Im Jahr 1994 wurden Bundesbahn und Reichsbahn zu einer Aktiengesellschaft
zusammengeführt. Entschuldung, größere Marktnähe, Trennung von Fahrweg und Transport
durch interne Neuorganisation, Kostentransparenz und die Öffnung des Fahrweges für
andere Anbieter von Schienenleistungen waren die betriebswirtschaftlichen Maximen, an
denen sich die Reform orientierte. Bis 1999 wird nun angestrebt, die heutigen
Geschäftsbereiche Fahrweg, Personennah-, Personenfern- und Güterverkehr in
Aktiengesellschaften zu überführen. Das Seminar am 4./5. September in Bonn diente der
Standortbestimmung der Bahnreform.
Staatssekretär Hans-Jochen Henke vom
Bundesverkehrsministerium zog eine äußerst positive Zwischenbilanz. Mit dieser
Unternehmensreform seien die Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige Bahn als starker
Partner auf dem Verkehrsmarkt geschaffen worden und schon heute gelte die Schaffung der DB
AG europa- und weltweit als Erfolgsmodell. Prof. Heimerl, Ordinarius für Eisenbahn- und
Verkehrswesen der Universität Stuttgart, verwies in diesem Zusammenhang besonders auf die
deutlich erkennbare Modifikation des Aufgabenverständisses für den Verkehrsträger Bahn
von seiten der Politik, der Wirtschaft und der Öffentlichkeit, aber auch der Bahnen
selbst.
Traditionell waren die Eisenbahnen in Deutschland - wie im
übrigen Europa - politischer Einflußnahme ausgesetzt. Politische Aspekte hatten vielfach
Vorrang vor ökonomischen, was eine betriebswirtschaftliche Unternehmensführung
behinderte. Unter diesen Rahmenbedingungen konnten auch Rationalisierungsmaßnahmen ohne
Veränderung der Unternehmensstruktur nicht den erwünschten wirtschaftlichen Erfolg
schaffen.
Eckpunkte der bisherigen Reformmaßnahmen waren einmal die
Übertragung der Verantwortung für den Schienenpersonennahverkehr auf Länderebene zum
1.1.1996. Zudem haben inzwischen kleinere Bahngesellschaften die Betriebsführung auf
Strecken übernommen, die von der DB nur noch mit reduziertem Angebot betrieben wurden
oder zur Stillegung anstanden. Der Nahverkehr konnte durch neue Fahrzeuge attraktiver
gemacht werden ebenso wie der inzwischen wirtschaftlich konsolidierte Fernverkehr. Der
Güterverkehr bildet die Ausnahme und konnte nach zunächst erheblichen Einbrüchen erst
im letzten Jahr leicht positive Zahlen schreiben.
Prof. Heimerl warnte indes in seiner Zusammenfassung vor der
Auffassung, alle Probleme seien schon gelöst. Vielmehr stehe noch ein mehrjähriger
Anpassungsprozeß bevor, in dem die Bahnen ihren Platz im Verkehrsmarkt behaupten und
ausbauen müßten. Letzteres gelte, so Heimerl, vor allem für den Güterverkehr, der
nicht zuletzt durch den Marktzugang osteuropäischer Niedriglohnunternehmen hart umkämpft
sei.
ck
KONTAKT
Prof. Dr. -Ing. Gerhard Heimerl, Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen/
Verkehrswissenschaftliches Institut, an der Uni Stuttgart, Pfaffenwaldring 7, 70569
Stuttgart, Tel. 0711/685-6367, Fax 0711/685-6666,
e-mail: euv.vwi@po.uni-stuttgart.de
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