um den Austausch zwischen Industrie
und Forschung zu fördern. Wir müssen uns der Verpflichtung zur Innovation
unterziehen, lautete der Aufruf von Uni-Rektor Pritschow in seiner Begrüßungsrede
- mit der erfolgreich durchgeführten Veranstaltung ist man diesem Ziel einen Schritt
näher gekommen.
U. Felger
KONTAKT
Institut für Werkzeugmaschinen, Dipl.-Ing. Harald Krondorfer, Holzgartenstraße
17, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-3863, Fax 0711/121-3858
e-mail: harald.krondorfer@po.uni-stuttgart.de
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