Home           Inhalt
balken.gif (998 Byte)
Stuttgarter unikurier Nr. 77/78 Februar 1998
Interdisziplinäres EUROMECH-Kolloquium:
Biomechanik des Hörens unter der Lupe
 

Ausgezeichnete Bedingungen an der Universität Stuttgart fand im letzten Jahr das EUROMECH-Kolloquium „Biomechanics of Hearing“ unter der gemeinschaftlichen Leitung von Prof. Dr.-Ing. Werner Schiehlen und Dr.-Ing. Albrecht Eiber vom Institut B für Mechanik. Diese internationale Tagung war 1996 von der European Mechanics Society (EUROMECH) an die Universität Stuttgart vergeben worden.

kleinbal.gif (902 Byte)
 

Insgesamt fünfzig Ohrenärzte, Audiologen und Ingenieure aus Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Japan, der Schweiz, Tschechien und den USA trafen sich zu intensivem Austausch und kritischen Diskussionen ihrer Ergebnisse auf dem Gebiet der Hörforschung. Drei Übersichtsvorträge waren den einzelnen Themen Gehör, chirurgische Rekonstruktion und Innenohr gewidmet. Prof. Zenner aus Tübingen referierte über das Thema „Mechanical Sound Processing of the Ear“, Prof. Hüttenbrink aus Dresden erläuterte die „Biological and Mechanical Aspects on Middle Ear Reconstruction“ und Dr. Dancer aus St. Louis sprach über „Intrachochlear Acoustic Pressure Measurements, Transfer Functions of the Middle Ear and Cochlear Mechanics“. In zwölf Sektionen wurden einunddreißig weitere Vorträge aus den Bereichen der theoretischen Untersuchungen, der angewandten Forschung in Laboratorien und der Anwendung in Kliniken präsentiert und von dem interdisziplinär zusammengesetzen Auditorium lebhaft diskutiert.

Die Vorträge befaßten sich hauptsächlich mit der mathematischen Beschreibung der Schallübertragung durch das Mittel- und Innenohr und der dortigen Umsetzung in die elektrischen Signale in den Nerven. Die zentrale Aufgabe ist hierbei die Formulierung geeigneter Ersatzmodelle, die Bestimmung der zugehörigen physikalischen Parameter und die Verifizierung der Modelle durch Simulationen und Messungen. Deshalb waren auch viele Beiträge den Meßmethoden der Laservibrometrie, Laser-audiometrie und Multifrequenztympanometrie gewidmet, um sowohl verfeinerte Aussagen für die Diagnose als auch Eingrenzungen für die Parameter der Modelle zu erhalten.

Hohe Anforderungen an Ohrprothesen
Die Ergebnisse der Simulationsrechnungen aus den Modellen sind für die forschenden und praktizierenden Ärzte von großer Bedeutung, da sich viele Beobachtungen aus dem klinischen Alltag, wie beispielsweise otoakustische Emissionen, damit gezielter interpretieren lassen und Vorhersagen über die Auswirkungen von chirurgischen Eingriffen möglich sind. Insbesondere bei der Entwicklung von Prothesen als Ersatz für fehlende oder funktionsuntüchtige Mittelohrstrukturen sind Simulationsmodelle notwendig, um das Über-tragungsverhalten von rekonstruierten Gehören so zu optimieren, daß passive und aktive Implantate eine möglichst natürliche Gesamtübertragungscharakteristik erreichen. Bei einem rekonstruierten Gehör ist neben der optimalen konstrukiven Auslegung der Prothese auch deren günstige Plazierung im Ohr und das Langzeitverhalten insbesondere hinsichtlich ihrer Biokompatibilität von großer Bedeutung. Dabei zeigt sich, daß die Frage nach der besten Prothese nicht global zu beantworten ist. Die Übertragungscharakteristik einer Prothese darf nicht nur bei speziellen Frequenzen, sondern muß über größere Frequenzbereiche beurteilt werden. Eine Prothese muß auch „robust“ sein, das heißt unempfindlich gegen die Veränderung von Randbedingungen im Mittelohr oder beim Einsetzen der Prothese, sie muß auch von weniger versierten Operateuren sicher einsetzbar sein.

Zusammenarbeit mit HNO-Klinik der Universität Tübingen
Mit einer mathematischen Beschreibung der Modelle, wie sie am Institut B für Mechanik seit Jahren erarbeitet werden, lassen sich auch Schädigungsmechanismen des Gehörs infolge spezieller Schallereignisse wie laute Musik oder Knalle nachvollziehen und erklären. Die Arbeiten am Stuttgarter Institut laufen in enger Zusammenarbeit mit der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universität Tübingen und werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

KONTAKT
Prof. Dr.-Ing. W. Schiehlen, Dr.-Ing. A. Eiber, Institut B für Mechanik, Pfaffenwaldring 9, 70550 Stuttgart, Tel. 0711/685-6388, 6393, Fax 0711/685-6400
e-mail: ae@mechb.uni-stuttgart.de

 


last change: 09.06.98 / eng
Pressestelle der Universität Stuttgart 1998