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Stuttgarter unikurier Nr. 77/78 Februar 1998
Festkolloquium für Professor Rühle:
Vom wissenschaftlichen Rechnen zum Höchstleistungsrechnen
 

Die Entwicklung des wissenschaftlichen Rechnens bis zum heutigen Höchstleistungsrechnen in Stuttgart stand im Mittelpunkt eines Festkolloquiums, veranstaltet vom Rechenzentrum der Universität Stuttgart (RUS) am 5. Dezember 1997. Das Stuttgarter Rechenzentrum zählt heute zu den weltweit leistungsstärksten und angesehensten Einrichtungen seiner Art. Dies ist nicht zuletzt auf Prof. Dr.-Ing. Roland Rühle zurückzuführen, seit 1986 zunächst wissenschaftlicher Direktor und seit 1992 Direktor des RUS. Sein 60. Geburtstag am 5. Oktober 1997 war Anlaß für die Veranstaltung.

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Das Kolloquium orientierte sich an Prof. Rühles beruflichem, übrigens reinen Stuttgarter Lebensweg. Schon in den späten 60er Jahren hat er der Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung in den Ingenieurwissenschaften den Weg geebnet, insbesondere durch die maßgebliche Entwicklung des Daten und Methoden gleichermaßen integrierenden Programmsystems RSYST als Basis für objektorientiertes Software Engineering am Institut für Kernenergetik und Energiesysteme. Dies erläuterte Priv.-Doz. Dr.-Ing. Fritz Schmidt als Leiter der dortigen Abteilung Wissensverarbeitung und Numerik an Beispielen aus den Bereichen Reaktorsicherheit und Umwelttechnik. Den Studierenden des Maschinenbaus hat Prof. Rühle im Rahmen seines Lehrstuhls Anwendungen im Maschinenwesen schon sehr früh die immer wichtiger werdenden Kenntnisse in der Anwendung der wissenschaftlichen Datenverarbeitung zur Lösung ingenieurwissenschaftlicher Fragestellungen unter Verwendung komplexer Datenmodelle und Methoden zur Beschreibung abstrakter Systeme und Modelle nahegebracht. Hierbei war ihm die Wiederverwendung von Bewährtem wichtig, was die Langlebigkeit und Aktualität seiner Softwareentwicklungen und -konzepte in hohem Maße kennzeichnet.

Prof. RühleRühles Verdienste um das wissenschaftliche Rechnen an der Universität Stuttgart und seinen erfolgreichen Einsatz bei der Beschaffung modernster, leistungsstarker Computer für den Wissensstandort Stuttgart hob Prof. Dr.-Ing. Alfred Voss, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, hervor, der in Vertretung des Dekans der Fakultät Energietechnik sprach. Als Leiter des Rechenzentrums hat Prof. Rühle dieses zum weltweit anerkannten Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) weiterentwickelt und dabei die Kooperation mit der Industrie stark ausgebaut, was sich in der 1995 gegründeten hww GmbH als Betriebsgesellschaft für Höchstleistungsrechner in einem verteilten Rechenzentrum zwischen den Standorten Stuttgart-Untertürkheim und Vaihingen etabliert hat. Die gemeinsame Nutzung der Rechneranlagen bringt dabei für alle Partner immense wirtschaftliche Vorteile und Synergieeffekte. Im Rahmen des ersten Bundesrechenzentrums steht diese Rechnerleistung allen wissenschaftlichen, öffentlich geförderten Einrichtungen in Deutschland zur Verfügung, und zwar mit fachbezogener wissenschaftlicher Unterstützung durch Mitarbeiter des HLRS und weiterer Kompetenzzentren.

Die Notwendigkeit und der nutzbringende Einsatz dieser Vektor- und parallelen Supercomputer neuester Technologie in Forschung und Entwicklung wurde an beeindruckenden Beispielen erläutert, wie etwa bei der numerischen Simulation schlanker Wirbel im Zylinder eines Kolbenmotors bei 2.000 Umdrehungen pro Minute. Prof. Dr. Egon Krause von der RWTH Aachen verwies auf die derzeit bundesweit nur in Stuttgart verfügbare und für diese Art der Simulation unbedingt notwendige Rechen- und Speicherkapazität.

Der Prorektor für Forschung und Technologie, Prof. Dr. Ernst Messerschmid, würdigte den Forschungsmanager Rühle, seinen Einsatz und seinen Mut zum Risiko, verbunden mit seinem Engagement, mit an der Spitze des technologischen Fortschrittes zu stehen. Dies habe maßgeblich zum hohen internationalen Ansehen der Universität und des Rechenzentrums beigetragen. Seine Initiativen in der Ausbildung mit dem seit 1973 bestehenden Pflichtfach Anwendungen der Informatik im Maschinenwesen, in der Softwareintegration, im Bereich der schnellen Netze und nicht zuletzt im Informationsmanagement, unter anderem durch die sehr frühe Bereitstellung der Internettechnologien, sowie im Bereich der Industrie- und internationaler Projektkooperationen seien zu wichtigen Eckpfeilern der Universität geworden. Dies machte auch Jean-Pierre Peltier von ONERA, der französischen Luft- und Raumfahrtbehörde, in seinem Vortrag über Höchstleistungsrechnen und schnelle, multimediale Kommunikationstechnologien deutlich; er betonte gleichzeitig die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Visualisierung von Simulationsergebnissen, wie sie am RUS seit Jahren intensiv auch im Rahmen von europäischen Projekten eingesetzt, weiterentwickelt und unterstützt wird.

Als intensiven Verfechter des Höchstleistungsrechnens in Baden-Württemberg, der dieses wesentlich mitgeprägt habe, würdigte Dr. Georg Bopp vom Wissenschaftsministerium Prof. Rühle. Die enge Zusammenarbeit mit der Industrie eröffne neue Möglichkeiten des Wissenschaftstransfers und werde die Einführung des entwicklungsbezogenen Parallelrechnens in der Industrie nachhaltig beschleunigen.

Aus industrieller Warte spannte Michael Heib von der debis Systemhaus GmbH und gemeinsam mit Rühle Geschäftsführer der hww GmbH den Bogen über zehn Jahre Supercomputing. Höchstleistungsrechnen in der Industrie ist heute trotz verschiedenartiger Architekturen zur täglichen Notwendigkeit geworden. Simulationsrechnungen dauern eben nicht mehr Wochen, sondern nur noch Stunden und können so Entwicklungszeiten immens verkürzen helfen. Die nächste Herausforderung für den alltäglichen, industriellen Einsatz sind Parallelrechner und parallele Anwendungssoftware.

Der Leiter des Rechenzentrums der Universität Tübingen, Prof. Dr. Dietmar Kaletta, zeigte den Wandel des klassischen Rechenzentrums zum Dienstleistungszentrum und würdigte dabei Rühles Zukunftsorientierung.

J.A./H.P.

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart 1998