Den Eröffnungsvortrag hielt der Straßburger Germanist Prof. Fink.
Abweichend von der gängigen These eines seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor
allem bei Schriftstellern nachweisbaren deutschen Nationalbewußtseins betonte Fink das
Bewußtwerden regionaler Identität und zeigte - am Beispiel von Schwaben und Sachsen etwa
-, wie im Kontext politischer, kultureller und konfessioneller Auseinandersetzungen
innerhalb des deutschen Reichs genau dieselben Auto- und Heterostereotype eingesetzt
wurden, die traditionell aus den deutsch-französischen Beziehungen bekannt sind. Daß das
Reich mit seiner komplizierten Verfassung schon in der Encyclopédie, dem
Standardwerk der französischen Aufklärung, als ein vernünftiges und nützliches
Staatsgebilde vorgestellt wurde, belegte der Marburger Historiker Prof. Malettke. Sein
Stuttgarter Kollege Prof. Kuhn stellte mentalitätsgeschichtlich aufschlußreiche
Ergebnisse seines Forschungsprojekts zu Politisierung und Nationalisierung deutscher
Studenten unter dem Einfluß der Französischen Revolution vor. Anhand deutscher
Reiseberichte aus dem revolutionären Paris erläuterte M. Holl (Stuttgart) den
Zusammenhang von politisch motivierten Textstrategien und nationalen Wahrnehmungsmustern;
über die Politisierung der Leitunterscheidung von französischer Höflichkeit
und deutscher Tiefe in der Paris-Berichterstattung des Vormärz sprach Dr. Grubitz (Jena).
Dr. Stauf (Berlin) wies nach, daß selbst die anerkannten Mittler zwischen beiden
Kulturen, Heine und Börne, mit stereotypen Nationaleigenschaften wie deutschem
Geist und französischer Tatkraft argumentierten und so einem
deutschen Sendungsbewußtsein das Wort redeten. Welche Funktion
Nationalcharakteristiken in den Karikaturen der im klassischen Weimar erscheinenden
Zeitschrift London und Paris hatten, untersuchte Prof. Kaiser (Jena).
Während der Stuttgarter Romanist Prof. Blumenthal in seinem
Vortrag 'Allemagne' aus korpuslinguistischer Sicht Möglichkeiten und Grenzen
computergestützter Datenerhebung aufzeigte, deutete Prof. Wiedemann (Berlin) das Motiv
Fremdheit epochen- und grenzüberschreitend: Seit der französischen
Aufklärung gehört Fremdsein im eigenen Land zur Selbstbeschreibung der
Intellektuellen. Um die Vermittlung des Fremden mit dem Eigenen ging es Dr. Laudin (Rouen)
und R. Kopp (Stuttgart) in ihren Analysen zur Präsentation deutscher Literatur und zum
strategischen Gebrauch nationaler Stereotype in französischsprachigen Zeitschriften.
Ausgehend von dem Jean Paul-Zitat Franzosen sind wie Weiber geborene Weltleute
interpretierte Dr. Florack (Stuttgart) diskursive Verschränkungen von Nationen- und
Geschlechterklischees. Prof. Jørgensen (Kopenhagen) bereicherte das Tagungsthema um eine
europäische Außenperspektive: am Beispiel der Komödie erläuterte er die
sozialkritische Funktion des typisch Deutschen in der dänischen Literatur des
18. Jahrhunderts.
R. Florack
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Prof. Dr. Horst Thomé, Dr. Ruth Florack, Institut für Literaturwissenschaft/
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