Studiert hat Wolfgang Eisenmenger an der TH Aachen und der Universität
Göttingen. Er promovierte 1958 bei Prof. Erwin Meyer mit einer experimentellen Arbeit auf
dem Gebiet des Ultraschalls, für die er den Preis der Fakultät Physik der Universität
Göttingen erhielt. Die in dieser Arbeit von Eisenmenger entwickelte Methode zur Messung
der Oberflächenspannung durch parametrische Anregung von Kapillarwellen wurde bereits
wenig später für eine technische Anwendung genutzt, nämlich die Erzeugung von
Ultraschallnebel mit definierter Tröpfchengröße. Dies ist ein Beispiel dafür, wie aus
einer originellen experimentellen Vorgehensweise bei der Bearbeitung einer
wissenschaftlichen Fragestellung neuartige technische Anwendungen folgen können.
Technikfolge" in diesem Sinne hatte auch die wissenschaftliche Arbeit, mit
der sich Eisenmenger 1964 in Göttingen habilitierte: Die Bestimmung der resultierenden
Steilheit von Druckfronten bei ihrer Ausbreitung in Flüssigkeiten. Der für diese
Untersuchungen entwickelte elektromagnetische Stoßwellengenerator fand mehr als 20 Jahre
später eine wichtige Anwendung in der Medizin bei der nichtinvasiven
Nierensteinzertrümmerung.
Eine
weitere folgenreiche Idee konnte Eisenmenger 1966 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei
den Bell Laboratories in Murray Hill realisieren: Die Erzeugung und den Nachweis von
Phononen mit supraleitenden Tunnelkontakten. Diese Methode, zur Phononenspektroskopie
weiterentwikkelt, hat für die Untersuchung von Defekten in Halbleitern und Isolatoren,
von Grenzflächen und dünnen Schichten interessante neue Möglichkeiten erschlossen.
Im Herbst 1969 wurde Wolfgang Eisenmenger auf einen Lehrstuhl für Experimentalphysik
in Stuttgart berufen und übernahm die Leitung des 1. Physikalischen Instituts. Forschung
und Lehre, beides war von Anfang an für Eisenmengers akademische Tätigkeit wesentlich
und wurde von ihm mit großem Engagement, mit Einfallsreichtum und Beharrlichkeit
betrieben.
Auf der Seite der Forschung wurde zunächst die Phononenspektroskopie zu einer
empfindlichen und flexiblen Untersuchungsmethode entwickelt und auf ganz unterschiedliche
Fragestellungen angewendet. Eine internationale Anerkennung der Forschungsaktivitäten auf
diesem Gebiet bedeutete insbesondere die Ausrichtung der 4. International Conference on
Phonon Scattering in Condensed Matter 1983 in Stuttgart.
Am Anfang eines weiteren Arbeitsgebiets, der Untersuchung des piezoelektrischen Effekts
von Polymerfolien, stand ebenfalls eine originelle Idee: Ein durch die Folie laufender,
steiler Drucksprung als Sonde für Polarisations- und Ladungsverteilungen im Innern des
Materials. Als eine Art Schi.htmlikroskopie ist auch diese experimentelle Technik für die
Praxis interessant, zumBeispiel für die Schichtdickenbestimmung bei mehrlagigen
Lackschichten.
Die weitere Beschäftigung mit dem Thema Stoßwellen hat zu neuen Erkenntnissen bei der
Kavitation und der Zerreißfestigkeit von Wasser geführt und unter anderem auch zur
Entwicklung eines speziellen, einfach eichbaren Glasfaser-Sondenhydrophons, das ebenfalls
für die Praxis von großem Interesse ist. Auch der elektromagnetische
Stoßwellengenerator wurde für diese Untersuchungen weiterentwikkelt und fand Interesse
für die medizinische Anwendung. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch die
langjährige Zusammenarbeit mit dem Biologischen Institut (Prof. Dieter Hülser).
Die Kavitation spielt eine zentrale Rolle bei dem erst vor wenigen Jahren aufgenommenen
Arbeitsgebiet, der sogenannten Einzelblasen-Sonolumineszenz. Hier geht es um die
experimentellen Bedingungen und die Ursachen für die kurzen Lichtblitze (und
Schallpulse), die beim Blasenkollaps in der Überdruckphase eines treibenden
Ultraschallfeldes entstehen. Nach kurzer Zeit bereits konnten auch auf diesem Gebiet
entscheidend neue Resultate gewonnen werden, die auf zahlreichen Internationalen
Fachkonferenzen vorgestellt wurden.
Ein weiteres Arbeitsgebiet, im Gegensatz zu den oben genannten ohne Bezug zur Akustik,
ist die Rastertunnelmikroskopie an epitaktischen Schichten organischer Moleküle. Im
Rahmen des Sonderforschungsbereichs Molekulare Elektronik" geht es hier unter
anderem um schaltende Moleküle. Durch den erreichten submolekularen Bildkontrast ergaben
sich interessante Fragen hinsichtlich der elektronischen Zustände dieser Moleküle und
deren Abbildung.
Auch in der Lehre hat sich Wolfgang Eisenmenger in Stuttgart sehr verdient gemacht. Es
war ihm ein Anliegen und Vergnügen, durch immer wieder neu erdachte Experimente die
Anfängervorlesung Experimentalphysik I und II für die Studierenden der Physik und
anderer Fakultäten attraktiv zu gestalten. Eisenmenger hat sich stets auch
hochschulpolitisch engagiert, wofür seine langjährige Mitgliedschaft im Verwaltungsrat
als Beleg dienen mag.
In Anerkennung seiner wegweisenden Arbeiten auf dem Gebiet des Ultraschalls und der
Phononenspektroskopie wurde Wolfgang Eisenmenger 1995 der Robert-Wichard-Pohl-Preis der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft verliehen. Seit 1988 ist er korrespondierendes
Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften. Von 1984 bis 1994 war er Mitglied des
wissenschaftlichen Beirats des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung. Wir, seine
langjährigen Kollegen, blicken mit großer Dankbarkeit auf seine engagierte Tätigkeit in
Forschung und Lehre zurück, und wir wünschen ihm für seine Zukunft alles Gute.
M. Pilkuhn
M. Wagner