Der Messiasgedanke in der jüdischen Religion kennt nach Idel
drei Vorstellungen eines Erlösers: der Messias kann zum einen als der König gedacht
werden, der die bestehende, gute" Ordnung der Welt durchsetzen und vollenden
wird, er kann zweitens präsentiert werden als ein König der Zukunft, der die Welt erst
nach dem natürlichen" Untergang der alten Ordnung retten wird, oder er kann
schließlich auch als der apokalyptische Zerstörer konzipiert werden, der selbst alles
Bestehende zerstört, um die Welt aus dem Nichts wiederaufzubauen. Die Heilserwartungen
unterscheiden sich also nach dem Maß an Zerstörung, das vor dem Eintreten der guten
Herrschaft durchschritten werden muß.
Keine Messiaslehre
Gänzlich anders als im Christentum verläuft auch die Vermittlung der Messiasidee:
wandernde Propheten müssen in ihren Reden deutlich machen, daß es keine Lehre vom
Messias geben kann. Als ziellos umherirrende Botschafter bilden sie ein Netz ohne
zentralen Ausgangspunkt. Abgekoppelt von der religiösen Elite, die ihre Version der
Messiasidee als Geheimnis hütet und an einer Verbreitung nicht interessiert ist, erweist
sich der Informationsverlust somit nicht als Unfall, sondern als Absicht. Die
Interpretationen übernehmen die Rolle einer Maske, hinter der sich kein Gesicht verbirgt,
die Vielzahl an unkontrollierten Versionen zirkuliert um eine gähnende Leere. Der
Vermittler muß daher auch in eigener Person vorleben, daß er nicht festgeschrieben
werden kann: durch rituelle Techniken der Selbstmessianisierung löst er jeden Text durch
Überschreibung und Kommentar wieder auf. An welche Vorstellung des Messias das Volk auch
glauben mag, die Priorität besteht darin, sie in Bewegung zu halten.
A. Geiger
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