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Stuttgarter unikurier Nr.79/Juni 1998
Fakultätsabend der Bauingenieure:
Konflikte und Kooperationen - Herausforderungen für die Raumordnung
 

In Deutschland, Ungarn, China und Frankreich steht die Raumordnung vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen. Das haben die Redner beim Fakultätsabend der Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen am 10. Februar deutlich gemacht. Das Symposium stand unter dem Titel „Konflikte und Kooperationen als Herausforderung der Raumordnung".

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„Die Welt ändert sich atemberaubend schnell, deshalb darf die Planung nicht als reine Lehre auf der Strecke bleiben", sagte Christa Thoben, Staatssekretärin aus dem Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Neue Vorstellungen für staatliches Planen und Handeln seien notwendig. Dabei seien die Politiker in Zeiten der Umgestaltung auf den Rat der praxisorientierten Wissenschaft angewiesen. Mit zeitnahen Lösungen könne die Raumordnung an Bedeutung gewinnen und ebenso, wenn sie das Konfliktmanagement übernähme.

Zwischen den östlichen und westlichen Bereichen Ungarns hätten sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs regionale Disparitäten verstärkt, berichtete Dr. Péter Szaló. Szaló ist Unterstaatssekretär im ungarischen Ministerium für Umwelt und Regionalpolitik. Im Osten seines Landes sei beispielsweise die Arbeitslosigkeit hoch und der Lebensstandard niedrig, während gerade die Gegend um Budapest schon besonders weit entwickelt sei. Um diese Unterschiede auszugleichen, sei im Jahr 1992 der Regionalentwicklungsfond gegründet worden. Ohne aber Prinzipien der Europäischen Union wie Dezentralisierung, Partnerschaft und Unterstützung umzusetzen, würden die knappen Mittel oft unkoordiniert dafür eingesetzt, die Infrastruktur zu verbes-sern. In China stünden die Regionalplanung und die nachhaltige Entwicklung häufig im Konflikt mit den kurzfristigen Interessen der Menschen, sagte Prof. Chen Yuxiang aus Peking. Yuxiang ist stellvertretender Generaldirektor des Verwaltungszentrums für die Agenda 21 der Volksrepublik China. Die wirtschaftliche Entwicklung sei bereits vorangeschritten, werde aber vielfach immer noch als wichtiger angesehen als beispielsweise der Schutz der Umwelt. Als Ursache hierfür sieht Yuxiang die nach wie vor weit verbreitete Armut. Damit Verbesserungsprogramme Erfolg haben, müsse man besonders die Sichtweise der Entscheider zu verändern suchen und systematische Planungsmethoden anwenden. „Wer die Verschmutzung eines Sees managen will, muß sich zuerst um den Fluß kümmern, der ihn speist, und noch davor um die Quellregionen, in denen die Armut dazu führt, daß Menschen das Ökosystem schädigen", so Yuxiang. China könne bei der Entwicklungsplanung von den industrialisierten Ländern lernen. In diesem Sinne dankte der Wissenschaftler seinen deutschen Kollegen vom Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Uni Stuttgart. Er hoffe, daß sie auch weiterhin zusammenarbeiten würden.

Prof. Jean-Louis Guigou von der französischen Raumentwicklungsbehörde DATAR stellte die Arbeitsweise seiner 1963 gegründeten Institution vor. Mit knapp 200 Mitarbeitern habe sie unter anderem die Aufgabe, alle Pläne, die mit der Raumordnung zu tun hätten, zu überprüfen und aufeinander abzustimmen - unabhängig davon, aus welchem Ministerium sie kämen.

„In Deutschland gibt es Lösungen für die hiesigen Probleme, in Frankreich solche, die für unsere Probleme geeignet sind - nur europäische Lösungen gibt es bislang nicht", so Guigou weiter. Dabei werde Europa bald wachsen. Die heutige Entwicklung in den osteuropäischen Ländern, an denen Deutschland besonderes Interesse zeige, sei nur gemeinsam und mit viel Solidarität zwischen den Ländern möglich. Für die südeuropäischen Staaten bedeute der Mittelmeerraum aber ähnlich viel, denn Italien liege zum Beispiel nur eine halbe Tagesreise von Nordafrika entfernt. „Darum bitte ich Sie, helfen auch Sie uns später aus Solidarität und Freundschaft, die Länder im Mittelmeerraum zu entwikkeln", schloß Guigou seinen Vortrag.

„Wer an seinen Plan glaubt, ist schon auf dem falschen Weg", sagte Prof. Peter Treuner vom Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Universität. Pläne erfüllten ihren Zweck, wo sie als Vehikel zum Überlegen dienten und flexibel interpretiert würden. Möglichst unterschiedliche Meinungen seien für einen Dialog genauso wichtig wie die praxisrelevanten Ideen. „Die Vorschläge für die Zukunft haben die jungen Mitarbeiter, die nicht alles glauben, was ihre Chefs erzählen", meinte Treuner weiter, „wir müssen auch Ideen für morgen und übermorgen produzieren, für die die Nachfrage zum Beispiel von seiten der Politiker noch gar nicht da ist".     /op

 


last change: 09.06.98 / eng
Pressestelle der Universität Stuttgart

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