All das sollte sie jedoch nicht davon abhalten, ein Studium in den klassischen
Männerstudiengängen aufzunehmen. Darüber waren sich sechs studien- und berufserfahrene
Frauen einig, die am 15. Mai im Pfaffenwaldring 47 während einer Podiumsdiskussion
einigen Dutzend Schülerinnen der gymnasialen Oberstufe Rede und Antwort standen. Mit der
Veranstaltung schloß der erste Zyklus des Projekts Probiert die Uni aus!
Naturwissenschaften und Technik für Schülerinnen der Oberstufe."
Die Frauenbeauftragten der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten hatten
sich zu dem Projekt zusammengefunden, um den Schülerinnen Mut zu machen, das Fach ihrer
Neigung auch zu studieren. Über zweihundert junge Frauen hatten über fünf Monate hinweg
jeweils freitags nachmittags Gelegenheit, in Theorie und Praxis in vierzehn Studiengänge
hineinzuschnuppern".
Dr. Barbara Unteutsch, die Frauenreferentin der Universität, hatte bei der Einladung
darauf geachtet, daß Expertinnen unterschiedlicher beruflicher Bereiche vertreten waren.
Die Mathematikerin Andrea Hofmann entwickelt für ein Versicherungsunternehmen die
Software für die Versicherungsver-waltung. Professorin Dr. Monika Auweter-Kurtz, die
ehemalige Frauenbeauftragte der Universität, war Anfang der 90er Jahre die erste
baden-württembergische Ingenieur-Professorin. Professorin Dr. Irmtraud Munder, gelernte
Physikerin, lehrt unter anderem an der Fachhochschule Furtwangen. Daneben saßen die
Bauingenieurin Kalliope Papadimitriou sowie die Chemikerin Dr. Brigitte Helfrich, die im
Schweizer Konzern Ciba angestellt ist.
Während die Professorinnen vor allem betonten, daß sich Beruf und Familie bei
entsprechender Organisation vereinbaren ließen, setzten die Frauen aus der Wirtschaft
einen etwas anderen Akzent. Sowohl Andrea Hofmann als auch Kalliope Papadimitriou konnten
nur unterstützen, was Brigitte Helfrich erzählte: Seit sie als Mutter nur noch halbtags
arbeite, stagniere ihre Karriere, wenn auch auf hohem Niveau. Fazit Helfrich: Wenn
man Familie will, dann kann man nicht auch Karriere machen." In Deutschland bleibt
offensichtlich noch einiges zu tun, um der Teilzeit Akzeptanz zu verschaffen und
Arbeitsplätze so anzulegen, daß sich Männer wie Frauen der Familie wie dem Beruf ohne
eklatante Nachteile widmen können.
So weit sollte frau bei der Wahl des Studienfaches jedoch zunächst nicht denken. Dabei
sollte vielmehr die Lust und das Interesse am Gegenstand den Ausschlag geben, so die
einhellige Meinung. Und gerade im Bereich der Ingenieurwissenschaften bestünden derzeit
gute Chancen, die Männerdomäne zu erobern, fehle es der Industrie doch am Nachwuchs,
stärkte Barbara Unteutsch den Mädchen den Rücken. Überdies hatten die beruflich
erfolgreichen Frauen auf dem Podium nicht von allzugroßen Problemen mit ihren männlichen
Kollegen zu berichten. Mit denen könne sich frau sogar unterhalten, beruhigten sie die
Schülerin, die ihren Abscheu vor den am Computer hängenden jungen Männern zum Kriterium
der Fächerwahl machen wollte. Die gäbe es, wie computerverliebte Studentinnen, überall,
doch fänden sich darüber hinaus viele Leute, die sich dann doch lieber mit Menschen aus
Fleisch und Blut unterhielten.
