Professor Girot ist weit über die Grenzen seines Landes hinaus bekannt. Er
arbeitet in erster Linie an der Umwandlung von Konversionsflächen in Stadtagglomerationen
und an der Entwicklung von städtischen Parks. Unter anderem realisierte er die
Neugestaltung des Berliner Invalidenparks, der in seinem Festvortrag als positives
Beispiel für einen nun seiner Geschichte bewußten Ort" hervorgehoben wurde.
Der Grund, auf dem der Invalidenpark sich erstrecke, sei ein markanter historischer Grund.
Preußen habe sich ebenso eingezeichnet wie das Dritte Reich und der Ost-West-Konflikt,
wie er sich in der künftigen Hauptstadt Deutschlands stadtplanerisch und architektonisch
bemerkbar gemacht habe. Diese Spuren seien mit der Neugestaltung des Parks nach seinem
Entwurf sichtbar gemacht worden der Park habe eine historische
Begründung" erhalten.
Prof. Girot (links) mit dem Geschäftsführer der DVA-Stiftung, Dr.
Horst Frank (Foto: Eppler) |
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Dem Invalidenpark hatte Girot in seinen von Diaprojektionen
begleiteten Ausführungen verschiedene Negativ-Beispiele vorangestellt, die er als
mißlungene ZwischenRäume" bezeichnete. Sie unterschieden sich von
Orten" dadurch, daß sie keine Verbindung zur Geschichte, somit weder Namen
noch Qualität besäßen. Ausführlich rekonstruierte er landschaftsplanerische und
architektonische Fehler bei der Gestaltung des Pariser Platzes La Fontaine des Innocents.
Als in den siebziger Jahren im Stadtzentrum das Einkaufszentrum Les Halles und der
darunterliegende U-Bahnhof Châtelet les Halles" gebaut wurde, sei diesem Platz
der historische, dichte und aussagekräftige Grund", so die Worte Girots, nicht
nur symbolisch abgegraben worden. Nun bilde der auf den Metro-Tunneln angelegte Platz
einen städtischen Zwischenraum" ohne Geschichte, der konsequenterweise von den
Menschen gemieden würde. Aus dem einstigen Marktplatz ist ein Ort ohne Namen und
ohne Qualität geworden," beklagte der Franzose. Das Leben des Platzes wurde
der großstädtischen Funktionalität geopfert dem unterirdischen Verkehrsnetz.
Damit ist der leere Platz das Ergebnis dessen, was man nicht sieht: des fehlenden Bodens,
der fehlenden Begründung nämlich." Hinzu käme freilich noch ein weiterer
architektonischer Fehler: durch Höherlegung sei La Fontaine des Innocents auch noch mit
einer Kante versehen, die eine scharfe Grenze zur geschäftigen Umgebung ziehe.
So man seinen Vortrag richtig verstanden hat, verfolgt Girot
eine dialektische Konzeption der Platzgestaltung. Ihm liegt daran, die geschichtliche
Fülle einer Landschaft" zu vereinen und zugleich darüber hinaus in die
Zukunft zu weisen. Was er zu gestalten sucht, ist eine präzise gezeichnete organische
Anordnung. Ob sie allerdings die Spannung der einzelnen historischen" Stationen
erhalten oder sie befrieden soll das wäre eine Frage gewesen, auf die man gerne
eine deutliche Antwort gehabt hätte.
Eine Landschaft erhält nach den Vorstellungen Girots Leben
auch durch den regen Besuch von Flaneuren - allein durch die Vergegenwärtigung
ihrer Geschichte. Darin bestünde die Aufgabe für die Gebäudearchitektur wie für die
Landschafts-planung - bei der Gestaltung von Bauten, Räumen und Landschaften. Girot wies
jedoch auf die Schwierigkeiten gerade seines Metiers hin. Die Gebäudearchitektur könne
die Entwicklung eines Ortes sehr viel leichter zeigen als die Landschaftsplanung.
Landschaft könne nur begründet" sein und die Wiederherstellung der
Begründung sei ein Prozeß, der oftmals Jahrzehnte in Anspruch nähme. Das zeige sich bei
den Überlegungen zur Renaturierung und Rekultivierung der Tagebauflächen im deutschen
Osten in der Gegend südlich von Leipzig, zu der Girot eigene Entwürfe eingereicht hat.
Ähnlich der Tätigkeit des Archäologen sei es die Aufgabe der Landschaftsplaner, die
natürlichen Vergangenheiten aufzudecken und Entwicklungen sichtbar zu machen. Natur und
Pflanzen entwickelten sich zwar mit Hilfe des Menschen, suchten sich aber ihren eigenen
Weg in ihrer eigenen Zeit und so sei mit einer Landschaft, die auch Spuren der
Prozesse vor dem verheerenden Tagebau zeige, erst in ferner Zukunft zu rechnen. Ein
Landschaftsplaner, der sich einer solchen Aufgabe stellt, läuft offensichtlich Gefahr,
sein Werk nicht vollendet zu sehen. /hjg