Der nächste Projektzyklus, der noch stärker den Bedürfnissen und Vorkenntnissen der
Schülerinnen angepaßt werden wird (siehe dazu nebenstehenden Bericht), soll Anfang 1999
starten. Unter anderem plant die Informatik für die Faschingsferien vom 15.-19. Februar
eine Erlebniswoche". /hjg
KONTAKT
Dr. Barbara Unteutsch, Frauenreferentin, Geschwister-Scholl-Str. 24 B, 70174 Stuttgart,
Tel. 0711/121-2156, Fax 0711/121-4035
e-mail: unteutsch@verwaltung.uni-stuttgart.de
Frauen für
Naturwissenschaften und Technik:
Erwartungen erfüllt
Rein quantitativ darf die Aktion Probiert die Uni aus!" mit über 270
Anmeldungen für die ingenieurwissenschaftlichen und 200 Anmeldungen für die
naturwissenschaftlichen Fächer sowie mehr als 50 Anmeldungen für die Informatik als
großer Erfolg gewertet werden. Doch auch qualitativ können die Veranstalterinnen, die
Frauenbeauftragten der beteiligten Fakultäten, außerordentlich zufrieden sein: Nur bei
zwei Schülerinnen wurden die Erwartungen nicht, bei allen anderen dafür voll und ganz
oder teilweise erfüllt. Soweit ein erstes Fazit nach Abschluß des ersten Zyklus des
Projekts, bei dem mehr als 200 Schülerinnen der gymnasialen Oberstufe prüfen konnten, ob
ihre Begabungen und Neigungen einem naturwissenschaftlichen oder technischen Studium
entsprechen. Überrascht waren die Veranstalterinnen nach der Auswertung der Fragebögen,
daß fast 80 Prozent der Teilnehmerinnen die Klassen 11 und 12 besuchen, wobei die
Elftklässlerinnen mit fast 50 Prozent aller Teilnehmerinnen überwiegen. Abiturientinnen
sind offenbar zum Jahresanfang so intensiv mit den Vorbereitungen für das Abitur
beschäftigt, daß sie solche Angebote nicht mehr wahrnehmen können.
Nur 43 Prozent der Schülerinnen waren damit einverstanden, daß die Aktion nur für
sie und nicht für ihre männlichen Mitschüler veranstaltet wurde. 27 Prozent hätten den
Jungs eine gleich gute Veranstaltung gegönnt, oder fanden es unnatürlich, nur unter
Frauen zu sein. Die restlichen 30 Prozent standen der Frage eher unentschlossen
gegenüber. Aufschlußreich war dabei der starke soziale Impetus, der die jungen Frauen
veranlaßte, ihre Mitschüler zu bedauern, weil ihnen Ähnliches nicht geboten wurde. Ob
sich junge Männer wohl in ähnlicher Weise äußern würden?
Langlebige Vorurteile
Wenig verständlich ist diese Einstellung, wenn man sich die Antworten der Schülerinnen
auf die Frage ansieht, ob sie bereits Vorurteilen gegenüber Frauen und
Naturwissenschaften oder Technik begegnet seien. Da wird deutlich, daß diese Vorurteile
vor allem in der Schule von männlichen Mitschülern an erster und von männlichen Lehrern
an zweiter Stelle geäußert werden. Größter Beliebtheit erfreut sich dort das
Vorurteil, daß Frauen technisch unbegabt seien; es folgen: Frauen seien
naturwissenschaftlich unbegabt, sie könnten nicht logisch denken und schließlich: Ein
Beruf im technischen oder naturwissenschaftlichen Bereich sei nicht mit einer Familie
vereinbar und eigne sich daher nicht für Frauen.
Die Aussagen darüber, ob die Teilnahme am Projekt die Studienwahl beeinflußt habe,
sind gespalten: 30 Prozent sehen unmittelbaren Einfluß, wobei davon wiederum die Hälfte
bereits beabsichtigte, ein naturwissenschaftliches oder technisches Fach zu studieren und
sich jetzt in dieser Absicht bestärkt fühlt; die andere Hälfte war sich in dieser Wahl
noch nicht sicher, fühlt sich jetzt aber bestätigt; nur ganz wenige sagen, daß sie erst
nach der Teilnahme am Projekt wissen, wo ihre Begabungen liegen. Für 26 Prozent der
Teilnehmerinnen hat das Projekt keinen Einfluß auf ihre Fächerwahl gehabt. Gut 40
Prozent der Schülerinnen sind in dieser Frage noch unentschieden.
Wichtig war für die Veranstalterinnen, etwas über die Lebensplanung der jungen Frauen
zu erfahren. Die überwiegende Mehrheit von über 60 Prozent will einen interessanten
Beruf mit einer Familie verbinden. Die zweitgrößte Gruppe gibt an, vorrangig im Beruf
Karriere machen zu wollen. Lediglich zwei Schülerinnen waren der Ansicht, ein
interessanter Beruf sei mit Kindern nicht vereinbar, so daß die Frau gezwungen sei, nach
der Geburt ihrer Kinder ihren Beruf aufzugeben.
Soweit ein vorläufiges Fazit. Die Erfahrungen sollten nicht nur innerhalb der
Universität Stuttgart Auswirkungen haben, sondern sie werden durch die Frauenreferentin,
die Mitglied in einem AK des Ministeriums zum Thema Frauen in
ingenieurwissenschaftliche Fächer" ist, auch auf Landesebene thematisiert.
B. Unteutsch
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